First Ladies

SZENE Sabuha Salaam, Fatma Souad und Edeltraut Plörrenhöfer über den schwulen türkischen Nachtclub »Salon Orientale«. Als Gast: Aziza A.

FREITAG: Was ist der Salon Oriental?

Fatma Souad: Der Salon ist ein Freundeskreis von jungen Künstlerinnen (lacht) deutsch-türkischer Herkunft, die diese beiden Kulturen aufeinanderprallen lassen und das Ganze mit einer großen Portion Schwuch te lig keit vermischen. Wir bilden uns unser eigenes Uni ver sum, in dem wir natür lich die Guten sind. Ergänzen Sie doch bitte!

Edeltraut Plörrenhöfer: Die Form, in der wir uns ausdrücken ist Trash, Comedy und Tanz. Es ist eine Vermittlung in Überzeichnung - was eigentlich falsch läuft, wenn es um Inte gra tion geht. Mit einem lachen dem und einem weinenden Auge, trotz alledem.

FATMA: Jeder Salon hat ein großes Thema, sei es »Fatmas Hochzeit«, in der deutsch-türkische Familien sich mischen, und ganz zum Schluß der Show kommt raus, dass er schwul ist und sie lesbisch. »Oriental Airlines« ist der Fall Mehmet, wo eine nette Abschiebung darge stellt wird. »Was ich schon immer über Bauchtanz wissen wollte«: Wie man in Deutschland mit orien talischer Kunst umgeht, dass Hausfrauen in die Bauchtanzkurse gehen und weibliche Erotik lernen müssen. Sowie »Entführung der Versprochenen«, ein anatolisches Dorfdrama im live-playback. Und jetzt klöppeln wir schon an »Maria 2000 - die neue Weihnachtsgeschichte«.

EP: Nach 2000 Jahren kriegen Transen Kinder. Es muss jetzt mal eine Erlösung her.

Ihr seid für's Heiraten?

FATMA: Um Gottes Willen. Die Homoehe geht uns am Arsch vor bei.

Sabuha Salaam: Wir sind für Gleichberechtigung.

FATMA: Unser Publikum ist äußerst gemischt, was die Altersstufen angeht - und die Richtung, wo die Leute herkommen. Wir haben auch unser Stammpublikum. Es immer ganz gut ge füllt bei uns.

Wie sieht so ein Abend aus?

FATMA: Zu Beginn Livemusiker, sodass das Publikum schon vorne tanzt. Danach geht's in die Show, die von einer dreiviertel bis zwei Stunden dauern kann. Dann der Oriental Dancefloor »Gayhane« mit unserer DJane Ipek.

EDELTRAUT: Es fängt so richtig schön klassisch an, wie man sich einen Salon vorstellt, nettes Licht, in einer Atmosphäre wie im Zelt, und dann kann man sich so richtig schön fallen lassen mit dem berühmt-berüchtigten Tee und Gebäck.

SABUHA: Die Gäste werden mit Händeschütteln begrüßt.

Und das bei mehreren hundert Leuten?

FATMA: 300 Leute sind bestimmt drin.

Aziza A.: Die sind ja sehr bescheiden. Ich sag das als Gast - das ist inzwischen so ausgeartet, dass die zur Party bis zum Heinrich-Heine-Platz Schlange stehen. Und die Leute fühlen sich pudelwohl - die ziehen sich aus, tanzen bis in die Puppen, jeder ist freundlich, es ist supergeile Stimmung.

Habt Ihr Vorbilder?

SABUHA: Das haben wir geschaffen, unser Zelt mit eigenen Händen genäht und ge malt, am An fang unseren Saal auch selber ge schmückt. Fatma hatte die Idee gehabt, als sie hier im SO 36 ihre ABM-Maßnahme angefangen hat.

FATMA: Ich habe zusammen mit Cihangir alias Lale Lokum im Unart angefangen. Dann noch ein Gast auftritt bei »100 Jahre Schwulenbewegung« in der Akademie der Künste und im SchwuZ. Ich musste irgend was machen - was kannste, malen, ein biss chen nähen - da ge hen wir mal in die Deko gruppe vom SO 36. Die war dann aber doch sehr er staunt, als ich vorletzte Weihnachten gesagt habe, wir machen jetzt Veranstaltungen.

Nun seid Ihr eine der programmatischen Stützen vom SO 36.

FATMA: Durch uns ist hier schon einiges entstanden. Der Laden möchte den Kiez zusammen brin gen - da sind wir schon richtig.

Was mir am Salon Oriental gut gefällt, dass Ihr ziemlich neben euch steht. Zum einen die unterschiedlichen Geschlechterrollen, aber auch, dass Ihr Euch beim Machen selbst zuschaut; dass jemand vorliest und der andere agiert dazu. Oder der Rasierapparat, der zugleich das Handy ist, aber viel zu früh klingelt: »Jetzt hör doch mal auf, das kommt doch später.«

FATMA: Unsere Pannen. Wir haben bis jetzt einmal im Monat produziert und können hier im SO keine Generalprobe machen. Ich kokettiere nicht mit Fehlern. Wir bauen auf Nuancen. Deshalb produzieren wir jetzt alle zwei Monate.

SABUHA: Gayhane geht weiter.

FATMA: Für den November hat sich nun allerdings eine Modenschau angemeldet. Ansonsten werden wir zu den Tagen ohne Salon eine kleine Lounge mit arabischer Mu sik machen.

Ihr präsentiert Euer Programm nur einen Abend?

FATMA: Ich möchte gerne mehr Erfahrung außerhalb machen und mal schwullesbische Zentren anhacken, wie die drauf reagieren. Das Berliner Publi kum ist ja nicht gerade das einfach ste. Aber da braucht man einen Tourmanager, das kann ich nicht machen, tut mir leid.

Euer Programm ist politischer als übliche Travestieshows.

EDELTRAUT: Das schreibt das tägliche Leben. Ich kann am besten Schmerz bekämpfen, indem ich noch böser werde, als det schon is. Also nicht nach hinten und geduckt in die Ecke, son dern eins noch oben drauf.

SABUHA: Wir haben uns aber vorgenommen, einige Sachen nicht auf der Bühne zu bringen, wie Frauenfeindlichkeiten oder Sexismus. Auch gegen Fundamentalismus geht es, aber wir greifen kei ne Religion an.

FATMA: Wir sind nicht nur alles Tussies, sondern auch Drachen, wir zeigen auch starke Frau en. Männer spielen wir ja auch manchmal, aber dann auch nur Bekloppte.

Wenn Ihr auf den Fall Mehmet rea giert, seid Ihr so etwas wie eine Monatszeitung.

EDELTRAUT: Das Abschiebungsding hatten wir schon vorher in der Diskussion, und leider hat uns die Realität eingeholt.

FATMA: Eine Ausländerbeauftragte, die die Abschiebung so angenehm wie möglich gestalten will, gibt deshalb erst einmal ein Training: »Damit Sie als Deutschländer in der Türkei nicht so auffallen, müssen Sie ein kleines Reintegrationsprogramm absolvieren. Sie werden se hen, wie nützlich dieses Training für Sie ist, waren Sie doch immerhin nach Aktenvorlage 30 Jahre nicht mehr in der Türkei und sind somit gar nicht mehr auf dem Lau fenden.« Dass die nun ausgerechnet not landen müssen und die Ausländerbeauftragte in der Schwarz meer klinik landet, wo von Männchen zu Weibchen und umgekehrt alles möglich ist. Das ist das andere Thema Transgender.

Gerade die Kultur gilt als klassischer Bereich für sogenannte Ausländer wie für Schwulen oder Transvestiten: Solange es schrill ist, geht es auch. Wie reagiert ihr auf diese Zuweisung? Fatma sagt oft, ich bin doch hier nicht eure Ulk nudel.

FATMA: Wir haben Geschichten drumherum gesponnen, weil wir einfach keinen Bock haben, ein Bauchtanzwunder nach dem anderen auf die Bühne zu schicken.

EDELTRAUT: Wenn überhaupt etwas zeigen, dann bitte schön, was man selbst gemacht hat.

Es gibt eine Welle türkisch-deutscher Filme, einen neuen Chic, und der ist mit Klischees behaftet. Selbst »taz«-Autor Daniel Bax schreibt, in Kreuzberg gäbe es nur mehr Türken und Schwule, und deshalb sei Salon Oriental ja nur logisch. Von allen Seiten wer det ihr mit offenen Armen - erdrückt. Macht ihr des halb Türkisch-Unterricht von der Bühne herunter - um alltägliche Aggressivität umzukehren?

FATMA: Wir drehen das um, und dann haben die Heten mal die schlechten Karten. Dass man mit den Deutschen am Tisch sitzt, und die fangen an, locker und frei über Türken herzuziehen, und auf einmal - huch, aber du bist ja nicht so. Da krieg ich so einen Hals.

EDELTRAUT: Das ist es auch, warum ich dazugestoßen bin. Alle reden über Integration, Multikulti und Tralala, und noch nie hat man was getan. Jetzt sitzen se in Kreuzberg, so ne Scheiße, in der Mitte der neuen Hauptstadt. Jetzt kommt die soge nannte 2. Generation selbst auf den Trichter.

FATMA: Wir haben diese Bewegung mit angefangen im Gon Club. Die Heten-Jugend hier aus'm Kiez wacht auch auf und sagt »Hallo, hier sind wir, und ihr kriegt uns hier nicht weg«.

EDELTRAUT: Ihr habt euch alle gegenseitig euren Ausländerbeauftragten-Orden umgehangen, und nie ist was passiert. Es gibt immer noch genug Konfliktstoffe, auch interkulturelle.

FATMA: Das Thema wird in der Presse ausgesaugt und ausgefressen, und dann wird's auf den Müll geworfen. Also - noch gibt es uns: Wir gehen ins vierte Jahr.

Kutlug Atamans Spielfilm »Lola und Billi dikid«, in dem ihr als Gäste auftretet, bedient nicht gerade das Gastarbeiterklischee. Doch mit 25.000 BesucherInnen in ganz Deutschland ist dieses Melodram ein Flop.

AZIZA A.: Diese Filme waren alle Flops, obwohl Kurz und schmerzlos sogar einen Major-Ver trieb hatte. Alle arbeiten mit Klischees, und nur so konnten sie in die Kinos kom men. Oh, jetzt kommt die Welle, treten wir drauf. Mit Kunst wird es toleriert. Aber nur in dem Maße, wie die Medien es beherrschen können. Solange wir »in« sind, wird super über uns geschrieben, und danach muss man sehen, wie man noch interessant bleibt. Jetzt ist Berlin »in«, und so langsam soll die Türkenszene außen vor gehalten werden.

Der »Spiegel« kommt in seiner Sondernummer ›New Berlin‹ allerdings nicht mehr drum rum.

AZIZA A.: Habt Ihr den Schlußsatz gelesen? Da ging es um die Kopftuchmädchen mit der eigenen Erotik, die durch die Discos ziehen. Aber am Ende gehen sie zum Frauenarzt und lassen sich zustopfen. Da ist mir alles vom Unterleib bis nach oben zusamengezogen. Jeder sagt, das Interesse an Euch ist doch toll, spürt Ihr denn noch überhaupt was an Rassismus? Oh Gott: Nee, überhaupt nicht, ich lebe in Kreuzberg, da gibt's keinen Rassismus. Und ich geh da nie wieder raus, weil sonst würde ja Rassismus kommen.

FATMA: Gerade Orientalen werden in den Medien immer wieder gleich dargestellt: Kopftuch gleich islamisch gleich fundamentalistisch, gewaltbereit, dumm und unter drückt. Und wenn ich mir diese Mittagstalkshows angucke - da muss ne Türkenstulle sitzen »Ich fick euch alle«. Da werden ja keine Leute eingeladen, die sich ausdrücken können.

Wie steht's mit Rassismus unter Schwulen?

FATMA: Die sogenannten Exoten werden schon mal gerne ausprobiert. Und das war's dann auch. Viele sind da auch im Strichbereich.

Und Eure Shows wurden von Anfang an akzeptiert?

FATMA: Wir haben ja ein Gästebuch. Soll ich da mal draus vorlesen? Da gibt's so Sa chen drin wie »Schöne Party, aber ein bisschen viel Ausländer hier«. Aber natürlich viel Lob, das muss man ja auch mal sagen. In allen Sprachen.

Lebt Ihr davon?

SABUHA: Schön wärs. Aber irgendwann werden wir davon leben können. Und sei es, dass wir die Geschichten verkaufen müssen.

EDELTRAUT: Oder Billig-Videos verhökern: Salon für zuhause. Aber noch sind wir alle in Lohn und Brot.

SABUHA: Ich bin noch in der Ausbildung zum Friseur. Ich komme aus dem Ruhrpott, Edeltraut ist Friesin, und Fatma ist aus Celle zugewandert.

EDELTRAUT: Die Plörrenhöfer ist die Quotendeutsche, die vom Arbeitsamt geschickt wurde. Die muss da arbeiten, auch wenn sie das nicht will.

SABUHA: Ich bin als Tochter aus der Türkei dazugekommen und muss die niedrigsten Arbeiten tätigen. Aber eigentlich steckt da hin ter eine Scheinheilige. Das ist die interne Geschichte, wenn wir unsere Gäste be grüßen.

EDELTRAUT: Wir spielen dann auch mit dem Pub li kum. Das ist die Geschichte in der Geschichte. Und auf der Bühne sind die Rollen als sol che ganz andere Charaktere.

SABUHA: Auf der Bühne spiele ich manchmal den Kerl, manchmal die Tochter, machmal die starke Frau in der Türkei, und dann die Oma.

AZIZA A.: Was für eine Familie!

EDELTRAUT: Und im bürgerlichen Leben bin ich Krankenschwester.

Und was bist Du im bürgerlichen Leben?

FATMA: Ich war schon immer schwierig. Meine Mutter kann das bestätigen. Ich habe mal eine Ausbildung als Damenschneider gemacht, doch nie im Beruf arbeiten gewollt. Als Kind ist der Gesang zu mir gekommen, die Malerei und das Rumbasteln. Dann kam der Tanz und jetzt das Schauspiel und Texte schreiben. Ansonsten war ich noch viel arbeits los.

Und Ihr drei seid der Kern?

SABUHA: Wir haben viele nette Freunde, die uns jederzeit helfen, mit uns auf die Bühne gehen.

FATMA: Cihangir, mit dem ich das Ganze angefangen habe, hat sich erstmal zuückgezogen, macht sein Führerschein und arbeitet an einer Ausstellung. Du hast aber jemand anders gemeint. Ja, da hat sich doch jemand das Leben genommen. Das hat uns natürlich geschüttelt. Ende September haben wir keinen Salon. Da kommen alle Freunde noch mal zu sam men und können sich lustig und fröhlich davon verabschieden. Was Funda Menthol sicher gewünscht hat, dass man noch mal einen drauf tanzt.


Das Gespräch führte Jochen Becker

Der nächste Salon Oriental mit Gayhane beginnt am 23. Oktober ab 20 Uhr im SO36, Oranienstr.190, Berlin.

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