Gedenken für Antonescu

Rumänien Die Verehrung des einstigen Militärdiktators ist so makaber wie parteiübergreifend

Eine Verschwörung von Juden, Ungarn, Roma und allen, die keine "reinen" Rumänen sind, hat Vadim Tudor, einst Hofpoet Nicolae Ceausescus, zur latenten Gefahr für die Nation erklärt. Wenn Chauvinismus und Antisemitismus in Rumänien vor allem eine Adresse haben, so die von Tudor, der mit seiner Partei Großrumänien (Romania Mare, PRM) momentan ein Fünftel der Parlamentsmandate hält. Bei der Präsidentschaftswahl 2000 fielen ihm sogar 27,5 Prozent der Stimmen zu. Tudor hatte bei seiner Kampagne zuvor gezielt auf ideologische Muster aus der Zeit der Diktatur Ion Antonescus während des Zweiten Weltkriegs zurückgegriffen. Unter dessen militärfaschistischem und rassistischem Regime fanden über 400.000 Juden sowie 30.000 Roma in Konzentrationslagern und bei Pogromen den Tod.
Ganz in der Diktion dieser Ära treibt heute Dumitru Dragomir, Mitglied in der PRM-Fraktion der Nationalversammlung, die antisemitische Hysterie auf die Spitze, wenn er öffentlich verkündet, "Juden zu Seife" verarbeiten zu wollen. Solchen Ausfällen begegnen Medien, die Kirchen, aber auch die Regierung (von einem Minderheitskabinett der Partei der Sozialen Demokratie/PDSR gebildet, das von der Liberalen Partei/PNL und dem Verband der Ungarn Rumäniens/ UDMR toleriert wird) auffallend zurückhaltend. Während rechtsextreme Hetzblätter wie Europa oder Gazeta de Vest die Begleitmusik zu den antijüdischen Tönen eines Tudor oder Dragomir liefern, lässt sich die Grundstimmung im Lande daran erkennen, dass jüdische Friedhöfe geschändet werden und es 30 Prozent der bei einer Umfrage interviewten Rumänen als unannehmbar bezeichneten, neben jüdischen Familien zu wohnen oder mit jüdischen Kollegen zu arbeiten.
Für diesen antisemitisch gefärbten Chauvinismus lässt sich eine frappierende Kontinuität von Antonescu über Ceausescu bis in die Gegenwart erkennen. Ab Ende der sechziger Jahre hatte sich die Staatspartei RKP (Rumänische Kommunistische Partei) als wahre Erbin der rumänischen, eben auch antijüdischen Nationalbewegung geriert. Wenige Jahre später - noch zu Zeiten Ceausescus - konnte erstmals in der Zeitschrift Saptuma, die seinerzeit auch Texte von Vadim Tudor publizierte, der Holocaust bestritten werden. Nach 1990 war das Bemühen offenkundig, der Figur Antonescus eine Art von Absolution zu erteilen. Ein Teil der Presse stilisierte den ehemaligen Militärdiktator zum "antibolschewistischen Helden" - über alle politischen Lager hinweg widmete ihm 1991 die Bukarester Nationalversammlung eine Gedenkminute. Lediglich die Fraktion der Ungarn-Rumänen verweigerte sich unter Protest der makabren Prozedur. Sorgte schon dieser Vorgang international für Unbehagen, kam es zu einer vehementen Kritik der EU, als 1993 damit begonnen wurde, Denkmäler für Antonescu aufzustellen und Straßen nach ihm zu benennen.
Neben der Großrumänien-Partei haben sich inzwischen auch andere neofaschistische Bewegungen und Parteien etabliert. Die im Februar 2000 vom ehemaligen Regierungschef Radu Vasile gegründete Rumänische Volkspartei (PPR) integrierte die Partei der Nationalen Rechten. Nach dem Sturz Ceausescus von Radu Sorescu gegründet, verlangt sie den "ethnokratischen Staat" und den Ausschluss ethnischer Minderheiten. Nicht weniger radikal und von völkischen Ideen getrieben, gibt sich Bogdan George Radulesco, Begründer des rechtskonservativen Klubs Acolade in Bukarest. Er rief 1994 die Neue Rechte ins Leben, die enge Kontakte zum Kreis um Alain de Benoist (*) in Frankreich unterhält. Zudem entstanden nach 1990 in nicht geringer Zahl National-Bewegungen, von denen sich einige offen zum Erbe der faschistischen Eisernen Garde - verantwortlich für Pogrome im jüdischen Viertel von Bukarest 1941- bekennen. Seit Jahren organisieren die sogenannten Legionäre des Erzengels Michael Treffen, bei denen die historische Folie nationalistischer Politik unübersehbar ist. Begangen werden dann unter anderem die Jahrestage der Pogrome gegen jüdische Studenten in Bukarest.

(*) Französischer Publizist und Kopf der Nouvelle Droite, einer theorieorientierten, neofaschistischen Bewegung, die mit biologischen Determinismen und einer "Kulturrevolution von Rechts" argumentiert.


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