Gehabe eines Musterschülers

Kommentar Schäuble und der Präventivkrieg

"Union fordert Debatte über Erstschläge", lautete vorigen Freitag eine Meldung über eine Bundestagsdebatte. In der Tat: Wolfgang Schäuble wirft der Bundesregierung vor, sie halte noch immer den Jubel über Präsident Bushs Absicht, einen Präventivkrieg gegen den Irak zu führen, zurück. Wir erleben ein seltsames, trauriges und bekanntes Schauspiel. Seltsam ist die Ungereimtheit der Union, der Regierung mit einer Hand mangelnde Nibelungentreue den USA gegenüber vorzuwerfen, mit der andern jedoch die Behauptung zu streuen - man kann sie fast täglich in der FAZ lesen -, die Regierung sei zu dieser Treue allemal bereit und breche insofern ihr Wahlversprechen.

Traurig ist, dass Schäuble und andere dem Irak-Krieg so gleichgültig entgegensehen. Es würde Tote geben, und da das Grundgesetz Präventivkriege verbietet, würde gelten: "Soldaten sind Mörder", aber egal; Hauptsache, man kann die Regierung in die Enge treiben. Denn im Februar sind schon wieder Landtagswahlen. Zugleich erkennen wir die Musterschüler-, die "Pflichterfüllungs"-Allüren, die sich als Blutspur durch Teile der deutschen Geschichte ziehen: "Vormacht befiehl, wir folgen", scheint unbesehen immer dann zu gelten, wenn die USA eine neue Doktrin verkündet haben.

In der Sache hat Schäuble nichts zu bieten. "Mit den Zweitschlag schützen Sie unsere Bevölkerung nicht mehr", tönt er, um sein Unterwerfungs-Begehren wie ein Argument aussehen zu lassen. Wahr ist, dass man einem Dr. No, wie er von James Bond gejagt wurde, und ähnlichen in Höhlen, unter dem Meer oder im Wolkenkuckucksheim hausenden Terroristen nicht mit der nachträglichen Zerstörung ihres Staates drohen kann, aus dem einfachen Grund, dass sie keinen haben. Aber Saddam Hussein hat einen Staat, und man darf auch nicht vergessen: Die Idee, es könne notwendig werden, einem Angriff der Maus auf den Elefanten, des Irak auf die USA zuvorzukommen, ist schlicht geisteskrank.

Für die PDS hat Petra Pau dem Unionspolitiker widersprochen. Schäuble zeige nun sein wahres Gesicht. Diese Partei ist auch mit nur zwei Abgeordneten eine bessere Opposition als Union und FDP zusammen. Freilich gab es bis vor kurzem strukturelle Ähnlichkeiten zwischen der Politik der Genossen und derjenigen der Union: In einer fiktiven Propagandawelt der PDS unterwarf sich Gerhard Schröder pausenlos und zunehmend den USA, mochte sich auch das Klima zwischen Berlin und Washington dem Gefrierpunkt nähern; dabei war man offenbar mit Leuten wie Schäuble einig, dass Widerstand gegen die USA ohnehin zwecklos sei; es gab also keinen Grund, der Regierung den Rücken zu stärken. Gabi Zimmer nimmt jedoch seit dem Parteitag in Gera eine andere Haltung ein. Sie wertete Schröders Protest gegen den Irakkrieg als Erfolg der PDS. Er habe dem Druck von links nachgegeben. Sie legt jetzt, statt die Regierung pauschal zu verleumden, den Finger auf konkrete wunde Punkte, zum Beispiel dass Deutschland als US-Aufmarschgebiet benutzt werden könnte.

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Geschrieben von

Michael Jäger

Redakteur „Politik“ (Freier Mitarbeiter)

Michael Jäger studierte Politikwissenschaft und Germanistik. Er war wissenschaftlicher Tutor im Psychologischen Institut der Freien Universität Berlin, wo er bei Klaus Holzkamp promovierte. In den 1980er Jahren hatte er Lehraufträge u.a. für poststrukturalistische Philosophie an der Universität Innsbruck inne. Freier Mitarbeiter und Redaktionsmitglied beim Freitag ist er seit dessen Gründung 1990. 1992 wurde er erster Redaktionsleiter der Wochenzeitung und von 2001 bis 2004 Betreuer, Mitherausgeber und Lektor der Edition Freitag. Er beschäftigt sich mit Politik, Ökonomie, Ökologie, schreibt aber auch gern über Musik.

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