Gedruckte Sehnsucht

Magazin "Landlust" Ursprünglich sollte das Magazin "Landlust" Bäuerinnen glücklich machen. Doch nun entdeckten Städter die Zeitschrift - und ihre alte Sehnsucht nach dem einfachen Leben

Das Magazin "Landlust" war für die moderne Bauersfrau gedacht. So hatte es sich jedenfalls der Landwirtschaftsverlag Münster-Hiltrup vorgestellt, als er vor zwei Jahren "Die schönsten Seiten des Landlebens" herausbrachte. Rezepte wie von Muttern, Nähkästchengeplauder, Strickanleitungen und Porträts seltener Haustierrassen - es sollte das weibliche Pendant zum Landwirt-Fachblatt "Top-Agrar" sein.

Doch der Verlag hatte nicht mit den Städtern und ihrer Sehnsucht nach dem so genannten einfachen Leben gerechnet. Die Auflage wuchs wie ein Kalb, das nur Kraftfutter bekommt. Inzwischen verkauft man 446.681 Exemplare, Landlust spielt also ohne große Anstrengung in einer Liga mit Schöner Wohnen oder Brigitte Woman und auf den Medienseiten liest man von der "erstaunlichen" Erfolgsgeschichte.

Die großen Fragen drehen sich hier ums Wohnen, Kochen, Handwerken und Pflanzen

Erstaunlich ist jedoch vor allem die Verwunderung über den Erfolg. Wer sich mit der aktuellen Ausgabe in eine landferne Umgebung begibt, begreift schnell die Anziehungskraft dieser Magazin-Gegenwelt. Zum Beispiel in der Berliner U-Bahn: Während man von Stockenten und Lichtkeimern liest, von der Kunst des Kräuterräucherns und Zudeldatschenstrickens, und Fotos von Raureif, Hyazinthen und Lenzrosen betrachtet, verwandeln sich Straßenzeitungs-Verkäufer, Touristen und Schlagzeilen auf dem U-Bahn-Fernseher selbst in eine unwirkliche Außenwelt. Die großen Fragen drehen sich hier ums Wohnen, Kochen, Handwerken und Pflanzen.

Es kann passieren, dass man auf dem Nachhauseweg plötzlich Zutaten für "Rosenkohl mit Knusperkruste" kauft und versucht ist, die Zeitschrift einem gestressten Mitstädter in die Hand zu drücken: Hier, träum dich doch mal aufs Land. Diese Lust auf ein Leben fern von Lärm, Hektik und Gestank ist nun nicht neu. Es gibt sie spätestens seitdem die Industrialisierung die Städte zu Molochen anwachsen ließ.

Erstaunlich allerdings, dass in Deutschland bisher noch niemand diese Regung für ein Zeitschriftenprojekt zu nutzen wusste - zumal in Großbritannien Magazine wie "Country Life" schon seit Jahrzehnten erfolgreich sind. Und selbst hierzulande hätte es durchaus Vorbilder gegeben, wie man einen Sehnsuchtsraum publizistisch erfolgreich behandeln kann: Die Meeres-Zeitschrift mare macht seit 1997 nichts anderes. Nun hat ausgerechnet ein Landwirtschafts-Fachverlag geschafft, wovon Medienstrategen oft nur träumen: 162 Seiten gedruckte Sehnsucht.

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