Festung Europa

Kommentar Das neue Asylrecht

Die Festung Europa steht. Uneinnehmbar für jeden, der hier Schutz vor Verfolgung finden will. Während die Außenmauern der Europäischen Union am 1. Mai unter großem Jubel neu gezogen wurden, so dass zehn weitere Staaten in ihnen Platz finden, wurden dieselben Mauern zwei Tage zuvor fast unbemerkt gegen ungebetene Besucher noch fester verschlossen. Am 29. April einigten sich die EU-Innenminister auf ein neues europäisches Asylrecht, dass nur ein Ziel kennt: Die Abschottung des neuen Europa vor Flüchtlingen aus aller Welt.

Kernpunkt der neuen EU-Gesetzgebung ist die deutsche "Drittstaatenregelung", die nun EU-weit gelten soll. Danach können nun in allen 25 EU-Staaten Asylbewerber an der Grenze ohne nähere Prüfung ihres Falles abgewiesen werden, wenn sie aus einem sicheren Drittland kommen. Als sichere Drittstaaten gelten vor allem Länder, die die Genfer Flüchtlingskonvention einhalten. Doch genau die beinhaltet die Verpflichtung, in jedem Einzelfall ein Verfahren zur Klärung des Flüchtlingsstatus durchzuführen und wird - laut UNO-Flüchtlingskommissar Ruud Lubbers - eben durch das neue Asylrecht innerhalb der EU nun außer Kraft gesetzt.

Bundesinnenminister Otto Schily (SPD) hat damit seine Mission erfüllt. In den fünfjährigen Verhandlungen auf EU-Ebene verhinderte er nachhaltig bessere Asylstandards, demontierte den internationalen Flüchtlingsschutz und setzte nun schließlich die Drittstaatenregel durch. Zusammen mit der ebenfalls auf Schily zurückgehenden Europäischen Grenzagentur, die ab Anfang 2005 für einen effektiven Schutz der neuen EU-Außengrenzen sorgen soll, wird sie ihre volle Wirkung entfalten. Das Copyright für diese Entwicklung, die noch durch die Aufnahme biometrischer Merkmale in die Visaanträge einreisender Ausländer komplettiert wird, liegt dabei eindeutig in Berlin.

Der Tag der Asylrechts-Einigung ist ein bittere Stunde für all die Menschen, deren letzte Rettung die Flucht ist. Kein Flüchtling kann mehr auf legalem Wege in das Herz Europas gelangen - das Asylrecht wird zum Konjunkturprogramm für Schlepperbanden. Es fördert die Illegalisierung und Kriminalisierung von Verfolgten, die sich - ohne Verstoß gegen das neue Asylrecht - in der EU nicht mehr in Sicherheit bringen können.

Doch seine Ausstrahlung reicht noch weiter: Die Anrainerstaaten der Union müssen über kurz oder lang ihre Grenzen ebenfalls abschotten, wollen sie nicht zum Sammelbecken all der Flüchtlinge werden, denen die Europäische Union den Einlass verweigert. Ein Dominoeffekt, der dazu führen wird, die Festung Europa nicht nur von Asylsuchenden weitgehend freizuhalten, sondern diese auch in Flüchtlingslagern nahe ihrer Verfolgerstaaten festzusetzen.


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