Fußball kommt heim

Medientagebuch Die Fußballbundesliga hat wieder begonnen, und die ARD schwelgt unbeholfen zwischen gestern und heute

Heimat des Fußballs" hat die ARD ihre Sportschau von einer Werbeagentur nennen lassen und die Innenstädte vor dem Saisonstart entsprechend plakatiert. Nun ist es ja ohnehin schwierig, zu Zeiten eines entwickelten Weltmarkts von Heimat zu sprechen, darunter kann man sich von einem Film über ein Hunsrückdorf bis zum Musikantenstadl fast alles vorstellen. Aber dass ein in eine farblich überkandidelte Studiokulisse gestellter Gerd Delling heimatlich-warme Gefühl auslösen soll, scheint eine echte Innovation im aktuellen deutschen Heimatdiskurs zu sein.

Die Samstag-Sportschau beginnt an dem Tag, an dem die ganze Republik Berichte über den ersten Spieltag der Fußballbundesliga erwartet, mit etwas, wo man Heimat am ehesten vermutet: der Regionalliga. Delling erzählt ohne irgendeinen Zusammenhang zum folgenden Regionalligaspiel, 16 von 18 Bundesligatrainern tippten auf Bayern München als Deutschen Meister; oder er berichtet mit wahrlich heimatlichem Stolz, dass das Auftaktspiel der Liga, das am Freitagabend ausgetragene Spiel zwischen VfB Stuttgart und Schalke 04, sogar im Vatikan, in Togo und in Brunei im Fernsehen gezeigt wurde.

Die ARD hat ein echtes Problem mit ihrer Fußballpräsentation. Einerseits verweist sie auf die gute alte Zeit, als Rudi Michel, Ernst Huberty und Fritz Klein durch bloßes Nennen der Nachnamen von Spielern Berichte sprachen, deren Bilder von in der Regel zwei Kameras aufgenommen wurden. Andererseits weiß sie, dass die Menschen nur von der "guten alten Zeit" reden, dass aber dieses Langweilerbildmaterial niemandem mehr zugemutet werden kann. Die alten Berichte hatten noch den Anspruch, dem bis dahin uninformierten Publikum eine Fernsehzusammenfassung des jeweiligen Spiels zu präsentieren. Penibel wurde - "für die Zuseher unter uns, die noch über einen Schwarzweißfernseher verfügen" - die Trikot-, Hosen- und Stutzenfarben vermerkt, da erfuhr man, wer von rechts nach links spielte, und oft sagte der Reporter: "Die nachfolgende Ecke brachte nichts ein." Man sah zwar schon damals nicht die Kurzfassung eines Fußballspiels, sondern nur seine Kurzinszenierung, aber diese Inszenierung war doch immerhin noch sehr nah am Geschehen, dem Fußball.

So zeigte die ARD bis in die Neunzigerjahre hinein die Bundesliga, bis es weder Markt noch Zuschauer länger aushielten. Erst RTLs Anpiff, später Sat.1 mit ran überführten den Fußballfernsehjournalismus in die Moderne. Sie erzählten einfach Geschichten zum Spieltag: Wie hat eigentlich Frau Beckenbauer das Bayern-Spiel auf der Tribüne erlebt? Die Stammklientel versuchte man mit Hilfe der "Statistikbank" zu halten. Die liefert zwar Informationen, die zum Verständnis eines Fußballspiels keiner braucht, aber sie suggerieren doch solange Fachwissen, bis einem Worte wie Ballbesitz und Chancenverwertung zu den Ohren herauskommen. Sat.1 hatte also nicht nur modernisiert, sondern seine eigenen Innovationen derart intensiv angewendet, bis man sie nicht mehr ertragen konnte.

In diesem Moment kam die ARD zurück. Doch was soll ein strukturell nicht gerade zur Innovation neigender großer Apparat wie die ARD Neues entwickeln? Zurück zu ihrem Heimat-Quatsch im Ernst-Huberty-Format geht genau so wenig wie die Fortsetzung der vor allem von Sat.1 geprägten Boulevardfilmchen rund um ein Bundesligaspiel mit anschließender Nennung des Ergebnisses.

Im Grunde geht nichts mehr, und genau das hat die Sportschau am ersten Spieltag der Fußballbundesliga erneut bewiesen: Was die Bildsprache angeht, wurde liebloses Handwerk gezeigt. Und beim ohnehin viel zu wichtig genommenen Off-Kommentar wurde sich besonders viel zu wichtig genommen. Floskeln über "Sonntagsschüsse", "Hundertprozentige" und das nie fehlende "Quäntchen" wurden mit einem Tremolo hinausgebrüllt, als sei die Sprecherkabine ein emotionalerer Ort als die Südkurve, ja, als wolle die neue alte Sportschau vor allem Fan-Fernsehen sein. Dass das mit Journalismus wenig zu tun hat, wissen die Macher vermutlich selbst. Dass es aber eine einfallslose Annäherung an das Sujet Fußball ist, das doch spätestens bei der WM vor einem Jahr bewiesen hat, wie wichtig es ist, sollte man den Machern vielleicht mal sagen.

Das wird nichts nützen. Die ARD wird die Fußballbundesliga solange verwalten, bis einem Privatsender eine bessere Idee kommt, wie man den Fußball präsentieren kann. Wenn dieser Sender dann an sein Ende gelangt ist, kann die ARD wieder stolz-dämlich die "Heimat des Fußballs" ausrufen.


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