„Freuds Mutter fehlt“

Interview Joel Whitebook holt ans Licht, was der Großmeister der Psychoanalyse lieber verdrängte
Exklusiv für Abonnent:innen | Ausgabe 48/2018
Loslassen lernen! (Freud als „Hanging man“ des Künstlers David Černý)
Loslassen lernen! (Freud als „Hanging man“ des Künstlers David Černý)

Fotos: Robert Harding/Imago, Giancarlo Biagi

Ein Hotel in Berlin-Charlottenburg, der Psychoanalytiker Joel Whitebook ist hier abgestiegen. Die Lobby könnte ins Wien um 1900 passen, wären da nicht die Chansons aus dem Lautsprecher. Immerhin verfällt Jacques Brel irgendwann in einen Walzerrhythmus.

der Freitag: Herr Whitebook, noch ein Buch über Freuds Leben?

Joel Whitebook: Das war auch mein Gedanke, als man mich bat, es zu schreiben. Zumal Freud ziemlich aus der Mode ist.

Warum dann?

Weil die Figur der Mutter fehlt.

Die wurde übersehen?

Fast. Es gab zwar feministische und schwule Kritik und die präödipale Wende: die Psychoanalyse der ersten drei Lebensjahre. Aber das Bild, das wir von Freuds früher Kindheit hatten, war idealisiert. Er hätte diese wunderbare Beziehung zur Mutter gehabt, eine Idyl