A
Autofrei Ich werde ein Leben ohne Führerschein (➝ Noel Gallagher) gelebt haben, denn als die Eltern noch bezahlt hätten, wollte ich ihn nicht. Eine vom kleinen Bruder betreute Probefahrt zeigte: Ich wäre ein noch ruppigerer Fahrer geworden als das lateinamerikanisch angehauchte Bruderherz (➝ Fußballer). Selbst auf diesem riesigen leeren Parkplatz habe ich mich dem Rausch der Geschwindigkeit nur zu gerne mit Verve und Ideallinie hingegeben.
Als jedoch Rauchentwicklung auf ein sehr hässliches Geräusch folgte und der Wagen ruckartig zum Stehen kam, wurde ich wieder zum bekannt fürchterlichen Beifahrer („Miristschlechtachtung!“). Die Garantie des Gebrauchtwagens lief erst eine Woche später ab, weshalb die Reparatur am Händler hängen blieb. So gesehen lief alles gut. Ich tat wohl gut daran, die Pappe nie zu erstreben. Andernfalls hätte ich wohl mich oder – schlimmer – andere schon längst von den Lebenden zu den Toten befördert. Marc Ottiker
F
Fußballer Dönerwürfe, Sexpartys, öffentliches Urinieren – der Fußballer an sich neigt zur Skandalnudel. Dauerbrenner ist dabei das nicht ungetrübte Verhältnis zum Führerschein. Kein Wunder in einer Welt, die noch stark von alten Männerbildern (➝ Kampffahrzeug) geprägt ist.
Dickes, schnelles Auto, das ist Identität (und eine Sponsorenfrage). Der gemeine Fußballer will sein Auto denn auch ausfahren. Und da beginnen die Probleme. Real-Madrid-Star Karim Benzema etwa fuhr 2015 über 100 km/h zu schnell und musste den Lappen für acht Monate abgeben. BVB-Profi Marco Reus indes hielt den Führerschein ganz grundsätzlich für ein eher unwichtiges Dokument: Er hatte 2014 wegen Fahrens ohne Führerschein in sechs Fällen einen Strafbefehl in Höhe von 540.000 Euro erhalten. Inzwischen soll er seinen Führerschein aber gemacht haben. Benjamin Knödler
J
Junge Leute Hach, diese jungen Leute wieder. Die wollen einfach den Führerschein nicht mehr machen – oder wenigstens nicht gleich zum 18. Geburtstag. Sie lassen sich Zeit damit. Während im Jahr 2012 die Zahl der Pkw-Fahrerlaubnisse bei den 18- bis 24-Jährigen noch 4,6 Millionen betrug, so waren es 2017 zehn Prozent weniger. Das gab der ADAC vor einigen Monaten bekannt. Dafür seien öffentlicher Nahverkehr und die zunehmende Attraktivität des Radfahrens durch den Ausbau von Radwegen verantwortlich. Zusätzlich trügen auch Shareangebote für Räder und E-Roller dazu bei, dass die jungen Leute nicht mehr aufs Auto angewiesen sind.
Diese Leute holen den Führerschein erst nach, wenn eine andere Mobilitätsform etwa für den Beruf oder die Familie notwendig wird. Auf dem Land allerdings lässt sich solch ein Rückgang nicht feststellen, hier ist der fahrbare, benzin- oder dieselbetriebene Untersatz weiterhin unerlässlich. Im Führerscheinschwund drückt sich auch eine weitere Entwicklung aus: Das Auto taugt nicht mehr zum Statussymbol – Smartphone & Co. haben es längst im Ranking des Must-have abgelöst. Tobias Prüwer
K
Kampffahrzeug Schließlich kam er darauf zu sprechen, dass er beim Bund den Panzerführerschein gemacht hatte. Das gab ihr den Rest, obwohl sie sich bisher eigentlich als linke Pazifistin definierte. Aber nach dieser Information dauerte es nicht lange, bis sie sich aufs Sofa werfen ließ. Mit einem Panzer könne man über 100 km weit schießen, hatte er ihr erklärt. Also von Prenzlauer Berg bis fast nach Prenzlau! Warum hat das eigentlich noch keiner gemacht, hatte er gefragt und höhnisch gelacht. Statt Prenzlau war sie abgeschossen worden, und das wegen eines Panzerführerscheins. Am nächsten Morgen war der Inhaber weg, aber wenn sie später in Film und Fernsehen Panzer sah, hörte sie ihn lachen. Ruth Herzberg
L
Lastkraftwagen „Nein! Weiter ausholen! Los!“ – „Nicht so weit ausholen, der Spiegel!“ Auch wenn die Führerscheinzahlen bei den jungen Leuten zurückgehen, so hoffe ich dennoch, dass der didaktische Ansatz der Fahrlehrer*innen sich irgendwie verbessert hat – und wenn auch nur mehr der/die Quäler*in, äh, Lehrer*in auf dem iPhone ein Rennspiel zockt. Doch nicht nur das Überschreiten der Limits war schlecht, auch das konkrete Einhalten selbiger ließ Unmut aufkommen.
In meiner Fahrprüfung für den C1-Führerschein: „Behmann, jetzt fahrense endlich mal wie’n Mensch und nicht wie’n Fahrschüler!“ „Ja, Herr Fahrprüfer, war ja auch nur rot.“Jan C. Behmann
N
Noel Gallagher Bis heute hat Noel Gallagher keinen Führerschein. In den großen Jahren von Oasis fand er es cool, im Fond großer Limousinen zu sitzen. Heute schämt er sich ein wenig dafür. Der fehlende Führerschein war für den Mann, der als Roadie bei den Inspiral Carpets begann und die Beatles über alles liebt, aber kein Grund, auf Autos zu verzichten. Einen ganzen Fuhrpark inklusive Bentley, Rolls-Royce, Jaguar und Porsche besitzt Gallagher, der übrigens auch nicht schwimmen kann. Natürlich hat er auch einen ziemlich großen Swimming Pool.
Das mit dem Führerschein wollte er mal ändern, doch, so geht die Legende, als er von der Existenz einer „Theorie-Prüfung“ hörte, wollte der Lad aus Manchester nichts mehr vom Führerschein wissen (➝ Fußballer). Aber bitte: Warum sollte ein Mann, der Alben wie Definitely Maybe und (What’s the Story) Morning Glory? geschrieben hat, sich zum Fahrschüler verzwergen?Marc Peschke
P
Paternoster Ins Büro fahre ich gesetzestreu Paternoster. Rein, hochrumpeln, oben raus. Der Weg zurück nach unten wird jedes Mal ein Akt des zivilen Ungehorsams. Denn in der 6. Etage ermahnt mich ein Hinweis, die Benutzung des „Personenumlaufaufzuges“ sei ohne entsprechenden Führerschein untersagt.
So wollte es wohl irgendeine Lobby, 2013 wurde ein schwarz-gelber Verordnungsentwurf daraus, und später plante Andrea Nahles wirklich, die „Betriebssicherheitsverordnung“ zu ändern: der Paternoster nur noch für „eingewiesene Beschäftigte“? Führerscheine für Fahrstühle, genau so klingt Deutschland. Man hatte jedoch nicht mit den Protesten gerechnet, sogar der Guardian kam für einen Bericht vorbei. Die Rebellion zur Verteidigung des kreisenden Kulturgutes war erfolgreich, der Führerscheinzwang fiel wieder. Was blieb, war das Schild in der 6. Etage. Wahrscheinlich hat der Hausmeister es absichtlich hängen lassen. Aus zivilem Ungehorsam. Tom Strohschneider
S
Stempelkarten Zusammen mit der DDR-Fahrerlaubnis – der Begriff „Führerschein“ wurde erst 1982 wieder verwendet – wurden Stempelkarten ausgegeben, die immer mitgeführt werden mussten. Dorthinein erhielt man Stempel, wenn ein Vergehen gegen die STVO (➝ Paternoster) zu ahnden war. Es gab Platz für fünf Einträge und dann ein Fahrverbot.
Entgegen den heutigen Bußgeldkatalogen konnten die „Genossen“ von der Verkehrspolizei eigenständig entscheiden, ob und wie viel sie da hineindrückten. Deshalb war es nicht geraten, sich mit ihnen anzulegen. „Bereuen ist immer gut“, war die Regel. Bei respektlosem Umgang oder zu großer Diskussionsfreudigkeit konnte ein Stempel mehr fällig sein. Und jeder verlängerte die Gültigkeit älterer Einträge. Magda Geisler
R
Renitent Diesen Tag werde ich nie vergessen: Am Vormittag mussten die Mädels vor drei Schulrektoren ihr Sportabitur vorturnen (reaktionäre Spanner!), bei der Tanz-Performance zu Strangers in the Night brachte ich die Show aus dem Takt und dachte: Das war’s jetzt! Dann ein paar Stunden später die schon einmal verschobene Fahrprüfung. Eine Fahrheldin war ich damals nicht, und den Schein musste ich mir mit Putzjobs zusammensparen. Aber im Auto saß ein ganz Lieber hinter mir, Buchmann hieß er. Das wüsste ich sicher nicht mehr, stände es nicht in dem angeschmutzten Lappen mit dem netten Foto, den ich schon einige Male verloren und wiedergefunden habe. Nie, nie, gebe ich ihn her, da werde ich total renitent (➝ Umtausch). Ulrike Baureithel
U
Umtausch Es wurde Zeit, mein Führerscheinleporello aus dem letzten Jahrhundert in eine Plastikkarte umzutauschen. Ich buchte online einen Termin beim Bürgeramt und erhielt ein dreiminütiges Zeitfenster, in dem ich vorsprechen durfte. Der riesige Klinkerbau ist offenbar in einer Zeitschleife gefangen, da bin ich mir ganz sicher. Das Zimmer, in dem eine alterslose Dame stoisch mein Begehren abarbeitete, war voller Requisiten aus meiner Vergangenheit: Katzenaufkleber an staubigen Monitoren, klebrige Plastikfigürchen und spillrige Büropflanzen. Meine Vermutung ist, dass dort nichts verändert wird, weil nach Büroschluss die Räume als Kulissen für triste DDR-Filme (➝ Stempelkarten) dienen. Elke Allenstein
W
Witze „Der Führer war ein armes Schwein – er hatte keinen Führerschein.“ Witze über Führerscheine gehören nicht zur Kategorie des intelligenten Ulks. Oft geht es um alkoholisierte Fahrer, dumme Polizisten oder eine noch dümmere Blondine. Da wird der Cop vom Fahrer gefragt: „Wieso wollen Sie meinen Lappen sehen, den haben Sie mir doch letzte Woche abgenommen.“ (➝ Autofrei) Und dann pöbelt er im Amt. In einem anderen Witz meint eine Frau: „Mein Freund hat mir einen Deoroller geschenkt, und ich habe gar keinen Führerschein!“
Man merkt: Der Führerscheinwitz ist derart tiefergelegt, dass er keine Bodenwellen verträgt. Das Denken setzt dabei mitunter aus. Und Frauen (➝ Zukunft) kommen nie gut weg, wie sollten sie auch, wo das weibliche Nicht-Einparken-Können zum Standardrepertoire gehört. Nur einer dreht das Geschlechterverhältnis mal um: „Hör bloß damit auf“, ermahnt die Mutter den Sohn, der einen Luftballon aufblies, „das erinnert Vati zu sehr an seinen Führerschein …“ Tobias Prüwer
Z
Zukunft Es gab sie, die Zeit, in der das Auto keineswegs als zukunftsweisend, sondern vielmehr, nun ja, als Rohrkrepierer galt. Carl Benz hatte zwar einen fahrbaren Untersatz erfunden; leider aber lag ihm das Marketing nicht. Auftritt Bertha Benz. Sie klemmte sich hinter das Lenkrad des Wagens. Zwischen Apothekenbetankung und Keilriemenriss hätte die Fahrt jederzeit scheitern können. Tat sie aber nicht. Das Auto wurde doch noch zum Erfolg. Benz war übrigens ohne Führerschein (➝ Autofrei, Noel Gallagher) aufgebrochen. So war die erste Langstreckenfahrt zugleich der erste Verstoß gegen die Straßenverkehrsordnung. Oh, die gab es doch noch gar nicht?
Fortan sollte die Frau auf gummibereiftem Fahrzeug, nun mit Führerschein, zu der Emanzipationsfigur schlechthin werden. Und all das wegen einer zukunftsweisenden Benz. Marlen Hobrack
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