Fünf Dinge, die anders besser wären

Wirtschaft Ob irre gewordene Surrealisten, angezogene Daumenschrauben oder Schönrechner Scheuer: Auch diese Woche findet unser Redakteur fünf Themen, die ihm aufs Gemüt schlagen
Ausgabe 35/2019

Hallo, Helmut Schleweis, wie sind Sie als Sparkassenpräsident eigentlich auf die Idee verfallen, für die Springer-Presse eine Brieffreundschaft mit EZB-Präsident Mario Draghi anzubandeln? Okay, Sie durften Ihren „Wut-Brief“ an „Nullzins-Draghi“ in die Titelseite der Bild meißeln. Und Ihren Penpal Mario darin geißeln, dass er „den Zins abgeschafft“, mehr noch, die deutsche Kultur des Sparst-du-in-der-Not „geschleift“ habe! Allein: Sie als Sparkassen-Schleweis müssten doch wissen: Der „Stoppt die Enteignung der deutschen Sparer!“-Karren, vor den Sie sich hier spannen ließen, ist so oll, dass er vor kognitiver Dissonanz nur so quietscht. Das Problem, mit dem „Nullzins-Draghi“ sich herumschlagen muss, rührt ja zumindest in Teilen daher, dass hierzulande zu vielgespart, aber zu wenig investiert wird. Worauf die Bild wahrscheinlich auch noch stolz ist. Deshalb ein Postskriptum: Gerhard Schick von der Bürgerbewegung Finanzwende verdanken wir den Hinweis, dass Sie, Epistel-Schleweis, eigentlich ein Abkassier-Schleweis sind, was die Vorstandsvergütungen im eigenen Haus angeht. Und ein Dispozins-Schleweis obendrein.

Noch so ein an der „säkularen Stagnation“ irre gewordener Surrealist wie Schleweis ist übrigens Markus Söder. Bayern werde eine Initiative im Bundesrat einbringen, so der CSU-Ministerpräsident, um Negativzinsen zu verbieten. Begründung: „Sparen muss belohnt und darf nicht bestraft werden.“ Richtig! Wie wär’s damit: Wir führen ein „Menschenrecht auf Zinsen“ ein? In Verfassungsrang? Ich finde: Vier Prozent pro Nase und Jahr sollten eigentlich für „unantastbar“ erklärt werden.

Wenn wir aber schon bei alternativen Realitäten sind, dann sollen die Rufe nach einer Neuauflage der Agenda 2010 auch mit rein. Das Argument, so gehört bei BASF-Chef Martin Brudermüller, dem Chemieriesen in Ludwigshafen: Jetzt kommt die Rezession, Firmen geraten wegen des Handelskonflikts unter Druck, also drehen wir an der einzigen Stellschraube, die uns einfällt. Jener am Daumen der Beschäftigten. Im Ernst, Brudi?

Womit wir bei Andreas Scheuer (CSU) wären, oder: Wer den Murks hat, braucht für die Rücktrittsforderungen nicht zu sorgen. Scheuer, der Verkehrsminister, erweist sich nicht nur als Schönredner, sondern auch als Schönrechner. Nach Darstellung der Grünen hat er versucht, die Kosten für seinen Ausländer-Pkw-Maut-Pfusch am Parlament vorbei kleinzurechnen. Weil im Haushalt nur zwei Milliarden eingeplant waren, Scheuers Mautflause aber drei Milliarden gekostet hätte, stellte man im Verkehrsministerium Rechenspiele an: Die dritte Milliarde wurde so lange hin- und hergeschoben, bis sie sich zwar nicht in Wohlgefallen, aber doch in luftige „variable“ Kosten aufgelöst hatte, die keine Haushaltsdeckung mehr benötigt hätten. Genial! Schade eigentlich, dass der Europäische Gerichtshof dieser finanzakrobatischen Nummer von Oberjongleur Andi ein jähes Ende bereitete.

Sie haben es in letzter Zeit wahrscheinlich öfters gehört, das neueste Mantra der erneuerbaren Mobilität: „Dem Wasserstoff gehört die Zukunft“, in seiner Form als Brennstoffzelle. Armer Wasserstoff! Der hört das jetzt schon seit 1983. Damals nämlich entwickelten HDW und Siemens eine Brennstoffzelle aus Wasserstoff. Die funktionierte prima und ist seit 1988 in Betrieb. In deutschen U-Booten. Sonst noch irgendwelche Fragen zur Verkehrswende?

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