Gas- und Strompreis: Hat die Ampel zu spät gebremst?
Entlastung Endlich stehen die Gas- und Strompreisbremse der Bundesregierung und es gibt sogar zwei Übergewinnsteuern. Warum kommt dann trotzdem keine gute Laune auf?
Nun ist es endlich soweit: Die Bundesregierung hat nach monatelangem Ringen sowohl eine Preisbremse für Strom als auch für Gas beschlossen. Zudem führt sie endlich eine Steuer auf Zufallsgewinne am Strommarkt ein. Es hätte schon früher Klarheit geben müssen, rügt die Ministerpräsidentin Mecklenburg-Vorpommerns, Manuela Schwesig (SPD), insbesondere mit Blick auf die Umsetzung in den Ländern. Und in der Tat: Das Rumgeeiere kostet Milliarden und bringt Unsicherheit, wo sie nicht nötig gewesen wäre. Reiche werden dazu noch begünstigt.
Aber der Reihe nach. Die Bundesregierung hat sich nach der rhetorischen Doppelwumms-Ankündigung bei der Ausgestaltung der diversen Energiepreisbremsen nämlich der beliebten Salamitechnik bedient
ik bedient und Informationen immer nur scheibchenweise geliefert. Über die Wochen ist so aus freudiger Erwartung eines Entlastungspaketes, das seinen Namen verdient, eher ein müdes Achselzucken geworden. Kaum jemand versteht noch, was nun im Bundestag verabschiedet werden soll. Das liegt zum einen daran, dass Ministerien und Regierung tatsächlich überfordert waren, in der Kürze der Zeit der Komplexität der Sache gerecht zu werden. Und zum anderen an dem politischen Versagen, nicht vorausschauend agiert zu haben.Entlastung auch für ReicheSo soll die geplante Gaspreisbremse erst ab dem 1. März 2023 gelten – aber nun immerhin rückwirkend zum 1. Januar gezahlt werden. Verbraucherinnen sowie kleine und mittlere Unternehmen bekommen 80 Prozent ihres Gasverbrauchs des Vorjahres zu einem gedeckelten Bruttopreis von 12 Cent pro Kilowattstunde. Das bedeutet für eine vierköpfige Familie in einer Wohnung mit 100 Quadratmetern, wie die Bundesregierung vorrechnet, einen monatlichen Abschlag von 108 statt 130 Euro. Das ist eine Ersparnis, aber immer noch mehr als die rund 76 Euro pro Monat aus den Vorjahren. Eine sofortige Hilfe für den Dezember in Form einer Abschlagszahlung ging bereits vor einigen Wochen durch den Bundestag.Es gibt also eine spürbare Entlastung, wenn auch keine vollständige Mehrkostenübernahme. Die Regelungen für einen Härtefallfonds sind außerdem noch unklar. Für wen nämlich selbst diese Mehrkosten noch zu viel sind, für den wird es ziemlich eng. Am oberen Ende dagegen gibt es keine Grenze: Auch Topverdiener werden gleichermaßen entlastet. Hier hätte man durch kluge Besteuerung gegenwirken können, hat sich aber dafür entschieden, eine sozial ungerechte Preisbremse zu belassen.Noch irrer wird es bei der Gaspreisbremse für die Industrie, die mit sieben Cent pro Kilowattstunde noch stärker entlastet wird als Privathaushalte. Denn: FDP und Grüne scheinen sich damit durchgesetzt zu haben, dass Unternehmen das subventionierte Gas auch zum Marktpreis weiterverkaufen können. Als wäre das nicht genug, dürfen auch weiterhin Boni an Aktionäre und Manager ausgezahlt werden, obwohl die Subventionierung ja eigentlich der Sicherstellung der Produktion dienen sollte und nicht den Geldbeuteln der Aktionäre. Veronika Grimm, Wirtschaftsweise und Vorsitzende der Gaspreis-Kommission, meint, es brauche die Boni für Manager, weil sonst eine Abwanderung ins Ausland drohe. Sollte der Wirtschaftsstandort Deutschland tatsächlich von diesen Boni abhängen, stünde es doch sehr schlecht ums Land. Vielmehr könnte man meinen, das Schreckgespenst Abwanderung ins Ausland dient nur dazu, die Umverteilung von unten nach oben auch in der Krise weiterhin zu legitimieren.Einem ähnlich ungerechten Mechanismus folgt auch die Strompreisbremse, wenn auch nicht so dramatisch. Sie wird, genauso wie die längst überfällige Übergewinnsteuer, nun aufgrund einer EU-Verordnung auch in Deutschland umgesetzt. Dass es also erst einen europaweiten Vorstoß brauchte, der die Bundesregierung zum Handeln zwingt, während andere Länder bereits seit Monaten vorangegangen sind, ist ein Armutszeugnis für ein Land, dessen Industrie so stark von stabilen Gas- und Strompreisen abhängt. Auch bei der Übergewinnsteuer, die die Regierung lieber Zufallsgewinnsteuer nennt, ließ man sich von Europa treiben und schöpfte die politischen Möglichkeiten nicht aus. Der größte Makel: Es geht nur um Übergewinne am Strommarkt. Und: „Alle Zufallsgewinne vor dem 1. Dezember 2022 verbleiben komplett bei den Unternehmen“, so heißt es aus dem Wirtschaftsministerium. Das bedeutet, Übergewinne seit Beginn des Krieges in der Ukraine werden nicht angetastet. Die Steuer für Stromkonzerne aus dem Hause Habeck ist bis Juni 2023 befristet, kann im Zweifel aber verlängert werden. Die übermäßigen Erlöse, die sich aus dem Strommarktdesign und den hohen Gaspreisen ergeben, werden zu 90 Prozent besteuert. Das ist zu wenig, als dass man davon sprechen könnte, dass Krisenprofiteure zur Kasse gebeten werden.Das Finanzministerium legt immerhin noch eine eigene Zufallsgewinnsteuer für Öl, Gas und Kohle vor. Diese soll alles, was 20 Prozent über dem Durchschnittsgewinn zwischen 2018 und 2021 liegt, mit 33 Prozent besteuern. Gerade die Gewinne der Mineralölindustrie dürften damit endlich angetastet werden, auch für das Jahr 2022. Allerdings orientiert sich Finanzminister Christian Lindner (FDP) mit der Besteuerung lediglich am Mindestmaß der EU. Andere Länder wagen höhere Steuersätze.Warum es überhaupt zwei unterschiedliche Zufallsgewinnsteuern gibt, liegt in der komplizierten Konstellation der Ampelregierung. Wirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) war nach eigenen Aussagen immer ein „Fan“, konnte sich aber nicht durchsetzen. Die jetzigen Vorschläge legen offen, dass es kein gemeinsames Handeln gibt, sondern Ministerien, die um die richtige Krisenbewältigung konkurrieren. Was dabei herauskommt, ist ein Durchwurschteln auf Kosten der Menschen, die nun nicht genau wissen, wann welche Abschlagszahlung übernommen wird, und verunsichert sind, wie es in Zukunft mit den Entlastungen weitergeht.Denn obwohl Habeck oft für seine Offenheit gelobt wird, ist die Krisenkommunikation der Bundesregierung beim Thema Entlastung der Bürger alles andere als gut oder auch nur transparent. Das stille Zaudern von Kanzler Olaf Scholz (SPD) erinnert an seine Vorgängerin Angela Merkel, die sich immer nur dann zu Wort meldete, wenn es nicht mehr anders ging. Das Problem: Die Entlastungspakete werden so kompliziert, dass sie kein Otto-Normal-Verbraucher versteht. Wer weiß schon mit Sicherheit, ob die Wohngeldreform für einen selbst gilt? Immerhin sind ab dem nächsten Jahr zwei Millionen Menschen berechtigt, statt der heutigen 600.000. Habeck kann deshalb zwar großspurig von einer „Brandmauer” gegen die Preissteigerungen sprechen. Bei den Menschen kommt davon in mehrfacher Hinsicht zu wenig an.
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