„Fei si bu ke“ heißt: sterben müssen

Facebook Fernost Mark Zuckerberg überraschte kürzlich mit der Aussage, dass Facebook längst in China sei. Der große Sprung über die Zensurmauer war damit nicht gemeint - eher ein Umweg
Ausgabe 45/2014
"Beliebt": China im Netz
"Beliebt": China im Netz

Bild: Hoang Dinh Nam / AFP / Getty

Mark Zuckerberg kann Chinesisch. Zumindest radebrecht es der Facebook-Chef so gut, dass er kürzlich beim Besuch der Pekinger Eliteuniversität Qinghua mit einer erstaunlichen Aussage für Gelächter sorgte: Facebook – im Land seit 2009 gesperrt und seitdem geil ante portas – sei ja schon längst in China. Noch im Juli war davon keine Rede gewesen. Da hatte Facebook Meldungen chinesischer Medien dementiert, wonach man in Peking große Büroflächen gemietet habe, und erklärt, man wolle in nächster Zeit nicht nach China.

Kommentatoren nutzten die Gelegenheit, um wieder einmal Facebooks Lebenschancen im Reich der Mitte auszuloten. Es gebe derzeit kaum welche, meint der IT-Watchblog ikanchai.com und schärft seine Analyse mit dem Sprachspiel fei si bu ke:
Zur Lautübertragung des Firmennamens ins Chinesische wurden Schriftzeichen gewählt, die wörtlich übersetzt „sterben müssen“ bedeuten. Die Konkurrenz sei zu groß, heißt es. Chinas Nutzern steht ein voll bestücktes Arsenal einheimischer Netzwerke zur Verfügung, deren Funktionen und Design auf Augenhöhe mit westlichen Pendants sind, auch weil sie diese eifrig kopiert haben. Mit ihren Weibo- beziehungsweise Weixin-Diensten decken die Platzhirsche Sina und Tencent alles ab, was Facebook, Twitter und Whatsapp bieten.

Zudem habe Facebook in China ein „ideologisches Problem“, zitiert die Zeitschrift Southern Metropolis Weekly (Nandu Zhoukan) den Internetexperten Liu Xingliang. Facebook müsste mit seiner Firmenphilosophie brechen, sich der Zensur beugen und seine Internationalität opfern. Es müsste facebook.cn als Insel anlegen, die ein Vernetzen mit Nutzern von facebook.com nicht vorsieht, andernfalls gebe es keine staatliche Lizenz. Genau dieses „ideologische Problem“ aber macht Faebook für viele Chinesen überhaupt so interessant, deswegen hüpfen sie mit spezieller Software über Chinas digitale Sperrmauern und naschen verbotene Früchte wie Twitter, Youtube und eben Facebook, das in ihren Augen immer noch Symbol für ein freieres Internet ist, für weltweiten Austausch jenseits staatlicher Bevormundung.

Mit einem Kotau vor Chinas Zensur würde sich Facebook nicht nur bei chinesischen Nutzern entzaubern. Southern Metropolis Weekly zitiert Li Kaifu, den ehemaligen Direktor von Google Greater China, der Mark Zuckerberg 2010 fragte: „Wenn Sie sich dazu entscheiden, Chinas Gesetze und Richtlinien zu befolgen, haben Sie dann an den Druck gedacht, der Sie deswegen in den USA erwarten könnte?“

Angesichts des hohen Preises, den Facebook für die Eintrittskarte in China zu zahlen hätte, erscheint eine neue Strategie sinnvoller, die Vizepräsident Vaughan Smith im April beim China-2.0-Forum in Peking erläuterte: chinesischen Unternehmen und Organisationen dabei zu helfen, für ihre weltweite Informationsarbeit Facebook zu nutzen. Das meinte jetzt auch Zuckerberg, als er sein „Wir sind schon in China“ darauf stützte, dass man dem PC-Hersteller Lenovo bei der Werbung für ein neues Smartphone geholfen habe. Ob Chinas Regierung diesem Mauerspringen auf Dauer tatenlos zusehen wird, bleibt abzuwarten, aber Smith und Zuckerberg wissen wohl: Chinesen wollen Facebook – das echte.

Oliver Pöttgen bloggt auf freitag.de unter dem Namen Chinaschau

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