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In letzter Zeit wird ja oft eingeworfen – schlägt die große Gereiztheit mal wieder um sich wie ein ausgebüxter Gartenschlauch –, dass für Panik auf der Titanic kein Anlass bestehe: Die Kriminalitätsstatistik sei doch rückläufig, Verbrechen aller Art nähmen ab. Aber das ist nicht die ganze Wahrheit: Die Wirtschaftskriminalität nämlich, die nimmt zu – und nicht zu knapp. 2017 stiegdie Zahl der Fälle von Untreue, Anlage- und Insolvenzbetrug um fast 29 Prozent, der dadurch verursachte Schaden legte um 25 Prozent auf 3,74 Milliarden Euro zu. Dabei gingen die Fälle von „CEO Fraud“, der wirtschaftskriminalistischen Entsprechung des Enkeltricks, im Jahr 2017 zurück. Was im Umkehrschluss ja nur bedeuten kann: Es sind zunehmend die echten CEOs, die mit der Hand in der Portokasse erwischt werden.
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Andererseits mag die aus dem Ruder laufende Wirtschaftskriminalität auch damit zusammenhängen, dass ihr die Politik Schlupflöcher wie Scheunentore baut: Share Deals etwa, bei denen Firmen Grunderwerbsteuer „sparen“, indem sie statt Häusern Unternehmensanteile kaufen, sind ja nichts anderes als eine etwas verklausulierte Einladungskarte zur Geldwäsche. Die Finanzminister der Länder wollten letzte Woche eigentlich Abhilfe schaffen, heraus kam – wegen des Widerstands von CDU und CSU – eine Verkleinerung der Schlupflochzufahrt um fünf Prozent.
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Ganz ähnlich macht es Irland, das um sein Renommee als verregnetes „Steuerdumpingparadies“ für Internetfirmen bangt. Die EU-Kommission hatte Apple schon 2016 zu einer Steuernachzahlung von 13 Milliarden Euro verdonnert, weil Irlands Steuerspargesetzgebung illegal gewesen sei. Nur: Irland will das Geld nicht haben. Erst nachdem die EU-Kommission Irland auf Eintreibung der Schulden verklagt hatte, akzeptierte die dortige Regierung widerwillig, die 13 Milliarden als Ratenzahlung zu erhalten. Apple freut es: Eine Studie der Linken deutet darauf hin, dass der Konzern in der EU auch jetzt bloß symbolisch besteuert wird. Die Steuerquote auf Apples Gewinne beträgt nach Schätzungen zwischen 0,7 und 8,8 Prozent.
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Anlagebetrug, Share Deals, Steuerflucht: Die Frage liegt nahe, ob das nicht ein lohnendes Betätigungsfeld für einen jungen, unverbrauchten Finanzminister voller Tatendrang wäre? Ein Schelm, wer dabei an Olaf Scholz denkt. Der ist zwar erst dreieinhalb Monate im Amt, aber genauso lange währt die daraus folgende Enttäuschung: eine Art Polit-Kater, nur ohne vorangehenden Exzess. Mitte Mai hatte die SPD angekündigt, Scholz werde nun „bald“ eine „starke Antwort“ auf Macrons Vorschläge zur Reform der EU liefern. Seitdem verzeichnet die Webseite des Finanzministeriums stolze sieben Pressemitteilungen. Sechs davon behandeln Vorstellungen von 20-Euro-Gedenkmünzen, 50-Euro-Goldmünzen und Sonderbriefmarken, erwähnt sei etwa jene zum „Leuchtturm Wangerooge“. Der einzige öffentliche Termin von Scholz, der einer Pressemitteilung würdig war: seine Präsentation der Sonderbriefmarkenserie „Legendäre Fußballspiele“.
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Zumindest setzt sich Scholz also für die Deutsche Post ein. Die hat sonst gerade wenig zu lachen, weil ihr Großkunde Amazon die Preise drückt und ab 2020 seine Pakete selbst ausliefern will. Es zeigt sich: Die Post ist von Amazon abhängig. Dagegen müsste man sich was einfallen lassen. Und was macht die Post? Sie beginnt einen Preiskampf mit der Otto-Tochter Hermes.
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