Finale Vorlage für Zschäpe

NSU Die Pflichtverteidiger von Beate Zschäpe wollen ihr Mandat loswerden, sind mit ihrem Antrag aber gescheitert. Über Bande könnte ihnen das Aufhören doch noch gelingen
Ausgabe 30/2015
Strahlend: das Anwalt-Trio Sturm-Stahl-Heer
Strahlend: das Anwalt-Trio Sturm-Stahl-Heer

Foto: Christof Stache/AFP/Getty Images

Haben Beate Zschäpes Pflichtverteidiger Wolfgang Heer, Wolfgang Stahl und Anja Sturm tatsächlich geglaubt, sich mit ein paar lapidaren Sätzen aus dem NSU-Prozess mogeln zu können? Ihren Entpflichtungsantrag jedenfalls kann man nur als halbherzig bezeichnen, wenn nicht gar als dilettantisch. Überraschend eigentlich für erfahrene Strafverteidiger wie das Sturm-Stahl-Heer-Trio, denn schon beim Studium lernen Juristen, dass es für die Entbindung aus einem Pflichtmandat hohe Hürden gibt und ein entsprechender Antrag umfassend begründet werden muss. Also liegt eine andere Frage nahe: Was sollte das ganze Theater?

Trickreiche Scharade

Es ist gut möglich, dass wir Zeugen einer trickreichen Scharade geworden sind, mit der sich das Verteidiger-Trio schließlich doch eines ungeliebten Mandats und einer zunehmend lästig werdenden Mandantin entledigen wird. Viel folgenreicher als der Antrag dürfte für den Prozess die lautstarke Auseinandersetzung darüber gewesen sein, die Anwalt Heer im Gerichtssaal vom Zaun brach. Mit seinen kalkulierten Vorwürfen an das Gericht brachte er den leicht aufbrausenden Vorsitzenden Richter Manfred Götzl dazu, aus dessen Notizen über Gespräche mit den Zschäpe-Verteidigern vorzulesen. Daraus ging hervor, dass man sich außerhalb der Hauptverhandlung unter anderem um die Bestellung eines vierten Verteidigers und um das Aussageverhalten der Hauptangeklagten unterhalten hatte. Nach dem Verlesen der Notizen gab sich Zschäpe überrascht. Sie habe von den Gesprächen zwischen ihren Verteidigern und dem Richter nichts gewusst, ließ sie erklären.

Im Fußball spricht man vom finalen Pass, mit dem ein Stürmer so angespielt wird, dass er sich die Torecke aussuchen kann, in der er den Ball versenkt. Die jetzt offengelegten Verteidigergespräche hinter dem Rücken der Mandantin könnten solch ein finaler Pass sein. Sollte Zschäpe mit diesem Vertrauensbruch einen neuerlichen Entpflichtungsantrag gegen ihre Verteidiger begründen, könnte es für den Senat schwer werden, den Antrag erneut abzulehnen. Damit hat Zschäpe es jetzt in der Hand, den NSU-Prozess platzen zu lassen – wenn sie es denn will. Am Dienstag beantragte sie erst einmal, Verteidiger Heer zu entpflichten.

Damit scheint das Kalkül von Sturm, Stahl und Heer aufzugehen: Sollten sie aus dem Verfahren fliegen, sind sie unverschuldete Opfer ihrer abgebrühten und selbstbezogenen Mandantin. Das wäre dann aber nicht die ganze Wahrheit. Zu der gehört auch, dass Zschäpe seit geraumer Zeit allen Grund haben durfte, das Vertrauen in ihre Verteidiger und deren Prozessstrategie zu verlieren. So ließen die Zschäpe-Anwälte immer wieder Gelegenheiten aus, Zeugenaussagen, die ihre Mandantin belasten, durch kritische Nachfragen zu entkräften – was die eigentliche Aufgabe jedes Strafverteidigers sein müsste. Die Anwälte der Nebenkläger stoßen sich zudem daran, dass das Verteidiger-Trio regelmäßig Beweisanträgen widerspricht, die auf die Verwicklung von weiteren Neonazis, V-Leuten und Verfassungsschützern in die NSU-Taten zielen. Beweisanträge also, die sich letztlich auf einen späteren Schuldspruch gegen die Hauptangeklagte positiv auswirken könnten. Ganz offen wird unter den Nebenklageanwälten daher schon über eine Einheitsfront zwischen Zschäpe-Verteidigung und Bundesanwaltschaft gespottet. Zumindest diesen Vorwurf aber wären Sturm, Stahl und Heer los, wenn sie aus dem Prozess raus sind.

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