Fünf Dinge, die anders besser wären

Status quo Real flüchtet aus der Tarifbindung, eine ganze Branche wird verknackt, die Verfassung gebeugt, Dobrindt ähnelt Syriza und die FIFA-Wanderarbeiter geraten in Vergessenheit
Ausgabe 26/2015

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Groß in den Schlagzeilen war vergangene Woche die Metro-Gruppe. Sie verkauft ihre Tochter Kaufhof für 2,8 Milliarden Euro an den kanadischen Handelskonzern Hudson’s Bay. Den 21.500 Kaufhof-Mitarbeitern versprachen die neuen Eigentümer, keine Stellen zu streichen. „Big Bang“ war der Titel eines Programms, mittels dessen Metro zuletzt einen Großteil der 104 Kaufhof-Filialen modernisiert hatte – einen anderen „Big Bang“ versteckte der Konzern im Windschatten seines Deals mit Hudson‘s Bay: Real, eine weitere Metro-Tochter, wird zwar nicht verkauft, flüchtet aber aus dem Flächentarifvertrag. Im Handelsverband hat die Kette künftig eine Mitgliedschaft ohne Tarifbindung inne. Jetzt sollen ein Haustarifvertrag und eine „neue Entgeltstruktur“ her, sprich: Die Löhne, vor allem für neu einzustellende Mitarbeiter, sollen sinken.

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Verantwortlich dafür machen die Real-Manager ihre ganze Branche: Die sei schließlich in den vergangenen Jahren fast kollektiv aus der Tarifbindung geflüchtet, da müsse man jetzt folgen. Der Herdentrieb scheint im Handel besonders ausgeprägt: Das Bundeskartellamt hat gerade Bußgelder von über 150 Millionen Euro wegen Preisabsprachen verhängt, zu den Betroffenen gehören unter anderem Metro, Edeka, Rewe, Kaufland und Aldi. Es ging um Tiernahrung und Körperpflegeprodukte, noch ausstehende Verfahren betreffen Süßwaren, Kaffee und Bier. Die Übeltäter haben die Strafen akzeptiert – einhellig.

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Nach Strafe – oder zumindest einer Niederlage vor Gericht – lechzt auch die Bundesregierung, gleich zweifach: Zum Ersten unterzeichnet dieser Tage der Bundespräsident das Tarifeinheitsgesetz. Über das schreibt der Wissenschaftliche Dienst des Bundestages: absehbarer Verfassungsverstoß. Die Richter in Karlsruhe warten schon.

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Zum Zweiten hat die EU-Kommission ein Vertragsverletzungsverfahren wegen des im März verabschiedeten Gesetzentwurfs zur Maut von Verkehrsminister Alexander Dobrindt (CSU) eingeleitet. Damit war ja nun überhaupt nicht zu rechnen! Dobrindt wollte doch nur Gutes tun und endlich Investitionen in Deutschlands bisweilen marodes Straßennetz akquirieren, von den Ausländern auf hiesigen Autobahnen. Es ist ja das erste Ministeramt für den ehemaligen CSU-Generalsekretär, vielleicht hat er da einfach nicht verstanden, was die Kommission schon im Dezember und Februar schrieb: dass das Vorhaben „auf einen Bruch des fundamentalen Vertragsprinzips der Nichtdiskriminierung“ hinauslaufe. Dobrindts Nachfolger als Generalsekretär, Andreas Scheuer, weiß mit Blick auf die griechische Regierung, wie das so ist mit Regierungsneulingen, die auf die Realitäten der EU-Politik treffen: Sie „sehen jetzt, dass auf dem europäischen Parkett nicht lockeres Auftreten, oberflächliches Gequatsche, sondern nur inhaltliche Substanz zählt“.

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Substanz dürften all die Korruptionsvorwürfe gegenüber der FIFA haben, und darum geht es nun nur noch um bestochene Funktionäre und um die Frage, ob etwa die WM 2022 tatsächlich in Katar stattfinden wird, wenn hierzulande von der FIFA die Rede ist. Aber war da nicht noch was? Ausgebeutete Wanderarbeiter auf katarischen Baustellen? Aus Nepal etwa, die nicht einmal zu Beerdigungen von Familienangehörigen nach dem dortigen Erdbeben reisen durften? Tödliche Arbeitsunfälle? Laut Amnesty International hat sich an alldem bisher so gut wie nichts geändert.

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Geschrieben von

Sebastian Puschner

Stellvertretender Chefredakteur und Ressortleiter „Politik“

Sebastian Puschner studierte Politik-, Verwaltungswissenschaften und Philosophie in Potsdam und wurde an der Deutschen Journalistenschule in München zum Redakteur ausgebildet. Bei der taz arbeitete er als Redakteur im Berlin-Ressort. 2014 wechselte Sebastian Puschner zum Freitag, wo er den monatlichen Wirtschaftsteil mit aufbaute. Seit 2017 ist er verantwortlicher Redakteur für Politik, seit 2020 stellvertretender Chefredakteur. Er interessiert sich besonders für Politik und Ökonomie von Hartz IV bis Cum-Ex sowie für Fragen zu Geopolitik, Krieg und Frieden.

Sebastian Puschner

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