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Dass Amazon-Gründer Jeff Bezos nun der reichste Mann der Welt ist, sollte man als Menetekel lesen. Das Vermögen von Bezos, Amazons Börsenwert, entspringt einer Art kapitalistischer Planwirtschaft, so beschreibt es Malcolm Harris auf der Publikationsplattform medium.com: Amazon macht keinen nennenswerten Profit und hat noch nie Dividenden ausgeschüttet. Preise werden nicht vom Markt bestimmt, sondern zentral festgelegt. Die Buchhändler, die Amazon dezimiert, seien wie die Kulaken, die die Sowjetregierung plattmachte. Und jeder durch Steuervermeidung, Preisdrückerei bei Zu- und Auslieferern sowie Schikane gegenüber mies bezahlten Angestellten erwirtschaftete Cent dient allein dazu, sich immer mehr Geschäftsbereiche einzuverleiben. Planwirtschaft, befeuert von kapitalistischer Produktivkraft: Könnte es schlimmer kommen?
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Wo aber Gefahr ist, da könnte das Rettende in der Gestalt eines – fehlenden – Paketboten kommen. Es werde immer schwieriger, Personal zu finden, klagen Vertreter der Zustellerbranche. „Wir haben zunehmend Nachwuchssorgen“, sagte ein Sprecher des Logistikkonzerns Hermes. Was vielleicht daran liegen könnte, dass die in der Branche gezahlten Löhne jeden Gedanken an Fortpflanzung sofort verfliegen lassen und Instrumente der Ausbeutung wie die Arbeit auf Abruf empfängnisverhütend wirken. Wie wäre es mit höheren Löhnen und besseren Arbeitsbedingungen für Zusteller? Das würde den Versand verteuern. Und damit Jeff Bezos’ Manchester-Kommandowirtschaft einbremsen.
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Eher Nachgeburt einer untergehenden denn Vorzeichen einer kommenden Epoche dürften die Bonuszahlungen der Deutschen Bank sein: Für das Jahr 2017, in dem die einst stolze Heuschrecken-Nisthöhle 735 Millionen Euro Verlust machte, flossen Boni in Höhe von mehr als zwei Milliarden Euro an die Mitarbeiter, vor allem im Investmentbanking. Die Begründung, Sie ahnen es schon: Die Top-Leute, die da am Werk sind, seien anders nicht zu halten. Dabei ist die Liste der Dinge, die ebendiese Top-Leute verbockt haben, deckungsgleich mit den Gründen für die geschrumpfte Bilanz, den abgestürzten Aktienkurs und die hohen Rücklagen für all die „legal risks“, die aus den Vorwürfen der Zinsmanipulation und der Geldwäsche erwachsen sind: Auf Deutsch meint das die Möglichkeit, dass man am Ende für die Top-Arbeit doch geradestehen – sprich: zahlen – muss.
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Noch einer, der den Sehtest für die Schrift an der Wand bestanden zu haben glaubt, ist Hans-Werner Sinn. Als ökonomische Kassandra hat er eine beachtliche Laufbahn hingelegt: Der Euro sei bedroht von trägen Siesta-Mittelmeeranrainern, der Mindestlohn sei eine todsichere Jobvernichtungsmaschine, immer warnte Sinn, malte lustvoll Untergangsszenarien aus. Wen wundert’s, dass ihm auch zu Emmanuel Macrons Plänen für die EU nur eines einfiel: Es drohe ein neuer Schuldensumpf! Vielleicht ist es Zeit, zu sagen: Sinn ist nicht Kassandra, sondern eine kaputte Schallplatte, die einfach immer weiter ihre Kreise zieht.
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Auf der ewigen Bestenliste der falschen Prognose liegt Sinn allerdings weit abgeschlagen hinter Larry Kudlow. Der Ex-Chefökonom von Bear Stearns schrieb noch im Dezember 2007: „Was für eine Krise? Es wird keine Krise geben!“ Der Rest ist Geschichte. Oder doch nicht? Am 14. März gab Donald Trump bekannt, er habe Kudlow zu seinem obersten Berater in Wirtschaftsfragen ernannt.
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