Führt Kofi Annan Kenia aus der Krise, Frau Müller?

Aktuell Nachgefragt

FREITAG: Im Streit um das Präsidentenamt Kenias will der frühere UN-Generalsekretär Kofi Annan dieser Tage erneut mit dem selbsternannten Präsidenten Kibaki sprechen. Wird Annan den Konflikt lösen können?
MARIE ELISABETH MÜLLER: Nein, Kofi Annan behandelt schon seine Verhandlungspartner nicht gleichberechtigt: Kibaki sucht er zu Gesprächen im offiziellen Sitz des Präsidenten auf; den Oppositionsführer Raila Odinga lässt er hingegen in sein Fünf-Sterne-Hotel rufen. Annans Mitvermittler sind von ihm marginalisiert worden. Dabei berücksichtigen die Anwältin Graca Machel aus Mosambik und der frühere Präsident Tansanias, Benjamin Mkapa, stärker die Argumente der Opposition. Es sieht so aus, dass Annan bereits die Formulierungen der selbsternannten Kibaki-Regierung übernimmt.

Halten Sie Neuwahlen für den richtigen Weg, damit Kenia aus der Krise findet?
Es wird kein Frieden einkehren, solange der Wahlbetrug nicht rückgängig gemacht wird. Neuwahlen wären dann in etwa einem halben Jahr realistisch. Bis dahin könnte eine nationale Übergangsregierung aus Mitgliedern von Kibakis PNU und Odingas ODM die Staatsstrukturen wiederaufbauen und die Kämpfe im Land beenden.

Inwiefern handelt es sich bei den Massakern um ethnische Konflikte?
Mittlerweile streiten die Kenianer über Landfragen, die häufig zwischen ethnischen Gruppen ausgefochten werden. Aber es ist viel mehr ein sozio-ökonomisches als ein ethnisches Problem. Der Ursprung liegt in der unfairen Verteilung der Ressourcen durch den früheren Präsidenten Jomo Kenyatta und sein Volk der Kikuyu. Unter seinen Nachfolgern Daniel arap Moi und Kibaki wurde dieser Nepotismus weiter betrieben. Viele Angehörige der anderen über 40 kenianischen Stämme sind aber nicht länger bereit, dies weitere fünf Jahre zu tolerieren. Dagegen sind sie wählen gegangen.

Was muss geschehen, damit sich Konflikte um das Präsidentenamt nicht wiederholen?
Zunächst müssen Polizeigewalt und Menschenrechtsverletzungen geahndet werden. Später sollte die Verfassung Kenias überarbeitet und die Macht nach dem Vorbild föderaler Systeme dezentralisiert werden. Künftige Regierungen sind aufgerufen, das Land und die Ressourcen gerechter zu verteilen. Sollten die Kenianer den demokratischen und rechtstaatlichen Prozessen nicht mehr vertrauen können, werden sie weiter auf Selbstverteidigung und Revanche setzen.

Das Gespräch führte Dirk F. Schneider

Marie Elisabeth Müller arbeitet zur Zeit als DAAD-Lektorin für Germanistik an der University of Nairobi.

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