Fussball-Monopoly

Sportplatz Vom Weihnachtsmann zum Knecht Ruprecht ist es oft nur ein kurzer Weg. Ein gutes Jahr brauchte der Kinowelt-Chef Michael Kölmel für diese wundersame ...

Vom Weihnachtsmann zum Knecht Ruprecht ist es oft nur ein kurzer Weg. Ein gutes Jahr brauchte der Kinowelt-Chef Michael Kölmel für diese wundersame Wandlung. 1999 noch galt der gelernte Mathematiker und erfolgreiche Filmrechtehändler als Retter eines guten Dutzend Fußballklubs. Er bewahrte Traditionsvereine wie Fortuna Düsseldorf, Sachsen Leipzig, Rot-Weiß Essen oder Union Berlin vor dem Lizenzentzug. Anderen Klubs wie Borussia Mönchengladbach, Karlsruher SC, Waldhof Mannheim, SSV Ulm, Eintracht Braunschweig, Alemannia Aachen, Carl Zeiss Jena, VfB Leipzig, FC Schweinfurt, 1. FC Magdeburg oder Dynamo Dresden ermöglichten ein- bis zweistellige Millionenbeträge aus Kölmels Tasche die Verpflichtung neuer Spieler. Gegenleistung war die Abtretung der Marketingrechte an die Sportwelt, ein Tochterunternehmen von Kölmels Filmfirma Kinowelt. Der Medienunternehmer spekulierte zum einen auf den mittelfristigen sportlichen Erfolg der Teams, der große Einnahmen durch Übertragungsrechte verspricht. Zum anderen wollte er sich die weitverbreitete Anhängerschaft als potentielle Konsumenten seines im Aufbau befindlichen Film- und Fernsehimperiums sichern. In Düsseldorf, Essen, Leipzig, Berlin und andernorts nahm man gern die offerierten Millionen, die die unmittelbare Notlage linderten. Die weiterreichenden geschäftlichen Konsequenzen hingegen verdrängte man. Nicht die Vereine wären die wirtschaftlichen Nutznießer eines sportlichen Erfolgs, sondern der Vermarkter Sportwelt. Die starke Hand im Verein gehörte Kölmel. Die Verhältnisse bei Hertha BSC oder dem Hamburger Sportverein, wo Kölmels "großer Bruder", der Rechtevermarkter Ufa, groß eingestiegen ist, sind Beleg dafür. Die Ufa bestimmt hier, wer in die Führungsgremien gelangt; bei jeder Entscheidung sind ihre Männer zu konsultieren.

Der Moment des Erwachens kam für einige der Kölmel-Klubs jedoch früher als erwartet. Lange bevor es an das Verteilen des neugewachsenen Bärenfells ging, erinnerte der vermeintliche Gönner seine Partner unsanft an das eingegangene Abhängigkeitsverhältnis. Wenige Tage bevor die Lizenzanträge beim DFB abzugeben waren, weigerte sich Kölmel, zusätzliche Garantieleistungen in Millionenhöhe abzugeben. Den Drittligisten Fortuna Düsseldorf, Sachsen Leipzig, Rot-Weiß Essen und Drittliga-Aufsteiger Magdeburg drohte der Konkurs. Die Sportwelt warf den Klubs vor, mit den bislang erhaltenen Geldern nicht sorgsam gewirtschaftet zu haben. Das Engagement rechne sich nicht, es gebe keine mittelfristige Perspektiven auf Rückzahlung. Plötzlich stand der Retter als Buhmann da. Binnen weniger Tage erschlossen sich einige Vereine andere Quellen. Magdeburger Fans sammelten 750.000 Mark, die Toten Hosen zweigten eine Million für ihre geliebte Düsseldorfer Fortuna ab. Die Stadt Braunschweig sprang als Millionen-Bürge für ihre Eintracht in die Bresche, zwölf Ruhrgebiets-Firmen einigten sich über eine Bürgschaft von 6,1 Millionen Mark für Rot-Weiss Essen.

Kölmel dürfte diese Erpressung gezeigt haben, dass in diesen Klubs noch Potential steckt. Andererseits ist die Drohung seitens der Sportwelt verständlich. Fußballvereine mit Millionenetats werden zu oft nach Stammtischmanier geführt. Persönliche Befindlichkeiten ersetzen Sachverstand. Mit den Kinowelt-Millionen im Rücken glaubte mancher Präsident, so weiter wursteln zu können wie bisher. Einige Vereine konnten sich allerdings nicht aus der plötzlich bedrohlichen Lage befreien. Ohne Lizenz, weil ohne Bürgschaften bleiben Regionalligist Sachsen Leipzig und der Drittliga-Aufsteiger Göttingen 05, der über das Unternehmen Reconsult zum Firmen-Dunstkreis Kölmels zählen soll. Ganz bitter traf es den SSV Ulm: Vor einem Jahr aus der Bundesliga abgestiegen, droht nun nach dem Zweitliga-Abstieg sogar der Konkurs. Diese drei Klubs bilden den Auftakt einer "Reinigungsphase" im unterklassigen Fußball. Kölmels Portfolio lichtet sich. Tradition und weitreichende Anhängerschaft allein reichen für ein Engagement nicht mehr aus. Kölmel, der sich mit einem Filmrechtepaket der Warner Studios verspekulierte, sucht rabiater als noch vor Jahresfrist erwartet, seinen Einsatz in Gewinn umzusetzen.

Umgekehrt zeigt sich, wie fatal sich die Abhängigkeit von einem Geldgeber auswirken kann. Für Berliner Fußballanhänger ist in diesem Zusammenhang irritierend, dass bei Union Berlin, das vor Jahresfrist noch als schuldenfrei galt, plötzlich 18 Millionen Mark Altschulden auftauchen. Deutet sich hier schon wieder ein Ausstieg an?

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