Für Georg Katzer

Buchauszüge Werner Stötzer ...

Werner Stötzer

Man kann sich vorstellen: Katzer mit drei Jahren steht in einer Landschaft und popelt, er bekommt eine Zurechtweisung und beschließt mit sechs Jahren Landschaftsmaler zu werden. Als er keine Landschaft fand, pfiff er vor sich hin und brachte einem kleinen Hund Töne bei. Das war der Beginn einer Laufbahn. Das Laufen wurde nun schwerer, aber unser Mann war unentwegt unterwegs, und so trafen wir uns. Wir liefen aber nun nicht nebeneinander, sondern jeder lief anders. Nur wenn wir uns trafen, in der AKADEMIE etwa, dann kam und kommt er an den Tisch der Maler und Bildhauer. Und wird gegrüßt als einer der Ihrigen.


Kurt Masur

Lieber verehrter Georg Katzer!

Mein Respekt für Sie ist geblieben, wenngleich nicht mehr so oft die Möglichkeit besteht, Ihre Werke aufzuführen wie damals. Wie Sie wissen, konnte ich Sound-House auch in New York zum guten Erfolg führen, und ich erinnere mich gerne an unsere Zusammenarbeit mit der "Empfindsamen Musik".

Für Sie alle ist das Leben nicht leichter geworden, aber ich freue mich, dass Sie nach wie vor aktiv sind, weil ich glaube, dass unsere Generation vieles vermitteln sollte, wovon die junge Generation nichts wissen kann.

Mit besten Wünsche und herzlichen Grüßen.

In alter Verbundenheit
Ihr
Kurt Masur

Peter Gülke

Knapp vorangegangen, wundere ich mich über Georg Katzers 70 Jahre mindestens ebenso sehr wie über meine eigenen. Das hängt nicht zuletzt mit der "Schule der Vorläufigkeit" zusammen, durch die wir gehen mussten, mit dem unschlichtbaren Widerspruch zwischen Welterlösungsanspruch und miserabler Wirklichkeit, der uns jahrzehntelang zwang, ein "eigentliches" Leben als einstweilen vertagt zu betrachten. Inwiefern das eher eine Überlebens-Hypothese als realitätsgerecht war und es, Adorno entgegen, doch etliches "Richtige" im "falschen Leben" gab, wissen wir spätestens seit fünfzehn Jahren genauer; nicht ohne, dass - gern erlegtes - Lehrgeld gezahlt werden musste. Geblieben ist, wie immer wir es bestanden, das Gefühl, wir hätten Etliches nachzuholen. So sind wir wenig empfänglich für die Konnotationen des sogenannten biblischen Alters.

Ich kenne kaum jemanden, der durch den Wechsel der geschichtlichen Klimazonen, vom gefährlich unberechenbaren Binnenklima vor 1989 abgesehen, ohne von seinen hohen Ansprüchen abzulassen, so unbeirrt gelassen und freundlich hindurchgegangen wäre wie Georg Katzer. Nicht aber, weil ihm das leichter gefallen wäre als anderen! - er hat nur genauer als andere gewusst (da half ein langer Entwicklungsweg), inwiefern Musik ein mitteilendes Medium ist, ein - mit Thomas Mann - "schwebendes Angebot", in dem die, die die Musik machen, mit denen sich treffen, die ihr zuhören. Es gehört zu den Fatalitäten des üblichen Redens über Musik, dass eine solche Auskunft sofort verteidigt werden muss gegen den Verdacht des praktikablen Mittelwegs, der abgebremsten Zumutung. Wenn künstlerischer Anspruch nicht getrennt werden kann von dem, was ein Werk "will" beziehungsweise soll, nicht getrennt werden kann von der Verpflichtung, den Hörer dorthin mitzunehmen, dann ist Katzers Musik anspruchsvoll wie irgendeine. Nur geht ihr, wie ihrem Autor, jene selbstbezogene Eitelkeit ab, welche die hohe Intuition vor allem durch Buh-Rufe bestätigt sieht.

Die strenge Schule konkret angewandter Komposition - für Kinder, Filme, Hörspiele etc. - hat ihn, weil er sie ernst nahm, daran gehindert, eine grundsätzliche Differenz zwischen eigen- und fremdbestimmter Musik zuzulassen. Angewandt, dem Musizierenden und Hörenden zugewandt ist alles, was er komponiert hat, gerade auch die komplizierten, in der Analyse allemal als genau durchdacht, durchgehört, durchgefühlt wahrgenommenen Stücke, Fundgruben für denjenigen, der auf feingesponnene Bezüge etc. ausgeht. Katzer ist einer, der seine Musik gern vor den Ohren des Hörers zusammensetzt: Werdeprozess, so weit irgend möglich, und Fertigprodukt, so weit nötig. Musizierende und über sie die Hörenden am Herstellungsprozess zu beteiligen, in ihn hineinzuziehen bedeutet über die Verstehensbrücke hinaus eine Vertrauenserklärung - wie nötig beides, damit die Kluft sich verringere zwischen den Menschen und der Musik, die von ihrer Zeit, ihren Sorgen, von ihnen redet!

Demjenigen, der an jenem Vertrauen unbeirrbar festhält und, selbstgesetzten Ansprüchen treu und von ideologisch angeheizten Debatten kaum abgelenkt, durch drastisch wechselnde Konstellationen beziehungsweise Gesellschaftsordnungen hindurchgeht, bleibe ich nur zu gern auf der Spur, mit ebensoviel hohem Respekt wie tiefer Sympathie.


Rainer Kirsch

Die uns gönnten, waren meistens wenig,
Die uns schmähten, waren öfter viel.
Unter Dumpfen spielten Mogler König
Und das Spiel verstehn warf aus dem Spiel.

Wieso, gleichwohl, kennen wir Gerüche?
Und auf unsern Schultern sitzt der Kopf?
Zieren schärfste Messer unsre Küche?
Schmort in Rotwein mittags Fleisch im Topf?

Und der hohe Ton, den wir versiebten?
Und die Frauen, die uns störrisch liebten?
Und das Laub, darauf der Fuß ausglitscht?

Da wir uns im Fortmäandern übten:
Zwischen wieviel Scyllen und Charybden
Sind wir, Bruder, schon hindurchgewitscht?

November 2003

Die Beiträge stammen aus dem Ende Januar 2005 erscheinenden Band Landschaft für Katzer. Herausgegeben von Stefan Amzoll, mit Texten, Dichtungen, Bildern, Fotos, Noten von 76 Autoren, Akademie der Künste Berlin 2005.


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