Der Freitag erscheint in Berlin, aber er hat keine "Berlin-Seite". Natürlich nicht. Er ist kein Lokalblatt, sondern nach seinem Selbstverständnis Ost-West-Wochenzeitung.
Die in München erscheinende Süddeutsche Zeitung hat eine "Berlin-Seite", die am 26. November als Aufmacher (mit einem vierspaltigen Portrait-Foto) die Berufsveränderung des "Kohl-Freundes" Christoph Stölzl kritisch beschreibt. Der bisherige Direktor des Historischen Museums wird Feuilleton-Chef (und stellvertretender Chefredakteur) der Welt, dieses Prestige-Blattes des Springer-Konzerns, das ohne dessen Zuschüsse längst eingegangen wäre.
Vor Jahrzehnten war er Direktor des Münchner Stadtmuseums gewesen; dann hatte Kohl seinen "Ziehsohn" ans Deutsche Historische Museum geholt, das die Berliner Kohl-Museum genannt haben. Er ist, was bei dieser Biographie nicht verwunderlich ist, ein Konservativer von echtem Schrot und Korn, der die DDR noch zehn Jahre nach ihrem Untergang per "Anschluss" einen "verabscheuungswürdigen Staat" nennt. In seinem Herzen findet der Kalte Krieg noch immer statt, darin übertrifft er seinen Beschützer und Förderer Kohl bei weitem.
Gar zu gern wäre er Präsident der "Stiftung Preußischer Kulturbesitz" geworden, das hätte in der Logik eines Museumsdirektors gelegen. Dass es dazu nicht gekommen ist, darin sieht er eine "rein politische Blockadepolitik" der Rot-Grünen. Das hat ihn beleidigt, obwohl er sich hätte sagen können, für soviel Kohl kann ihn Schröder nicht belohnen.
Er verdeckt auf dieser "Berlin-Seite" seine Enttäuschung mit dem Satz: er habe "einfach nochmal ins kalte Wasser springen wollen". Was sich die Springer-Leute wohl dabei denken, wenn sie lesen, dass ihr neues, zweifellos hochbezahltes Redaktionsmitglied das Gefühl hat, bei ihnen ins kalte Wasser zu springen? Das, nebenbei gesagt, so kalt nicht sein wird. Aber für einen, der Präsident der "Stiftung Preußischer Kulturbesitz" werden wollte, ist der Welt-Job doch ein Abstieg, zumal er von Journalismus nur eine nebelhafte Vorstellung zu haben scheint.
Nur so erklärt sich, dass er auf die Frage, was er denn bei der Welt wolle, laut SZ geantwortet hat: "Ich habe mich immer für Typographie und Seitenumbruch begeistert." Ach du lieber Gott! Wer wie ich fast ein halbes Jahrhundert Journalist war (und, wie diese Kolumne beweist, noch immer ist), vor dem macht sich der "Kohl-Ziehsohn" mit dieser Antwort schlicht lächerlich. In 16 Jahren Stern war ich niemals mit Typographie und Seitenumbruch befasst: wer damit befasst war - gewiss eine wichtige Arbeit! - bestimmte nicht die Richtung des Blattes.
Neben dem opulenten Stölzl-Beitrag äussert sich auf der "Berlin-Seite" ein Georg Michaelis einspaltig über seine Funktion, für eine "saubere Hauptstadt" zu sorgen. Befragt, wie er denn Straßen und Parks "entsorge", sagt er: "Wir finden Tische, Stühle, Matratzen, Autobatterien, Kühlschränke, Obstkisten, Teppiche". Wenn seine Mitarbeiter solchen herrenlosen Müll entdecken - an dem es in der ganzen Stadt nicht zu fehlen scheint, dann "holt der Stadtreinigungsbetrieb den Müll ordnungsgemäß ab".
Das Wort "ordnungsgemäß" lässt für die Sauberkeit der neuen Hauptstadt hoffen. Herr Michaelis führt nach eigenem Bekunden mit Müll-Sündern täglich 160 Gespräche. Wobei sich zeigt, dass der "arme Obdachlose verständiger ist als der reiche Bürger, denn der denkt, er kann sich alles erlauben".
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