Die massenhaften Berlin-Bücher haben so selten eine zweite Auflage, daß ein solcher Fall der Erwähnung wert ist. Und in diesem Falle handelt es sich um eine berlinadäquate Kombination aus touristischen Tips und nostalgischen Illustrationen. Berliner Ausflugsorte - gestern und heute. Das Modell ist einfach, aber wirksam: Man nehme alte Postkarten, stelle ihnen Fotos aus der Gegenwart gegenüber und umtexte sie mit ein paar Informationen. Die Texte sind allerdings eher Kurzreferatsprosa ohne Pepp. Was hätte sich zum Beispiel aus der Geschichte des Eierhäuschens machen lassen! Zu einem wundersam surrealen Foto der ehedem Kassenhäuschen fällt da nur ein dröges „Skurriles Halbrund der früheren Kassenhäuschen“ ab. Unter Nutze
tzensgesichtspunkten kann man aber sonst nüscht meckern. Einen hohen Vergnüglichkeitsfaktor liefern vor allem die Illustrationen. Mit sicherem Gespür für Kontraste stellen sie immer wieder das Einst und Jetzt hübsch gegeneinander. Manchmal auch einfach nur interessante Seinerzeitexotik. Alle die prächtigen Namen der alten Ausflugslokale: Kyffhäuser, Loreley, Drachenfels, Neptunshain - der Berliner mußte nicht mühsam an Rhein oder Ostsee, um sich deutschlandmarkig zu amüsieren. Und was ihn erwartete, was er dort suchte, damit warben die Karten ihn an: Ordentlich dichter Trubel!Berliner Ausflüge: Unterwegs zu den schönsten Zielen des alten Berlin" target="_blank">Berliner Ausflüge. Unterwegs zu den schönsten Zielen des alten Berlin. Holger Lehmann. vbb, Berlin 2009, 214 S., 14, 90 €Alte NischenDie immense Kostensteigerung beim Abriss des Lenindenkmals kommentiert er: „Eine Entscheidung ganz im Sinne des Leninismus: Primat der Politik gegenüber der Ökonomie.“ Ansonsten läßt Erhard Weinholz eher nicht erkennen, dass er von Hause aus Ökonom ist. Dafür um so mehr, wie verquer eifersüchtig man nachträglich an der ihrerzeit benörgelten DDR-Hauptstadt hängen kann. Das Ganze wirkt ein wenig wie Nischennostalgie nach Matroschka-Art: DDR, Hauptstadt der DDR, Schwedter Straße, Wohnung. 1989: „Vielleicht verödet die DDR allmählich und in fünfzehn oder zwanzig Jahren haben wir nur noch zehn Millionen Einwohner? Wäre vielleicht gar nicht so schlecht ... und diejenigen, die hierbleiben, würden ... vielleicht zu einer wirklichen Gemeinschaft werden.“ In alledem aber ist das ein bemerkenswertes Zeitgefühl-Dokument eines aufmerksamen Beobachters, bestehend vor allem aus tagebuchartigen Notizen der Jahre zwischen 1984 und 1995, ergänzt immer wieder durch Jetztbeobachtungen und Heutegefühle. 1995: „Berlin-Fotografen bieten sich jetzt tolle Möglichkeiten: Ausblicke, die kurze Zeit gegeben sind, zwischen Abriss und Neubau.“ Man merkt, literarisch prickelt das nicht gerade. Aber es entschädigt allemal durch eine dichte Folge notierter Lückenaufnahmen. Und die dazugepackten, autobiografisch wirkenden Einsamkeits- und Liebeslebensgeschichten fügen sich durchaus in den Kalender vergangener Zustände und Gefühle.Schon vorbei: Berliner Geschichten und Notizen" target="_blank">Schon vorbei. Berliner Geschichten und Notizen. Erhard Weinholz. trafo, Berlin 2009, 190 S., 11,80 €GeschichtswinkelWarum es keinen Kalender mit den hässlichsten Ecken Berlins gebe, grübelte Weinholz 1994. Tja, warum nicht? Auch Michael Bienert, der sonst so ziemlich alles schon zu Berlin gemacht hat, scheint dazu (noch) nicht bereit. Dafür aber hat er ein schönes Bändchen mit dem merkwürdigen Titel Stille Winkel an der Berliner Mauer geschrieben und bebildert, das - milde autobiografisch garniert - ganz unter der Hand zu einem etwas anderen Ausflugsratgeber und insgesamt zu einer Art Geschichtslehrpfad wird. 155 Kilometer Grenzstreifen werden hier in doppelt so viel Stationen wie die des Leidenswegs aufgesucht. Vom Grenzübergang Bornholmer Straße über das Notaufnahmelager Marienfelde zum Checkpoint Charly und dem U-Bahnhof Mohrenstraße über den Invalidenfriedhof und die Bernauer Straße zum Osthafen und dem Naturschutzturm der Deutschen Waldjugend. Gedenk-, Andenkens- und Eigendenkens- oder auch einfach nur inzwischen idyllische Orte. Ein besonderer Lieblingsort unter allen aber ist Fontanes Grab auf dem Französischen Friedhof an der Liesenstraße. Allein schon, weil Bienert hier seinem großen, unvergesslichen Kollegen Heinz Knobloch und dessen Bericht aus DDR-Zeiten in der seligen Wochenpost über einen vertrackten Besuch von Fontanes Grabs ein Denkmal setzt.Stille Winkel an der Berliner Mauer" target="_blank">Stille Winkel an der Berliner Mauer. Michael Bienert. Ellert Richter, Hamburg 2009, 144 S., 12,95 E