Die Gas-Krise ist hausgemacht

Meinung Im Winter droht uns eine Versorgungskrise mit Gas. Eine Ursache ist der Krieg in der Ukraine. Aber vieles hat die Politik auch selbst verschuldet. Fridays for Future fordern zu Recht einen Klima-Fonds
Ausgabe 38/2022
Fridays for Future wollen ein 100-Milliarden-Euro-Sondervermögen für das Klima
Fridays for Future wollen ein 100-Milliarden-Euro-Sondervermögen für das Klima

Foto: Sven Simon/Imago

Es war eine gute Nachricht, mit der die Woche begann: Die Gasspeicher sind bereits jetzt zu 90 Prozent gefüllt, bis Anfang November sollen es 95 Prozent sein. Die Freude darüber wird allerdings etwas getrübt. Denn das Gas ist nicht nur teuer erkauft, sondern hat noch andere Folgen: Im Bieterwettstreit um Flüssiggas (LNG) können arme Länder wie Pakistan oder Bangladesch nicht mithalten. Dort wartet man an den LNG-Terminals vergeblich auf Lieferung. Auch hierzulande haben die astronomischen Preise Folgen: Denn die steil steigenden Energiekosten zwingen die weniger Wohlhabenden zur Selbstrationierung durch Sparsamkeit.

Außerdem ist es keineswegs sicher, dass die Gasvorräte den Winter über reichen werden. Die gespeicherte Menge entspricht nur 22 Prozent des Verbrauchs von 2021. Selbst wenn man die Energie aus anderen Quellen sowie eine Senkung des Verbrauchs durch Energie-Einsparungen mit einrechnet, könnte es nur gerade so reichen. Und werden die Speicher dabei vollständig entleert, muss man im nächsten Sommer wieder bei null anfangen. Es führt daher kurzfristig kein Weg daran vorbei, alle verfügbaren Energiereserven zu mobilisieren, auch wenn es sich dabei um schmutzige Energieträger wie Kohle handelt, deren Verwendung die Klimakrise vorantreibt. Die Versorgungssicherheit geht vor.

Fridays for Future fordern einen Klima-Fonds

Die Bundesregierung gibt sich angesichts der Lage hilflos. Allerdings ist diese kein Zufallsprodukt, sondern wurde von ihren Vorgängerinnen hergestellt. Nun wird die Rechnung für das deutsche Geschäftsmodell fällig, das auf einer mit billigem russischen Gas befeuerten Industrie beruhte, der die Politik den Klimaschutz nur in schwachen Dosen zumuten wollte. Und auch die Tatsache, dass eine gestiegene Gasrechnung Millionen von Haushalten überfordert, ist kein Schicksal, sondern vielmehr dem niedrigen Lohnniveau geschuldet, das angeblich notwendig war, um international wettbewerbsfähig zu sein.

Kurzfristig gilt es nun, die Versorgungssicherheit zu gewährleisten. Auf Dauer jedoch müssen Energiewende und Klimaschutz vorangetrieben werden. Die Forderung von Fridays for Future nach einem 100-Milliarden-Euro-Sondervermögen kontert Bundesfinanzminister Christian Lindner (FDP) derzeit noch mit Sparzwängen: Der Wohlstandsverlust aufgrund der gestiegenen Energiepreise könne nicht durch dauerhafte Schulden ausgeglichen werden, twittert er. „Was wir brauchen, ist eine Entlastung in der ganzen Breite: Bürokratieabbau, eine unideologische Energiepolitik und solide Haushaltsführung.“

Es bleibt Lindners Geheimnis, wie Bürokratieabbau die Energierechnung senken soll. Recht hat er aber damit, dass Wohlstandsverluste nicht durch dauerhafte Schulden ausgeglichen werden können. Der Haken an dieser Aussage ist nur: In der Theorie mag sie stimmen, aber mit der konkreten Lage im Land hat sie nichts zu tun. Was immer sich Lindner unter „dauerhaften Schulden“ vorstellen mag: Es ist davon auszugehen, dass die Forderung nach einem Klima-Fonds, der eine festgelegte Summe für einen festgelegten Zweck einfordert, auch darunterfällt. Lindner verweist dabei gerne auf die Schuldenbremse, die er nächstes Jahr wieder in Kraft setzen will. Er muss sich allerdings entscheiden: Entweder sind wir in einer Krise – dann könnte die Bremse weiter ausgesetzt bleiben. Oder es liegt keine Krise vor – dann muss er das den Leuten aber glaubwürdig erklären.

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