Geschlossene Gesellschaft
Gaza-Chronik
1948 - 1967: Beschirmt
Nachdem 1948 ein israelischer Staat gegründet ist, gerät das 360 Quadratkilometer große Gebiet des Gaza-Streifens unter die Schirmherrschaft Ägyptens und wird wie ein Protektorat behandelt. 1956 besetzt die israelische Armee während der Suez-Krise kurzzeitig die Region - bis die Ägypter zurückkehren.
1967 - 2005: Besetzt
Mit dem Sechs-Tage-Krieg verdrängen die Israelis die ägyptische Armee aus dem Gaza-Streifen, okkupieren das Territorium und errichten in den Folgejahren auf 40 Prozent des Gebietes ihre Siedlungen, unter anderem Netzarim und Kfar Darom. Dadurch bleibt die palästinensische Bevölkerung für Jahrzehnte von Stränden, Feldern, Olivenhainen und Straßen abgeschnitten. Der Oslo-Prozess ermöglicht zwar (wie in der Westbank) ab 1994 eine palästinensische Selbstverwaltung - an der israelischen Präsenz ändert sich jedoch nichts.
2005 - 2008: Belagert
Auf Betreiben des damaligen Premiers Ariel Sharon verlässt die israelische Armee im August 2005 den Gaza-Streifen und räumt sämtliche Siedlungen - eine offizielle Übergabe an die Palästinenser gibt es nicht.
Der Gaza-Streifen wird danach von Israel hermetisch abgeriegelt, seiner wirtschaftlichen Lebensadern beraubt und bleibt auf humanitäre Hilfe von außen angewiesen. Der Wahlsieg der Hamas am 25. Januar 2006 und die darauf folgende Regierungsbildung (Premier Ismail Hanniyya) verschärfen die Lage zusätzlich. Als die innerpalästinensischen Konflikte im Mai 2007 eskalieren, übernimmt die Hamas die Kontrolle des Gaza-Streifens, während im Westjordanland Präsident Abbas eine Gegenregierung der Fatah unter dem Premierminister Salam Fayyad beruft. Seither sind die Fronten verhärtet.
Die Hamas-Führer
Ahmad Yasin - Kuss auf die Stirn
Seit 1952 durch einen Unfall querschnittsgelähmt, wird Ahmad Yasin 1955 während des Studiums der islamischen Theologie in Kairo Mitglied der Moslembruderschaft. Nach dem Sechs-Tage-Krieg von 1967 gründet er einen Ableger des ultrareligiösen Bundes in Gaza, der als al-Mudschamma al-Islamii ein Vorläufer der Hamas ist, offiziell bei den israelischen Behörden registriert und von diesen unterstützt wird. PLO-Chef Arafat wirft Yasin daher 1982 "Kooperation mit den Zionisten" vor.
Erst als der Scheich mit den Qassam-Brigaden Ende der achtziger Jahre den bewaffneten Arm der Hamas gründet, ändert sich der Verhältnis. Nun wird plötzlich Arafat von Yasin wegen der Verhandlungen mit Israel bekämpft, die 1994 zur palästinensischen Autonomie führen. Eine Versöhnung gibt es erst am 27. Januar 1998, als der Führer der PLO den geistigen Führer von Hamas öffentlich auf die Stirn küsst.
Am 22. Mai 2004 wird der Scheich bei einem gezielten Angriff durch die israelische Luftwaffe (Operation Stabwechsel) getötet.
Chalid Maschal - Gift in Amman
Geboren 1955 in Ramallah, lebt Maschal bis zum Golfkrieg 1991 in Kuwait und promoviert an der dortigen Universität als Doktor der Physik. Anfang der neunziger Jahre zum engeren Führungszirkel bei Hamas aufgestiegen, wird er 1996 deren Vorsitzender und Sprecher. Am 25. September 1997 überlebt Maschal in Jordanien einen Giftanschlag des israelischen Geheimdienstes Mossad nur, weil rechtzeitig ein Gegengift verfügbar ist.
Maschal meidet jeden Aufenthalt in den palästinensischen Autonomiegebieten und entscheidet sich für ein Exil in Damaskus. An seiner Funktion des politischen Führers von Hamas änderte das freilich nichts. Maschal billigte im Februar 2005 eine Waffenruhe mit Israel, die Attentate bis auf weiteres ausschließt. Nach einem israelischen Angriff auf ein Wohngebiet im Gaza-Streifen (24 Tote) wird der Waffenstillstand am 8. November 2006 für beendet erklärt.
Am 22. Mai 2004, als Scheich Yasin getötet wird, lebt Maschal bereits im syrischen Exil.
Ismail Haniyya - Dekan in Gaza
Nach einem Literaturstudium an der Islamischen Universität von Gaza-Stadt schließt sich Haniyya 1987 der ersten Intifada an, wird 1989 von einem israelischen Gericht zu drei Jahren Haft verurteilt und im Südlibanon interniert. Nach seiner Rückkehr wird er 1993 zum Dekan der Philosophischen Fakultät an der Universität von Gaza berufen.
Als Bürochef von Scheich Yasin beginnt ab 1997 die Zeit der engen Bindung an Hamas, auch wenn Haniyya stets Pragmatiker bleibt, der nach Koexistenz mit der PLO sucht. Nach dem Wahlsieg vom Januar 2006 wird er von Präsident Abbas zum Premierminister ernannt. Haniyya erklärt daraufhin, er sei zur Anerkennung Israels bereit, gäbe es einen Rückzug auf die Grenzen von 1967. Nach dem versuchten Fatah-Putsch gegen die Hamas-Regierung im Mai 2007 wird Haniyya durch Mahmud Abbas als Premier abgesetzt, hält aber die politische Macht im Gaza-Streifen.
Am 22. Mai 2004 überlebt Haniyya als Begleiter von Scheich Yasin das Attentat der israelische Luftwaffe.
Gib mir deinen Esel
Seit Israel eine Wirtschaftsblockade gegen den Gaza-Streifen verhängt hat und damit auch die Benzinversorgung stark eingeschränkt ist, haben sich Esel enorm verteuert. Teilweise um bis zu 60 Prozent seit August 2005, den Tagen des Abzugs der Armee und Siedler aus Israel. Die Höchstpreise schwanken je nach Alter der Arbeitstiere und können derzeit 800 Dollar überschreiten. "Gib mir deinen Esel, und ich gebe dir mein altes Auto", machen Kleinunternehmer ihr Angebot. Wie der Bauer Saber Dschabbur, der seinen Wagen verkauft, um mit dem Eselskarren Gurken, Zwiebeln und anderes Gemüse aus den Markt bringen zu können.
Problematisch für die Umsteiger ins vorindustrielle Zeitalter ist die mit der Blockade gleichfalls verknappte Versorgung mit Hafer und Mais. Man tröstet sich damit, dass die Esel als sehr genügsame Tiere gelten, die selbst dann haushalten, wenn sie ausreichend versorgt werden. Freilich gilt die Blockade nicht nur Benzin - sie trifft alle wichtigen Versorgungsgüter. Allein 320 Betriebe, die Keramik, Ziegel und Zement fertigen, haben aufgeben müssen, da seit Mitte 2006 kein Baumaterial mehr nach Gaza gelangt. Und für die Krankenpflege nötige Medikamente lassen sich nicht wie Autos ersetzen.
Ein Sprecher des Instituts für psychische Gesundheit in Gaza-City warnt vor den Folgen des Embargos für die Gesundheit der Menschen: er spricht über Kranke, die wegen fehlender Medikamente und unzureichender Behandlungsmöglichkeiten im Ausland versorgt werden müssten, aber über den einzigen, noch geöffneten Grenzübergang (Rafah) nicht ausreisen dürfen. Die Israelis erteilen keine Genehmigung, auch nicht für die Operation in einem ägyptischen oder jordanischen Hospital. Das zitierte Institut hebt in einer Presseerklärung vom Dezember 2007 hervor, 30 Patienten seien zuletzt wegen einer verweigerten Verlegung ins arabische Ausland verstorben. Was nützt der Tausch Auto gegen Esel, wen es an allem fehlt?
Palästinensische Parlamentswahlen
am 25. Januar 2006
Quelle: Konrad-Adenauer-Stiftung (2)
Parlamentswahlen von 2006 im Gaza-Streifen
Direkter Vergleich Fatah - Hamas
Fatah
Hamas
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