Flaute, Depression und horror vacui

Sportplatz Dem eingefleischten Sportfan dämmert´s: Etwas ist faul im Staate. Gerade noch verwöhnt von zahlreichen Nachberichten und Rückblicken auf das ...

Dem eingefleischten Sportfan dämmert´s: Etwas ist faul im Staate. Gerade noch verwöhnt von zahlreichen Nachberichten und Rückblicken auf das sensationelle Sportjahr 2002, mit den Sportlerehrungen für natürlich unsere Jungs und unseren Rudi und unsere beiden Lieblinge Hanni und Franzi, konnten wir uns alle gegen Jahresende im Fernsehsessel noch einmal genüsslich zurücklehnen und immer wieder auf allen Kanälen ein Jahr der Olympischen Winterspiele und der Fußball-Weltmeisterschaft in Zeitlupe Revue passieren lassen. Es war ja auch zu schön! Ist Hanni nicht herrlich geflogen - und Geschichte hat er geschrieben! Franzis Comeback war wirklich so ergreifend, und über die Fußballer muss ja nun gar nichts mehr gesagt werden. Wir waren ja quasi live dabei, jeden Tag im WM-Studio. Rudis Jungs haben uns die schönsten Stunden des Sportjahres 2002 beschert, und bei den olympischen Winterspielen wurden wir von sportlichen und menschlichen Ereignissen (Zickenkrieg) bis in die Nacht vor dem Bildschirm gehalten, das war schon großartig.

Der echte Sportfan guckt nach diesem sensationellen Jahr extra hungrig in sein Sport- und TV-Programm 2003 - und findet gähnende Langeweile! Nach Hannis Sturz bei der Vierschanzentournee war das Ereignis auch nicht mehr das, was es im letzten Jahr war. Bei den Australian Open gibt es keine deutschen Superstars mehr, obgleich Rainer Schüttlers Viertelfinaleinzug uns überrascht. Die Handball-WM, früh im Jahr gelegen, könnte nach dem Sieg gegen Katar ganz schnell zu Ende sein, und nichts kann über eine gewisse Eventflaute im Sportjahr 2003 hinwegtäuschen: Eine Hallenhockey-WM und eine Trampolin-WM, eine Volleyball- und eine Judo-EM. Oh, und rhythmische Sportgymnastik. Will man das sehen? Eine Fußball-WM steht auch im Kalender, das Herz schlägt schneller - ach, aber nur Frauen! Formel 1 - auch langweilig eigentlich. Seien wir ehrlich: Es ist ein Desaster.

Was tun? Das ganze Wochenende bei Wintersportarten vor dem Fernseher verbringen? Wenn die Wettkämpfe vorbei sind, ist es draußen dunkel, und die deutschen Athleten sind am Ende höchstens mal Zweiter - nein, das gibt Depressionen. Bleibt eigentlich nur eins: Zurück zum geliebten Fußball. Doch da tönt seit der Kirch-Pleite die recht merkwürdige Debatte, ob die Bundesliga als Marke fürs Fernsehen überhaupt noch interessant sei. Sicher ist sie das, denken Sie denn, ich gehe ins Stadion und friere mir bei diesen Temperaturen den Arsch ab? Erschwerend für den Stadion-Fußball-Fan kommt nun das Dosenpfand hinzu, eine problemlose Mitnahme der Grundausstattung zum Spiel ist nicht mehr gewährleistet, der Kartenpreis erhöht sich drastisch, nämlich um Bierpreis und Dosenpfand. Und wenn man das Pfandgeld wirklich wiederhaben will, wo soll man die Dosen denn auf dem Weg zum Spiel lassen? Etwa die ganze Zeit mitschleppen? Da ist wirklich nur noch Sofa die Alternative - gerne auch mit Pfandflasche!

Bleibt die bange Frage: Lässt sich nach dem Einbruch im Einzelhandel nun auch die uns eigentlich heiligste Ware Fußball hierzulande nicht mehr vermarkten? Spart der Deutsche inzwischen wirklich an allem, auch wo es richtig wehtut am Fußball? Die Akteure auf dem Rasen spüren die Flaute am eigenen Leib: 20 Prozent arbeitslose Bundesligaprofis gibt es. Was ist in diesem unserem Land eigentlich los? Quo vadis, Fußball-Deutschland? Vielleicht kommen die Profis ja auch nach englischem Vorbild mal auf die Idee, für ihre Rechte zu streiken. Das wäre dann wirklich tragisch. Ein Streik im öffentlichen Dienst, nun ja, aber ein Streik in der Fußball-Bundesliga? Bei dem Sportjahr? Gott bewahre!

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