"Fine", sagte der Kanzler

Kommentar Jubiläums-Gipfel in St. Petersburg

Im Newa-Prunkschloss Peterhof hatte der Kreml-Chef um viel Lockerheit gebeten: "Ich rufe dazu auf, alles zu vergessen. Dieser Abend ist eine Chance, an einem guten Ort, in guter Gesellschaft." George W. Bush nahm das wörtlich, ging an den Tisch von Gerhard Schröder. Es kam zu einem kurzen Wortwechsel: "How are you?" - "Fine", soll der Bundeskanzler geantwortet haben.

43 Staats- und Regierungschefs waren in Russlands nördlichste Metropole gereist, um nach dem Irak-Zerwürfnis gebrochene Freundschaften und Herzen zu pflegen. Das gelang besonders Gastgeber Wladimir Putin, der sich schon mit Blick auf die 2004 anstehenden Präsidentschaftswahlen in Szene zu setzen verstand. Die Jubiläumsfeier ließ jedenfalls erkennen, dass die Beziehungen zwischen Russland und dem Westen einen bisher kaum für möglich gehaltenen Standard erreicht haben. Ein Indiz dafür war das auffallend einvernehmliche Treffen zwischen Putin und Bush im renovierten Konstantin-Palast, als durch beider Unterschrift der START-II-Vertrag in Kraft gesetzt und damit einer weitreichenden Reduzierung nuklearer Angriffswaffen der Weg geebnet wurde. Der Irak-Streit habe dem Verhältnis zwischen Russland und den USA letztlich gut getan, meinte Bush, der offenbar darauf hofft, von Putin in Sachen Nordkorea und Iran eskortiert zu werden. Ob das realistisch ist, wird man sehen.

Putin ließ immerhin wissen, Russland und die USA seien im Hinblick auf die Islamische Republik näher, als es ein erster Blick vermuten lasse. Möglicherweise eine Überzeichnung in Gipfellaune, konnte man doch zugleich seine Warnung hören, die Amerikaner sollten nicht versuchen, das iranische Atom-Programm als Hebel im Konkurrenzkampf mit russischen Firmen im Irak zu nutzen. Der Kreml bezweifelt nach wie vor, ob es die Amerikaner erlauben, dass Russland seine bisher starke wirtschaftliche Position im Irak reaktiviert. Von amerikanischer Seite heißt es dazu, die Rückzahlung von acht Milliarden Dollar irakischer Schulden an Russland sei eingefroren, zunächst müsse die Bevölkerung versorgt werden. Es ist kein Geheimnis, dass die Bush-Administration von Russland erwartet, den Bau des iranischen Atomkraftwerks Buscher solange einzufrieren, bis Teheran mit der Internationalen Atomenergiebehörde ein Protokoll über Inspektionen formuliert. Ein denkbares Junktim USA/Russland könnte durch die Offerte der Amerikaner komplettiert werden, in diesem Fall die ökonomischen Begehrlichkeiten russischer Firmen im Irak nicht länger zu ignorieren.

Für Wladimir Putin liegt Russlands Zukunft derzeit klar im Westen. Während er viel Welt nach St. Petersburg hinwehen ließ, tagten zur gleichen Zeit die zwölf GUS-Staatschefs buchstäblich im Windschatten auf dem Silver Whisper, einem auf den Bahamas registrierten Kreuzfahrtschiff. Der Gipfel endete ohne gemeinsame Erklärung, mit einer Pressekonferenz von nur wenigen Minuten - der kürzesten in der Geschichte der GUS.

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