Gar nicht so ungelegen

USA Sollte es ein Amtsenthebungsverfahren gegen Donald Trump geben, bekäme er, was er am liebsten mag: eine Schlammschlacht
Ausgabe 39/2019
Auf demokratischen Anstand verzichtet Donald Trump gern
Auf demokratischen Anstand verzichtet Donald Trump gern

Foto: Drew Angerer/Getty Images

Die Demokraten im US-Kongress leiten erste Schritte zur Amtsenthebung des US-Präsidenten ein. Ein Impeachment ist wohl überfällig. Ob es jedoch wirklich klug ist, gut ein Jahr vor der Präsidentenwahl auf die nebulöse Ukraine-Affäre zu setzen, bei der Donald Trump sein Amt missbraucht haben soll, ist eine völlig andere Frage. Im Weißen Haus ist man gewappnet. Lügen, blockieren und verzögern, Regierungsmitarbeitern Aussageverbote erteilen, Vorladungen missachten, den „Feind“ stets attackieren, per Twitter die Medienthemen setzen. Auf diese Weise hat Trump bislang allem getrotzt. Schwer vorstellbar, warum Enthüllungen über das Telefonat mit dem ukrainischen Staatschef Selenskyj das Spielfeld umbauen sollten. Es ging bei dem Anruf mutmaßlich um den Versuch, mit finanziellem Druck ukrainische Behörden Schmutz suchen zu lassen bei den Kiewer Geschäften von Hunter Biden, dem Sohn von Trumps potenziellem Rivalen Joe Biden.

Hat sich Trump wirklich dazu verstiegen, um die US-Wahlen zu beeinflussen, würde das gesetzliche Normen sprengen, doch bestätigen die Ukraine-Enthüllungen im Wesentlichen, was man weiß: So ist Trump. Auf demokratischen Anstand verzichtet er gern. So hat dieser Präsident die Beschuldigungen überstanden, die Sonderstaatsanwalt Robert Mueller nach seinen Untersuchungen erhob. Vor dem Weißen Haus demonstrieren im Übrigen keine Massen.

Das politische System ist Trump nicht gewachsen. Richard Nixon, Präsident von 1969 bis 1974, scheiterte mit dem Versuch, sich zwischen verfassungsrechtlichen Leitplanken hindurchzulavieren, und musste wegen der Watergate-Affäre zurücktreten. Trump ist anders. Vor der UN-Vollversammlung sagte er gerade, die Zukunft gehöre den Patrioten, was nach einem Überlebensmantra klingt, und die Partei hält zu ihm. Sein autokratisches Getue stört im Stil, aber der Mann liefert und weiß, wie man Macht ausübt. Überdies füttert der trumpistische Mediensektor die Stammwähler. Im Obersten Gerichtshof stellen rechtskonservative Juristen die Mehrheit. Bei einem Amtsenthebungsverfahren müsste der Senat mit seiner republikanischen Mehrheit zu zwei Dritteln gegen Trump stimmen. Nancy Pelosi, die Sprecherin des Repräsentantenhauses, war lange Zeit Impeachment-skeptisch: Der Senat werde das nie tun.

Die Demokraten können sich mit diesem Projekt selber schaden. Von der Parteilinken kamen überzogene Vorwürfe, um Pelosi unter Druck zu setzen. Die Weigerung, ein Amtsenthebungsverfahren anzugehen, sei „ein größerer politischer Skandal“ als der Gesetzesbruch des Präsidenten, schrieb die Kongressabgeordnete Alexandria Ocasio-Cortez. Die Republikaner nahmen das erfreut zur Kenntnis. Vielleicht kommt Trump ein Impeachment gar nicht so ungelegen. Es winkt eine Schlammschlacht, die er gewinnen kann. Und es droht die Gefahr, dass ein erfolgloses oder bis zur Wahl im November 2020 ergebnisoffenes Verfahren Trump beim Siegen hilft. Die Demokraten machen gerade Vorwahlkampf. Die Republikaner nicht. Sie haben ja Trump, der mit der Basis kann und wegen der Ukraine-Sache auf die „Fake News“-Medien losgeht, von denen die Bidens in Schutz genommen würden. Deren „Korruption“ flutet derzeit die US-Medien wie einst Hillary Clintons E-Mail-Affäre. Böse Vorahnungen drängen sich auf, sollte dieser Mann nicht abgewählt werden. Ein Impeachment ist der hochriskante Versuch, die politische Auseinandersetzung mit Trump und den Republikanern abzukürzen.

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