Fünf Dinge, die anders besser wären

Status quo Sinnsuche bei Daimler, Kids ohne „purpose“, Uber allen Gipfeln wartet der Börsengang und ein Hostel in Berlin, das wegen Erfolg schließt
Ausgabe 17/2019
Ist der Sinn bei Zetsche und Co schon in Sicht?
Ist der Sinn bei Zetsche und Co schon in Sicht?

Foto: Juergen Schwarz/Getty Images

Spüren Sie eigentlich auch schon was? So ein wohlig warmes Gefühl, ein bisschen abstrakt, gewiss, aber deswegen nicht weniger wonnig? So rundherum rechtschaffen und solide fühlt es sich an, dass Deutschlands Schuldenstand in diesem Jahr auf 58,75 Prozent des Bruttoinlandsprodukts sinken und damit unter die „magische“ (Focus) 60-Prozent-Maastricht-Grenze fallen wird. Ist das nicht zauberhaft und wunderbar? Der „Maastricht-Makel“ (Welt) ist getilgt. Und jetzt?, werden Sie vielleicht fragen. Gar nichts. Mehr als ein Schulterklopfen gibt’s dafür nicht. Denn: Rein ökonomisch macht es überhaupt keinen Unterschied, ob der Schuldenstand bei 61 oder 59 Prozent des BIP einpendelt. Aber dieses Gefühl, das ist doch auch was wert, oder? Muss es. Denn sonst kämen wir vielleicht auf die Idee, uns zu fragen, was wir mit fünf Prozent mehr Verschuldung alles hätten bauen können. Worin wir investieren und wen wir damit ausbilden könnten ...

Die Frage nach dem Zweck des Ganzen treibt, so hört man, derzeit auch Daimler und Siemens um. Zumindest behauptet das Handelsblatt eine derartige „Suche nach dem Sinn“ auf acht Seiten. An Daimler selbst nage die „Frage nach unserem Purpose“, dem „gesellschaftlichen Nutzen“. Es scheint, als wüssten die Autobauer, ja selbst die Ingenieure bei Siemens auf einmal nicht mehr, warum sie etwas tun sollten, was sie jahrzehntelang des Profits wegen ohne gröbere Sinnkrisen erledigt haben. Ich frage mich: Warum jetzt? Und: Meinen die das ernst? Erst bei näherer Betrachtung folgt die Entwarnung: Alles halb so schlimm! Bei Lichte besehen entpuppt sich die Suche nach dem Sinn als eine solche nach: Investoren.

Und nach „Talent“, sprich Arbeitskraft. Die macht sich nämlich rar, wenn der „Purpose“ so schief hängt wie derzeit beim deutschen Verbrennungsmotor. Oder auch aus anderen Gründen? Die Süddeutsche Zeitung jedenfalls steht mit Rat und Tat parat, was zu tun wäre, „wenn das Kind nach dem Schulabschluss nicht in die Gänge kommt“. Dabei: Ist es nicht genau andersrum? Anstatt zu fragen, wie man die chillenden Kids von der Couch kriegt, könnte man überlegen, ob ihnen nach zwölf Jahren Schnellsieder-Abi nicht eine Verschnaufpause guttäte. Ein bisschen Sinnsuche, ja so wie bei Daimler, bevor sie ihre Talente für den Arbeitsmarkt bereithalten.

Was dort auf sie wartet, ist nämlich nicht immer nur sinnvoll. Sondern manchmal so nervtötend sinnlos und dazu noch schlecht bezahlt wie ein Gig bei Uber. Eben dieser „Fahrdienstleister“ will im Mai an die Börse gehen, in einer Mega-IPO sollen Aktien im Wert von zehn Milliarden Dollar verkauft werden. Dabei fragen sich die antriebslosen Kids zu Recht: Ist das nicht ein bisschen viel für ein Unternehmen, dessen Geschäftsidee darin besteht, Leute von Niedriglöhnern mit Schlafmangel durch die Gegend kutschieren zu lassen? Und das nicht mal Profit abwirft? Das Schlimmste dabei: der Name. Uber, woran denken Sie dabei, wenn nicht an den Ubermenschen, Deutschland uber alles. Und Uber allen Gipfeln ist Ruh.

Ruhe soll auch im Wombat’s City Hostel in Berlin-Mitte einkehren. Das Hostel, Einzelzimmer ab 36 Euro, will schließen. Obwohl der Laden brummt. Obwohl es das erste Hostel mit Betriebsrat ist, wo die Beschäftigten einen Tarifvertrag erstritten haben. Das heißt, eigentlich deswegen. Vermutet zumindest die aktion/arbeitsunrecht und fordert Solidarität, Gegenwehr. Und Enteignung!

Aus der Ausgabe 17/2019 des Freitagmit Wirtschaftsteil

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