Fußball regiert

Kommentar Griff in den Gebührensack

Als ARD und ZDF mit dem Kirch-Konzern darüber verhandelten, ihm die Ausstrahlungsrechte an den Fußball-Weltmeisterschaften abzukaufen, hat es anscheinend eine zweite unbeleuchtete Verhandlungsarena gegeben.

Kirch hatte die Rechte beim Weltfußballverband FIFA für die Turniere 2002 und 2006 zum Preis von 3,4 Milliarden Mark gekauft, zunächst zusammen mit der Agentur ISL, die mittlerweile in Konkurs gegangen ist. Wie der "Zufall" es wollte, entschied die FIFA später mit einer vermutlich gekauften Stimme Mehrheit, das Turnier 2006 nach Deutschland und nicht nach Südafrika zu geben.

Da das Turnier 2002 in Japan und Südkorea nicht mehr fern ist, ist es für Kirch nun an der Zeit, diese wegen der Zeitverschiebung unattraktiven Rechte weiter zu verkaufen. Gelungen ist ihm das in Europa bisher nur im fußballverrückten Spanien. Selbst in Großbritannien und im Berlusconi-Land Italien, beide ähnlich verrückt wie Spanien, ist es noch nicht zum Abschluss gekommen. Das wäre ein teurer Schatz, auf dem er da sitzen bliebe. Kirch wäre erledigt.

Der Retter heißt Gerhard Schröder. Gemeinsam mit seinen Genossen und Fußball-Lobbyisten Beck und Clement wurde die Trommel gerührt für einen Abschluss mit Kirch. ARD und ZDF ließen sich nicht lange bitten, tief in ihren Fernsehgebührensack zu greifen. Sie können kaum noch zurück, weil sie Angst haben. Während einer Fußball-WM, die nicht auf ihrem Kanal zu sehen wäre, könnten populistische Schröders, Becks und Clements im Verein mit Bild ihre Gebühreneinnahmen und damit ihre Existenz grundsätzlich in Frage stellen. Seit das klar ist, haben sich weitere Merkwürdigkeiten ereignet. Zum Beispiel haben sich Bild und die Telekom im riskanten Internet-Geschäft zusammen getan. Zum Beispiel will Kirch im Sommer eine neue Werbekampagne für sein Bezahlfernsehen Premiere starten, das ihn derzeit jährlich eine Milliarde Mark Verlust kostet. Die wichtigste Werbeidee: Bundesliga-Fußball am Samstag nicht mehr vor 20 Uhr, sondern erst nach 22 Uhr kostenlos zu zeigen. Kirchs defizitärer Sender SAT.1 hat bisher teures Geld an Kirchs Rechteagentur für seine Aufzeichnungen vor 20 Uhr gezahlt, mit kontinuierlich heruntergesendeter Einschaltquote. Das ist betriebswirtschaftlich unsinnig. Darum wird Kirch nun bestimmt sozialdemokratische Politiker finden, die ARD und ZDF auffordern, ihm die Rechte für nach 22 Uhr teuer abzukaufen. Warum nur tut Schröder das alles für Kirch? Ganz einfach: Er möchte 2002 wieder Bundeskanzler werden. Für Kirch ist es angesichts der real existierenden CDU sicher kein aufwendiges Zugeständnis, den publizistischen Begleitschutz zuzusagen. Schröder, der so gern mit "Bild und Glotze" regiert, geht es wie ARD und ZDF: Für 2002 hat er einen Abschluss in der Tasche; für 2006 weniger als eine Option.

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