Falsche Gründe gegen die Homo-Ehe

Kommentar Wenn Schwule und Lesben als Retter einer bürgerlichen Institution auftreten

Es gibt in der Rechtsphilosophie von Georg Friedrich Wilhelm Hegel diesen schönen Satz: „Was vernünftig ist, das ist wirklich; und was wirklich ist, das ist vernünftig.“ An dieser – zugegeben – sehr auslegungsbedürftigen Passage haben sich große Geister und auch die Rechts- und Linkshegelianer zerstritten, denn sie lässt sich entweder konservativ auslegen oder revolutionär. Wenn das Vernünftige schon wirklich ist, braucht man am Bestehenden nichts mehr zu verändern. Wenn das Vernünftige aber erst künftig wirklich werden soll, dann muss dem Gang der Geschichte wohl noch ein bisschen nachgeholfen werden.

Was nun die rechtliche Gleichstellung homosexueller Paare angeht, könnte man meinen, es setze sich Vernunft langsam, aber unaufhaltbar durch – und sie scheint sogar in einigen Teilen der CDU angekommen zu sein. Obwohl auf ihrem Parteitag die steuerliche Gleichstellung der „Homo-Ehe“ verworfen wurde, erordiert die Front derer, die mit dem Artikel 6 des Grundgesetzes allein die heterosexuelle Ehe privilegiert sehen möchten.

Eigenartige Doppel-Position

Das alte Argument, die Ehe diene der Fortpflanzung und sei deshalb besonders schützenswert, hat unter gegenwärtigen Bedingungen an Legitimationskraft eingebüßt. Je mehr Ehen kinderlos bleiben, je mehr Kinder bei nicht verheirateten Paaren oder in Patchwork-Familien groß werden, desto unsinniger wird es, die Ehe als Hort der natürlichen Reproduktion hochzuhalten. Übrig bleibt das Argument des Schutzes der Partnerschaft; doch Partnerschaft können und wollen die Homos auch, ganz zu schweigen vom Kinderkriegen.

Die Lesben und Schwulen finden sich heute in einer eigenartigen Doppel-Position. Gelebte Homosexualität war immer auch ein halb freiwilliger, halb erzwungener Affront. Wenn die bürgerliche Kleinfamilie auf Heterosexualität gründet, schlummert in der Homosexualität logischerweise Rebellion und eine mögliche Exit-Option für Menschen, die Familie einfach nicht aushalten. So wie Heimito von Doderer mal sagte: „Wer sich in Familie begibt, kommt darin um.“

Verteidigung konventioneller Werte

Gleichzeitig existiert auch der homosexuelle Wunsch nach Normalität und nach Familie im durchaus bürgerlichen Sinn. Dieser Wunsch konnte sich in den vergangenen Jahren kräftig entwickeln. Noch vor zehn bis 15 Jahren war allein die Frage, ob Homosexuelle Kinder erziehen dürften, ein heißes Eisen. Heute ist das Tabu gebrochen. Das schwule Paar beim Kochen, lesbische Frauen auf dem Spielplatz – sich liebende Homos sind mittlerweile Bestandteil des öffentlich-medialen Bildinventars, das uns zeigen soll, wie „normal“ die Homos leben. Sie sind der perfekte Mittelstand, und im Zweifelsfall entscheidet die gut geputzte Einbauküche sowieso eher über die gesellschaftliche Integration als die sexuelle Orientierung.

Eigenartig: Die Homosexualität als die zentrale Bedrohung der bürgerlichen Ehe ist gleichzeitig zu einer der letzten Bastion ihrer Verteidigung geworden. Es wäre schon aus pragmatischen Gründen dumm, hier Ausschlüsse zu produzieren. Wer heute Ehe und Familie stärken will, muss an jeder Ecke rekrutieren. So ließe sich aber die Frage stellen, worin der vernünftige Fortschritt eigentlich bestünde. In der Gleichbehandlung der Homos auch beim Ehegattensplitting – oder besser im generellen Abbau von Privilegien für eine Institution, die vielleicht noch „wirklich“, aber nicht mehr „vernünftig“ ist?

Andrea Roedig schrieb im Freitag zuletzt über den Kleinen Unterschied von Alice Schwarzer

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