Gar nicht lustig

Münkler-Watch Was ist los an unseren Universitäten? Kriegen wir ein neues 1968? Nicht im geringsten
Ausgabe 22/2015
Nicht alle sehnen sich nach den 68ern - sondern wollen lieber gleich kämpfen
Nicht alle sehnen sich nach den 68ern - sondern wollen lieber gleich kämpfen

Foto: Aris Messinis/AFP/Getty Images

Die Aufregung, die das klammheimliche Protokollieren angeblich skandalöser Sätze in Vorlesungen des Berliner Professors Herfried Münkler hervorgerufen hat, war ebenso maßlos wie genussvoll. Die Aufgeregten berauschten sich an der unausgesprochen im Hintergrund stehenden Frage: Was ist los an unseren Universitäten? Kriegen wir ein neues 1968? Damals ging es ja auch mit dem Aufbegehren gegenüber den Professoren los.

Schauen wir zurück zu den Anfängen der Studentenbewegung in der alten Bundesrepublik 1967/68. Und nehmen wir dazu zwei viel zitierte Aussagen von einem der Münkler-Watcher. Seine Antwort auf die Frage „Warum diskutiert ihr nicht mit dem Professor?“ lautet: „Weil wir ihm rhetorisch unterlegen sind.“ Eine solche Antwort wäre 1968 undenkbar gewesen, oder sie hätte brüllendes Gelächter ausgelöst. Einmal waren die Studenten rhetorisch nicht unterlegen: Sie kamen mit anspruchsvollem Abitur von besseren Schulen und hatten es bei den Professoren mit Leuten zu tun, die es nicht gewohnt waren, sich im freien Gespräch jenseits ihres Fachgebiets zu behaupten. Für sie galt immer noch, was Max Weber einst gesagt hatte: Wenn er über Politik sprechen wollte, müsse er dies mit seinem Kohlenhändler tun; mit den Kollegen an der Universität ginge das nicht. Sodann: Wenn damals ein Professor mit ironischen Mätzchen einen Studenten hätte isolieren wollen, wäre ihm der Hörsaal mit geballter Solidarität entgegengetreten. Die Studenten waren sich bei den großen Ideen der Zeit einig.

Die andere Antwort: „Wir müssen anonym wirken, weil wir uns die Berufschancen für später nicht mindern wollen.“ Auch das war für die 68er kein Thema, denn sie hatten es einfach besser. Wer damals studierte, machte mit ziemlicher Sicherheit Examen. Und wer damals Examen hatte, bekam mit absoluter Sicherheit den Arbeitsplatz, den er haben wollte. An den Schulen waren sie bis zum Abitur gezwiebelt worden, wie sich das heutige Schüler kaum noch vorstellen können. Im Berufsleben würde die Schufterei wieder anheben. Die Jahre des Studiums wurden als Jahre der Freiheit erlebt. Auch das trug zur Lust an der Rebellion bei.

Man tobte sich erst auf dem hochschulpolitischen, dann auf dem allgemeinpolitischen Feld aus. Hatte man es sich mit allen Professoren verdorben, musste nun aber an den Studienabschluss denken, dann ließ man sich die Haare schneiden, kaufte sich anständige Klamotten und wechselte die Universität. Die Eltern waren glücklich, die neuen Professoren waren glücklich, und am glücklichen Ende waren es die Studenten auch, die hernach in ihre hometowns zurückkehrten, Lehrer, Kaufleute oder Journalisten wurden, wenn sie nicht in die Praxen oder Unternehmen ihrer Eltern eintraten. Das wilde Leben, das Studenten seit Jahrhunderten in Deutschland geführt hatten, weshalb die vielen kleinen und großen Fürsten darauf geachtet hatten, dass die Universitäten fern von ihren Residenzen untergebracht waren – Jena, nicht Weimar, Ingolstadt, nicht München, Leipzig, nicht Dresden –, war für immer vorbei. Man wurde konservativ. Nicht von ungefähr betrieben die 68er, die 1998 mit Rot-Grün regierten, eine konservative Politik, deren Folgen viele bis heute zu spüren bekommen.

Von den Verhältnissen, wie sie vor 50 Jahren bestanden, können heutige Studenten nicht einmal träumen, so fremd sind sie ihnen. Sie sind nicht schuld daran. Mit der Freiheit im Studium ist es seit langem vorbei. Und Experten behaupten, die Studenten selbst wollten, dass das so sei. Es heißt, sie wollten die Universität als Schule. Ob das stimmt, ist schwer zu überprüfen. Wenn man die Bildungspolitiker im Bundestag reden hört, muss man glauben, diese wollten, dass das so stimmt. Sie haben den Arbeitsmarkt fest im Blick. Die Studenten mehrheitlich auch? Schade.

Der Autor und Journalist Jürgen Busche schreibt in seiner Kolumne Unter der Woche regelmäßig über Politik und Gesellschaft

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