Mit der Wahl ihres neuen Regierungssprechers hat Kanzlerin Angela Merkel überrascht. Keiner hatte Steffen Seibert auf der Rechnung, der am 11. August Nachfolger von Ulrich Wilhelm werden soll. Der Öffentlichkeit wurde Seibert als Moderator von heute-Sendung und heute-journal bekannt. Beim ZDF hatte der 50-jährige Journalist ab 1989 sein Handwerk gelernt und rasch Karriere gemacht. Bereits drei Jahre später schickte man ihn als Korrespondent nach Washington. Nach seiner Rückkehr aus den USA wurde er mit Petra Gerster zum Aushängeschild der Hauptnachrichten.
Seibert agiert souverän vor der Kamera, ist nicht nur text- sondern auch improvisationssicher, was ihn von vielen Kollegen unterscheidet, die vor ihm auf dem Moderationsstuhl saßen. Spezifisch ist eine gewisse Sentimentalität, mit der er die Nachrichten präsentiert. Mimik und Gestik deuten an, dass auch ihn der Lauf der Welt bekümmert. Um so freudiger zeigt er sein Lächeln, wenn er etwas Positives vermelden kann.
Den Berliner Betrieb erwischte die Bestallung von Seibert zum Regierungssprecher der konservativ-liberalen Regierung auf dem falschen Fuß. Aber er hat mit ihm kein Problem. Seibert passt vom Habitus wie von seinen politischen Überzeugungen in die Riege jener sich modern gebenden Konservativen gleichen Alters, die Merkel seit Antritt dieser Regierung um sich geschart hat. Er gleicht vom Schnitt der Anzüge bis zum Design der politischen Ideen den Herren Pofalla, Röttgen (beide CDU) oder Rösler (FDP).
Auch strukturell ist die Tätigkeit eines Moderators, der die Nachrichten, wie sie vom Fernsehen aufbereitet werden, der Öffentlichkeit präsentiert, kaum zu unterscheiden von der eines Ministers – auch wenn letztere sich gern als große Gestalter gerieren. Tatsächlich zeigen sie öffentlich das vor, was die jeweiligen Stäbe vorgeschrieben haben.
Für das ZDF war die Ernennung von Seibert eine Überraschung, die den Sender doppelt traf. Zum einen hatte der Journalist seine Vorgesetzten nicht von Merkels Angebot informiert. Intendant Markus Schächter konnte ihn also anders als Claus Kleber, als der einst ein Angebot vom Spiegel erhalten hatte, nicht mit Gegenangeboten halten. Zum anderen berührt der Wechsel von Seibert eine noch nicht verheilte Wunde des Senders. Denn es war ja unter anderem die Kanzlerin, die im Hintergrund mit Fäden zog, als die Mehrheit der Koalition im Verwaltungsrat des Senders eine Vertragsverlängerung des Chefredakteurs Nikolaus Brender verhinderte. Damals hatte Seibert einen Protestbrief von ZDF-Mitarbeitern gegen diese Obstruktionspolitik unterschrieben. Nun wechselt er mühelos in das Lager derjenigen, gegen die er damals protestierte.
Fatal ist noch ein weiterer Eindruck: Da sein Vorgänger Ulrich Wilhelm ebenso mühelos vom Posten des Regierungssprechers auf den des Intendanten des Bayerischen Rundfunk wechselt, ist nun zu befürchten, auch Seibert durchlaufe im Presseamt der Bundesregierung eine Art ideologischer Fortbildung, um anschließend ebenfalls die höheren Weihen eines Intendanten oder Direktors im öffentlich-rechtlichen Rundfunk zu empfangen.
Bestätigte sich das spätestens am Ende der Kanzlerschaft von Merkel, das öffentlich-rechtliche System würde einen weiteren schweren Schaden erleiden.
Kommentare 2
Ja, so ist es. Der Wechsel von hier nach da ist im medialen Bereich gar kein Wechsel mehr. Man kennt sich, man braucht sich, man weiß sich. Kritik ist Design zum Weitermachen, Karriere ist ideologische Fortbildung zum Amt. Ob intendiert oder nicht. Und auch wenn es sich einmal nicht bestätigt.
Deshalb braucht man der Worte nicht viel zu verlieren. Erstaunlich ist dieser Vorgang nicht. Der DFB-Sprecher war mal Sportchef der Frankfurter Rundschau, die Vize-Regierungssprecherin unter Rot-Grün kam ebenfalls von dieser Zeitung. Auch der SPD-Clement war mal Journalist. Auf das Politikerintermezzo folgte die Weihe in der Wirtschaft. Ein gewisser Michael Naumann hüpft laufend hin und her. Mal Bundesminister, mal Zeitherausgeber, mal potenzieller Bürgermeister von Hamburg oder, wie derzeit, mal Chefredaktuer bei der Zeitschrift Cicero.
Politiker und Journalisten, zumindest die in den oberen Etagen, ziehen an einem Strang.