Fischer, Flotten, Bauernfänger

Großbritannien Beim Streit um Fangquoten im Ärmelkanal testet Boris Johnson aus, was sich die EU-Europäer alles gefallen lassen
Ausgabe 19/2021

Boris Johnson hatte die Navy in Marsch gesetzt, Frankreichs Marine war gleichfalls zur Stelle – weil aufgebrachte französische Fischer vor dem Hafen von St. Helier auf der Kanalinsel Jersey einige Stunden aus Protest herumschipperten. Von Blockade, wie teilweise fabuliert wurde, konnte keine Rede sein. Sonst hätten sich die Fischer von Jersey kaum mit den französischen Kollegen solidarisch erklärt. Diese seien in der Tat diskriminiert und bewusst brüskiert worden. Was zutrifft, nur 40 Lizenzen zum Fischen haben die Franzosen bisher erhalten, mehr als 340 hatten sie beantragt. Den britischen Fischern nützt das gar nichts. Sie schaffen es nicht mehr, ihren Fang aufs nahe Festland zu bringen, da sie der dem Brexit geschuldete bürokratische Aufwand daran hindert.

Was sich vor Jersey wegen der Fangquoten in britischen Gewässern abspielt, zeigt einmal mehr, wie unprofessionell und überhastet der Handelsvertrag Großbritannien – EU in allerletzter Minute zusammengeschustert wurde. Premier Johnson brauchte seinen Weihnachtscoup – und die EU ließ sich darauf ein. Doch blieb mit diesem Deal viel zu viel im Unklaren und Ungefähren. Er ist darauf angelegt, fortwährend Streit zu provozieren. Was durchaus im Interesse der britischen Seite liegt. Sie kann wie gehabt jedes Brexit-Ungemach auf die Kontinentaleuropäer schieben. Da böser Willen beiden Seiten nicht fremd ist, bleibt stetes Gezänk zwischen London und Brüssel programmiert. Zum wirtschaftlichen Schaden kommt der politische – und wächst von Mal zu Mal.

Für die Fischerei gilt seit dem 1. Mai ein auf fünfeinhalb Jahre begrenztes Übergangsregime. So lange sollten die Fischer aus EU-Staaten 75 Prozent der bis dato üblichen Fangquoten behalten. Nach Ablauf der Frist wäre jedes Jahr erneut über deren Verteilung zu verhandeln. Bisher indes klappt nichts.

Stattdessen neigt man zum Muskelspiel. Auf den militärischen Aufmarsch folgte die französische Drohung, Jersey kurzerhand den Strom abzustellen. Der kommt zu 95 Prozent über drei Unterseekabel vom 25 Kilometer entfernten Festland. Eine Steilvorlage für Johnson und die Brexiteers, um über „perfide Frogs“ herzuziehen. Dabei gäbe es bessere Mittel: Nachdem das EU-Parlament dem Handelsabkommen zugestimmt hat, können beide Seiten im Streitfall mit Sanktionen winken, wie im Vertrag vorgesehen. Paris darf bei der EU-Kommission Strafzölle auf britische Fischimporte beantragen, was der britischen Fischerei schwer zusetzen würde. Boris Johnson müsste einlenken.

Offenbar testet die Tory-Regierung im Streit um die Fangquoten, was sich EU-Europäer so alles gefallen lassen. Für die Fischer hüben und drüben geht es um die Existenz, für die Regierung Johnson sind sie Spielmaterial. Nun haben die Franzosen klargemacht, sich darauf nicht länger einzulassen und eine andere Gangart zu wählen. Die Drohung, den Strom abzudrehen, wurde fallengelassen, dafür kommen die Finanzdienstleistungen auf den Tisch. Ohne Zugang zu den EU-Finanzmärkten sieht es für die britische Finanzindustrie düster aus. Auch dazu ist bisher nichts Genaues vereinbart. Über die Absichtserklärung, sich zu einigen, kam man nie hinaus. Frankreich erwärmt sich nun für ein Junktim: klare Vergabe der Fangquoten für Fischer gegen Zuteilung von Lizenzen für Großbritanniens Finanzinstitute. Vorerst nur eine Ankündigung, doch dürfte bald mehr denn je mit harten Bandagen gespielt werden.

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