Eine Art Wunderwaffe überschwemmt den globalen Rüstungsmarkt. Es wächst die Zahl der Staaten, nicht zuletzt in Europa, die sich damit die Arsenale füllen. Bei dieser Art Aufrüstung stören sich verantwortliche Politiker nicht weiter daran, dass durch Kampfdrohnen inzwischen mehr unbeteiligte Zivilisten getötet wurden, als am 11. September 2001 gestorben sind. Ich habe nicht eine unabhängige Studie über die Drohnenkriege in Afghanistan, Pakistan, im Jemen und am Horn von Afrika gelesen, die behauptet, dass diese Waffen irgendeinem strategischen Ziel dienen. Ihr „Erfolg“ wird nur im Body Count ausgedrückt, in der Zahl der getöteten „Anführer mit Al-Qaida-Verbindungen“. Wenn sich ein Sieg am Body Count messen l
y Count messen ließe, hätten die Amerikaner in Vietnam gewonnen.An Untersuchungen zu Recht und Ethik von Drohnenangriffen fehlt es nicht. Im Vorjahr kam ein Report von Juristen der Universitäten Stanford und New York zu dem Schluss, dass diese Attacken in vielen Fällen illegal seien, Zivilisten töteten und militärisch kontraproduktiv ausfielen. Unter den Toten der untersuchten Operationen befanden sich 176 Kinder. Für ein solches Gemetzel würde der Kommandeur einer US-Infanterie-Einheit vor einem Militärgericht landen.Obamas TötungslistenKürzlich ernannte Präsident Obama mit Chuck Hagel und John Brennan zwei Drohnen-Enthusiasten zum neuen Verteidigungsminister bzw. neuen CIA-Chef. Mit anderen Worten, Drohnenkriege sind ein Hit und karrierefördernd, der militärisch-industrielle Komplex leckt sich die Lippen. Falls den gelernten Anwalt Obama irgendwann Bedenken wegen der Rechtmäßigkeit dieser Waffen überkamen, hat er sie überwunden. Doch von Rechtsbrüchen einmal abgesehen – es lässt sich kaum erkennen, dass Drohnen dazu beitragen, Kriege zu gewinnen. Das Töten von Al-Qaida-Kommandeuren führt zum Ersatz durch andere, die auf Rache sinnen. Die ursprüngliche Predator-Drohne war zur Überwachung gedacht, wurde aber für Bombardements umgebaut, um Osama bin Laden zu töten. Als der schließlich aufgespürt war, galten Drohnen als nicht zuverlässig genug. An ihrer Stelle wurden ganz altmodisch Soldaten geschickt.Was das unvermeidliche Töten von Zivilisten angeht, so ist dies nicht einfach ein „Kollateralschaden“, sondern entscheidend für Sieg oder Niederlage. Durch Drohnen lässt sich kein Territorium besetzen oder halten, stattdessen werden Herzen und Köpfe verwüstet. Diese fragwürdige Kriegswaffe treibt einen Gegner nicht in Niederlagen, sondern zur Vergeltung. Dennoch setzt sich Obama offenbar jede Woche hin und geht eine „Tötungsliste“ mit Muslimen durch, die er eliminieren möchte, ohne Gerichtsverfahren, ohne genaue Identifizierung. Es reicht der Hinweis eines zwielichtigen Spions vor Ort.Seit der Drohnenkrieg 2008 ernsthaft begann, wurden viele Taliban- oder Al-Qaida-Kader ausgeschaltet, aber verschwunden sind sie nicht. Die derzeit nachlassende Rekrutierung resultiert aus dem Warten auf den NATO-Abzug. Was sollen dann die ständigen Angriffe?, fragt die pakistanische Regierung, die längst ihre Erlaubnis für den Einsatz von Drohnen auf dem eigenen Territorium zurückgezogen hat.Glamouröser SchwungDer junge jemenitische Autor Ibrahim Mothana protestierte in der New York Times gegen das Blutbad, das Drohnen in seinem Land anrichten, indem sie „Jahre des Fortschritts und der Vertrauensbildung mit den Stämmen“ auslöschen. Die Jemeniten würden nun Al-Qaida-Werbern gegenüber stehen, die ihnen Bilder ins Gesicht hielten, auf denen von Drohnen abgeschlachtete Frauen und Kinder zu sehen seien. Die vermutete Mitgliedschaft der Al-Qaida-Filialen im Jemen soll sich von 2009 bis heute verdreifacht haben. Kaum anders erscheint die Lage in der pakistanischen Provinz Waziristan, die immer wieder mit US-Drohnen beschossen wird, obwohl die dortigen Taliban absolut keine Bedrohung für die USA darstellen.Die heutigen „erwählten Kriege“ spiegeln einen unheilvollen Aspekt der westlichen Demokratie. Regierungen scheinen sich regelrecht danach zu sehnen und ignorieren alle Warnungen, dass fast jeder Feldzug schwer zu beenden ist. Es fasziniert noch immer Margaret Thatchers 1982 gewonnene Schlacht um die Falkland-Inseln. Alle wollen wenigstens einen guten Krieg. In dieser Hinsicht sind Drohnen wie Katzengold. Getrieben vom Druck der Waffenverkäufer, werden Barack Obama oder der britische Premier Cameron mit der Botschaft versehen, mit den Drohnen käme der Krieg der Zukunft: sicher, einfach, sauber, zielgenau. Kein eigener Soldat werde verletzt. Die schmutzige Arbeit „vor Ort“ müssten andere übernehmen.Sollte es wenigstens eine dürftige Rechtmäßigkeit derartiger Operationen geben, müsste ein Aggressor dem Drohnen besitzenden Staat den Krieg erklärt haben. Aber al Qaida ist kein Staat. Genau genommen sind Drohnenangriffe gegen fremdes Gebiet daher nicht nur „erwählte“, sondern auch „erfundene“ Kriege. Wie lange wird es noch dauern, bis die USA feststellen, sie befänden sich „im Krieg“ mit Iran und Syrien? Wann wird es heißen, es sei an der Zeit, Drohnen zu schicken? Wer auf diese Weise das Töten forciert, sollte sich nicht beschweren, wird ihm das mit Selbstmordattentaten vergolten.Drohnen sind relativ billig und lassen sich einfach verbreiten. Elf Staaten hatten diese Waffen Ende 2012 „im Depot“. US-Unternehmen verkaufen sie an NATO-Staaten oder nach Japan, um das Land gegen China aufzurüsten. Die Volksrepublik wiederum hat an der Küste elf Basen für seine Anjian-Drohnen errichtet. Das Pentagon bildet momentan mehr Drohnen-Personal als Piloten aus.Ich habe mich nicht vor der Verbreitung von Kernwaffen gefürchtet, weil ich sie für bloße Anschaffungen aus Prestigegründen hielt. Atomraketen sind so schrecklich, dass selbst Verrückte sie nicht einsetzen. Drohnen sind anders. Als man sie „Lenkflugkörper“ nannte, waren sie noch bis zu einem gewissen Grad durch internationales Recht legitimiert. Unter Obama wurde alles verworfen. Seither lehren die USA der Welt, dass unbemannte Flugkörper eine sich selbst rechtfertigende, legale und effektive Waffe sind. Es gilt die Philosophie: Wie kontraproduktiv eine Drohne strategisch auch sein mag, an der Heimatfront sorgt sie für glamourösen Schwung. Eine größere Bedrohung für den Weltfrieden kann man sich kaum vorstellen.