A
Anfang Die Fender Telecaster gilt als die erste massenproduzierte Vollkorpus-E-Gitarre. Leo Fender entwarf sie 1950 und wollte sie möglichst erschwinglich herstellen, damit sie für den Massenmarkt taugt. Modelle dieses Jahrgangs kosten heute durchschnittlich zwischen vier- und fünftausend Euro. Instrumente verhalten sich auf dem Markt wie Wein. Gitarren-Nerds (➝ Bastelset) glauben fest daran, dass die beständigen Schwingungen über die Jahre Spuren im Holz hinterlassen, der Sound quasi bei guter Pflege immer besser wird. Kopierte Billigmodelle, die so aussehen wie die Legenden, gibt es schon für 100 Euro. Ich war sehr stolz auf meine erste E-Gitarre, auch wenn sie eine solche Kopie war. Bei einer der ersten Bandproben log ich meinen Freunden ins Gesicht: „Wie viel hat die gekostet?“ – „700.“ – „So klingt sie auch.“ Als ich das später auflöste, waren die Jungs, nun, verstimmt. Man hätte von Anfang an gehört, dass ich „Sperrholz“ spiele. Konstantin Nowotny
B
Bastelset Noch existiert sie nur als Fanvorschlag, bald aber kann man sie tatsächlich erwerben: Die Fender Stratocaster als Lego-Set. Manch eingefleischter Lego-Fan bekrittelt ja seit Jahren, dass die Firma an den Bedürfnissen der Fans vorbeiproduziert. Insofern ist es kein Wunder, dass man sich hier und da auf ihre Ideen stützt. Das gilt auch für die Lego-Fender, die tatsächlich ein Fan-Vorschlag war. Aber wer braucht ein Musikinstrument als Bastelset? Die Fan-Fender ist wie viele der hochpreisigen Sets ein Produkt für Erwachsene. Wer sich keine echte Fender (die ist noch teurer) an die Wand hängen kann, der kann es mit dem Bauset probieren. So gelingt dann auch die Verschmelzung von Rockstarträumen und Nerd-Dasein (no offense, in meinem Wohnzimmer steht eine Legovitrine). Vielleicht entdeckt Lego nun endlich das Thema Musik für sich. Marlen Hobrack
C
Coronagewinner Die Washington Post hatte der E-Gitarre im Jahr 2016 einen schleichenden Tod vorausgesagt, weil es an „Heroes“ mangele. Sie ist aber alles andere als begraben. 2020 wird Fender mehr Gitarren verkaufen als je zuvor – Corona geschuldet: Durch die Pandemie hocken die meisten daheim. Manche wollen jetzt endlich mal ein neues Instrument lernen, andere ihr Spiel verbessern, aber nicht mehr am Lagerfeuer oder in der Musikschule, sondern digital. Die App Fender Play verzeichnete unter anderem einen Sprung von 150.000 Usern Ende März auf 930.000 User im Juni. 20 Prozent der neuen Nutzer seien unter 24, und 70 Prozent unter 45 Jahre alt. „Es sind nicht nur ergraute Männer der Baby-Boom-Generation, die ihre letzte Fantasie ... ausleben wollen. Junge Erwachsene und Jugendliche, von denen viele weiblich sind, tragen zu dieser Wiederbelebung der Gitarre bei“, sagte Fender-Geschäftsführer Andy Mooney der New York Times.
Ein Beispiel für eine Fender-Heroin unserer Zeit? Courtney Barnett. Sie spielt eine Fender Jaguar, wie einst Kurt Cobain (➝ Zerstörungswut). Werde ich jetzt nerdy? Maxi Leinkauf
H
Hausmusik Meine volle Solidarität gilt Friedrich Merz. Er ist ja bisher wahrlich kein ➝ Coronagewinner, aber darum geht es nicht, sondern um den Spott, der sich über seine Familie ergoss, als ein Bild die Runde machte, das diese beim Musizieren in der heimischen Stube zeigt. Vater an der Klarinette, Tochter am Klavier – ist doch super! Bei mir zu Hause beschränkt sich das Instrumentenspiel auf den Geigenunterricht meiner Tochter. Einmal im Advent aber kommen viele Freunde zu uns, um Weihnachtslieder zu singen. Auch die Unmusikalischen haben dann ein Glänzen in den Augen und bewundern die, die das mit ihren Instrumenten begleiten. Heuer wird’s wohl nix, scheiß Corona! Sebastian Puschner
L
Leihgut Wenn Gitarristen klauen, sagen sie gern, sie hätten sich nur was „geborgt“. Meist geht es um Riffs oder Melodien, im Fall von Jimi Hendrix und Keith Richards handelte es sich um handfestes Fender-Holz (➝ Öko). 1966 sollte Hendrix sein Debüt im legendären Café Wha im Greenwich Village geben. Nie ein Meister der Instrumentenpflege, verlor Hendrix am Vorabend seine Gitarre, weshalb Linda ihm die weiße Stratocaster ihres Freundes Keith Richards „borgte“. Der ahnungslose Stones-Gitarrist sah die Strat nie wieder. Bevor Hendrix auch diese Gitarre abhanden kam, spielte er auf ihr im Café Wha: eine Coverversion von Like a Rolling Stone. Cornelius Dieckmann
N
Naturtalent Laben wir uns in Zeiten geschlossener Kultureinrichtungen an musischen Fähigkeiten. Denn es gibt es, das absolute Gehör. Man streitet sich, ob man es erlangt oder a priori darüber verfügt. Mir selbst blieb in der Musikschule nur körperliche Notwehr: ich trat dem Schulleiter gegen das Bein. Einem Freund von mir können Sie irgendeine Musik vorspielen, er spielt sie perfekt nach. Ein Wunder! Er besorgte sich eine Gitarre (noch keine Fender) und legte einfach los. Für ihn sei Musik eine Fremdsprache, die er aber wie eine Muttersprache beherrsche. Mozart wird das absolute Gehör nachgesagt, Bach und Jimi Hendrix. Der hat die E-Gitarre neu erfunden, genauer, die Fender Stratocaster (➝ Leihgut). Und ich, ewiger Unkönner, lese mal wieder Heinz Strunks Fleisch ist mein Gemüse. Strunk als Mucker einer norddeutschen Partyband. Hat mich mein marodes Gehör vor etwas bewahrt? Jan C. Behmann
Ö
Öko In einschlägigen Fender-Blogs wird behauptet: „US-amerikanisches Erlenholz klingt immer viel besser als mexikanisches Erlenholz. Selbst wenn der Baum quer über den Rio Grande wächst, klingt der US-amerikanische Teil signifikant besser als der mexikanische.“
Erle, Esche, Linde, Ebenholz oder Palisander sind die Holzarten, aus denen Fender-Gitarrenkörper gefertigt werden. Bald wird es jedoch keine E-Gitarren mit Escheholz mehr geben. Fender stoppt ab sofort die Produktion, konnte man hören. Grund sei der Asiatische Eschenprachtkäfer: ein eingeschleppter Schädling für Eschen in Nordamerika, der seit mindestens zwei Jahrzehnten wütet. Milliarden Bäume fielen ihm schon zum Opfer. Zudem kommt Fenders Sumpfesche zumeist aus Flussmündungen im Mississippi-Delta. Fluten sind dort normal und globale Erwärmung lässt zwei Drittel der Flächen im Jahr unter Wasser stehen, was einen Großteil der südlichen Ernte kostet. Grünsein hat verschiedene Gründe. Maxi Leinkauf
P
Pionier Er war der Meister von E-Gitarre und E-Bass. 1950 präsentierte Leo Fender auf einer der weltweit größten Musikmessen, NAAM, die Mutter aller Brettgitarren, die Fender Esquire. Sofort rissen sich Jazz-,Blues-, Rock’n’Roll-Musiker um die futuristischen Vollholzgitarren. Mit seinem genialen Marketingstrategen, Don Randall, war dem Ex-Buchhalter und Elektroniknerd Fender die Revolution im Gitarrenbau gelungen: ein vom Fordismus inspiriertes, industriell aus Einzelteilen zusammenschraubbares, preiswert herstellbares, technisch perfektes Instrument. Kontakte zur südkalifornischen Musikszene ermöglichten dem nahezu gehörlosen Fender die Qualitätsprüfung von Sound und Design. Und so schnelle Werbung. Helena Neumann
Q
Qualität Was geschieht, wenn sich Großkonzerne über ein solides Unternehmen hermachen, das lässt sich auch an Fender ablesen. Für die Gemeinde ist das Jahr 1965 das Annus Horribilis. CBS kauft das Unternehmen für 13 Millionen Dollar von Leo Fender (➝ Pionier). Nun werden andere Materialien eingesetzt. Pickguards und Schalter werden aus Vinyl und nicht mehr aus dreischichtigem Zelluloid gefertigt, die Korpuskontur wird weniger filigran, da tauglicher für Massenproduktion. Schwerer Lack für das Finish braucht weniger Zeit beim Auftragen. Verschraubung ohne Verleimung des Halses sowie Perloid statt Clay Dots im Griffbrett senken ebenfalls die Produktionskosten bei gleichbleibendem Preis. 1985 kaufte schließlich eine Gruppe Mitarbeiter Fender zurück. Marc Ottiker
S
Sound 1989, als Jonathan Richman sein Stück Fender Stratocaster veröffentlichte, war die in den 1950ern auf den Markt gekommene ikonische Gitarre eigentlich ziemlich out. Doch was out und in war, war Richman eher egal. Was ihn an der Stratocaster interessierte, das war ihr Sound („Wangin’ & a-twangin’, sounding so tough“), aber mehr noch, die Bilder, die Poesie im Kopf, die dieser genuine Gitarrensound entfachte: „like the wind in your hair when the top is down“, „like a motorcycle at a hot dog stand” oder „like the thrifty drugs in Santa An’“. Das alles konnte Richman in der Stratocaster von Fender hören. Und noch mehr: „Everything your parents hated about rock’n’roll. Fender Fender Fender!" Marc Peschke
T
Tasten Fender verkauft Banjos, Ukulelen und Verstärker. Außer Gitarren werden auch E-Bässe gespielt, vor allen Dingen im Jazz. Und es wird auf einem Fender in die Tasten gehauen, präzise gesagt: dem Fender-Rhodes-Piano. Harold Rhodes entwickelte das elektromechanische Instrument 1959, Leo Fender finanzierte es. Elektromechanisch meint, dass ein Gummihammer einen metallischen Klangkörper in Bewegung setzt, an dessen Ende eine kurze Saite zum Schwingen gebracht wird. Die Tonübertragung übernimmt ein elektrischer Abnehmer.
Der Sound von Fender Rhodes wird als voll, glockenartig und etwas rau beschrieben (➝ Sound). Das Piano hat in Jazz, Pop, Soul, Funk, R&B und House Einzug gehalten. Herbie Hancock, The Doors und Portishead nutzten es. Manche reden von „dem Klavier, das die Geschichte der Musik veränderte“. Heute spielt es etwa der Berliner Jazzpianist Matti Klein, der das Fender Rhodes zum unabdingbaren Bestandteil seiner früheren Jazzkombo Mo’ Blow machte. Ben Mendelson
Z
Zerstörungswut Stellvertretend für alle E-Gitarren steht die Fender für Rebellion, Anti-Establishment, Rock’n’Roll. Dieses Image wurde durch die Zerstörungswut mancher Stars noch größer. Bei Deep- Purple-Konzerten überlebte die Stratocaster selten die Zugaben. Gitarrist Ritchie Blackmore zertrümmerte sie voller Hingabe und sprang dann auf ihr rum, bis kein Ton mehr herauskam. Wie in Trance malträtierte Jimi Hendrix (➝ Absolutes Gehör) sein Instrument beim Monterey Festival 1967. Nachdem er Wild Thing gespielt hatte, schlug er es auf den Boden und zündete es an. Die Stratocaster war bereits die meistverkaufte Gitarre der Welt. Was veranstaltete Hendrix da eigentlich? Magisches Ritual? Beschwörung? Auch Kurt Cobain zerstörte am Ende der Sets seine schwarz-weißen Linkshänder-Strats, einfach so. Sie waren billig, genau dafür gedacht. Tobias Prüwer
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