Feuer mit Feuer bekämpfen

Irak/Palästina Größter Feind des Bush-Lagers ist der eigene ideologische Starrsinn

Die Terroranschläge von Bagdad und Jerusalem haben erneut eine akute Schwäche der USA wie auch Israels offenbart: Beide Regierungen sehen sich in den Fallstricken einer Besatzungspolitik verfangen, deren Endpunkt nicht absehbar ist. Der als moralisches Recht reklamierte Kampf gegen den internationalen Terrorismus mündet hier wie da in Kolonialpolitik. Für das 21. Jahrhundert ein solcher Anachronismus, dass es wenig überrascht, wenn im Irak wie in den palästinensischen Autonomiegebieten eine Widerstandsbewegung agiert, die sich gegen die andauernde Zerstörung der Existenzquellen ihrer Völker zur Wehr setzt. Dabei liegt es auf der Hand, dass es im Irak weder um die Demokratisierung des Landes, geschweige denn der Region geht, sondern um geostrategische Interessen: neben einer Kontrolle der Ölressourcen die Domestizierung Irans und Syriens. Letzteres läge besonders im geostrategischen Interesse Israels.

Dabei hätten die Reaktionen des israelischen Premiers und des amerikanischen Präsidenten auf die Anschläge der vergangenen Woche unterschiedlicher kaum sein können. Sharon handelte wie erwartet reflexartig, ließ fliegende Standgerichte in Form von Apache-Hubschraubern aufsteigen und Hamas-Aktivisten, die nicht zum militärischen Flügel der Organisation gehörten, durch Raketen liquidieren - er ließ die Region zum eingespielten Muster von Terror und Gegenterror zurückkehren. Den Hardlinern im Likud-geführten Kabinett war die über sechswöchige Waffenruhe, die stets als taktisches Manöver radikaler Palästinenser denunziert wurde, ohnehin von Anfang an ein Dorn im Auge.

Präsident Bush hingegen wirkte bei der Verurteilung des Attentats auf das UN-Quartier in Bagdad fahrig und blass. Vielleicht ahnte er, dass ihn der Irak das Amt des Präsidenten kosten kann wie weiland der Golfkrieg von 1991 seinen Vater die Wiederwahl. George W. Bush droht mit einer Nahostpolitik zu scheitern, die sich nicht von ideologischen Dogmen zu lösen vermag. Die maßgebenden Politiker seiner Administration glauben fast ausnahmslos, dass Israels Krieg gegen den Terror auch ihr Krieg sei - und ein israelischer Sieg auch ein Sieg Amerikas wäre. Mit dieser Auffassung lässt sich weder in der arabischen, noch in der westlichen Welt verlorene Glaubwürdigkeit zurück gewinnen. Die ideologische Verblendung des Bush-Lagers nahm derart bizarre Züge an, dass man in Washington erstaunt war, als die US-Truppen im Irak nicht wie bei der Siegesparade 1991 auf der Fifth Avenue von New York begrüßt wurden. Aber die Ansichten Bushs zum Thema Irak beherrscht eine Weltsicht, deren surreale Grundierung offenkundig ist. Die USA haben sich in eine Situation manövriert, in der sie von einer "Israelisierung" ihres Irak-Abenteuers nicht mehr weit entfernt sind.

Schon die Methoden beider Besatzungsmächte ähneln sich frappierend. So veröffentlichte die Zeitung International Herald Tribune am 16. Juni zwei Bilder, die austauschbar gewesen wären, wenn nicht die Bildlegende klar auf die Schauplätze - hier Irak, dort Palästina - verwiesen hätte: Schwerbewaffnete Soldaten richteten hier wie dort ihre Maschinenpistolen auf wehrlose Zivilisten, die zu Opfern einer rigiden Besatzungspolitik wurden.

Seit dem 11. September 2001 scheinen die USA Israels schlechteste Seiten hervorgekehrt und eine klaustrophobe Sicht auf eine Welt voller Hass und Terror verinnerlicht zu haben. Diese Weltsicht folgt einer fixen Idee und findet nirgendwo in der Realität ihre Entsprechung. Präsident Bush wäre gut beraten, die "Israelisierung" des amerikanischen Krieges im Irak zu stoppen, hat er doch mit dem Konflikt in Palästina vor Augen, wohin es führt, wenn Feuer mit Feuer bekämpft wird.

Was tun in dieser Situation eigentlich die anderen aus dem illustren Kreis des "Nahost-Quartetts" - außer den USA sind das Russland, die Europäische Union und die UNO? Sollten sie nicht endlich aus dem Schatten der Vereinigten Staaten treten und aktiv werden?

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