Es ist noch gar nicht so lange her, dass der Buchstabe X für eine Generation stand, die mit sich und der Gesellschaft nichts anzufangen wusste. Seit xXx das Schriftzeichen jedoch in dreifacher Form zum Filmtitel erhob, ist der orientierungslosen Jugend wieder ein Lebensziel vorgegeben: Fun, Fun, Fun! Auf Verweigerungshaltung wurde dabei nicht gänzlich verzichtet. Vin Diesel, der mit diesem Film seinen Durchbruch als zeitgemäßer Actionheld schaffte, gab als Xander Cage eine Art Anti-James-Bond: Den Geheimagent im Dienste einer Gegenkultur, die den Nervenkitzel von illegalen Autorennen und halsbrecherischen Motocrossfahrten schätzt, und solchen Extremsport hier plötzlich als staatstragend veredelt sah.
Als sei ein dreifaches X noch nicht Spektakel genug, kommt die Fortsetzung mit einer hochgestellten Zwei als weitere Potenzierung daher. Kein Wunder, dass solche Anstrengungen Opfer kosten. Eines der ersten ist Vin Diesel, der diesmal nicht zur Verfügung stand, weil er sein Rollenfach erweitern wollte. Ob ihm das mit Der Babynator gelang, darf getrost bezweifelt werden. Gleichwohl erstaunt die Häme, mit der man seine Absage hier quittiert. Die Szene, in der ein NSA-Boss (Samuel L. Jackson) über die Rekrutierung eines neuen Triple-X-Agenten nachdenkt, klingt, als hätten die Überlegungen der enttäuschten Filmproduzenten ihren Weg ins Drehbuch gefunden. Cage sei eigentlich nie der richtige gewesen, heißt es da. Nicht hart genug. Für die neue Aufgabe brauche man einen richtigen Kerl. Einen mit "Attitude", also mit der richtigen Haltung oder Einstellung. Dann folgt ein Schnitt und wir schauen ins das Gesicht von Darius Stone (Ice Cube).
Lassen wir offen, ob das harte Urteil über Diesel gerechtfertigt ist. Fest steht, dass die Fortsetzung sich tatsächlich für eine andere Haltung entschieden hat. Der erste Teil setzte auf die waghalsigen Lifestylevergnügen der Extremsportszene, der zweite baut auf eine grimmige Gettostimmung. Dazu passt der schwarze Hauptdarsteller Ice Cube, der seine ersten Schritte im Showbiz als Rapper von N.W.A. (Niggers With Attitude) machte. Dazu passt, dass der Film nicht in exotische Weltgegenden flieht, in denen sich besonders gut Snowboarden lässt, sondern zu Hause bleibt. Was er dort findet, ist das Elend der großen Politik und den Kampf, den Amerika mit sich selbst ausficht: Auf der einen Seite steht ein Präsident (Peter Strauss), der der wachsenden Bedrohung des Friedens durch höhere Sozialausgaben Herr zu werden versucht. Auf der anderen ein irre schurkischer Verteidigungsminister (Willem Dafoe), der mit einem Putsch das Primat des Militärischen gewährleisten will.
Stone kommt der ganzen Sache auf die Spur, indem er sich bei einem politischen Galaempfang direkt neben den Verteidigungsminister stellt: Der hat offenbar keinerlei Skrupel, seinen Coup in aller Öffentlichkeit auszuplaudern. Die Szene ist einigermaßen hirnrissig, und das gilt vielleicht generell für die hier präsentierte Verschwörungstheorie. Ein plausibler Politthriller sieht anders aus. Zu allem Überfluss lässt es Regisseur Lee Tamahori (unter anderem für den Bond-Film Stirb´ an einem andern Tag - Die Another Day verantwortlich) auch bei der Gestaltung seiner Actionszenen an Sorgfalt vermissen.
Andererseits ist xXx2 nicht der einzige Film der jüngsten Zeit, der Standards unterschreitet. In Hollywood ist es längst ein Konzept, Trash als Premiumprodukt zu verkaufen. Hier bekommt man immerhin Trash auf hohem Niveau. Vielleicht sogar mit System. Jedenfalls hat die teilweise recht rüde Dramaturgie eine inhaltliche Entsprechung in der unverhohlenen Wut gegen neokonservative Positionen, der man freien Lauf lässt - ohne sich darum zu scheren, ob das nun undifferenziert ist oder nicht. Vielleicht zeichnet xXx2 damit auch einen Wandel nach, den die Gegenkultur seit dem ersten Teil von xXx durchlaufen hat. Knochenbrecherischer Sport ist out. Fun Fun Fun liegt jetzt wieder in der derb politischen Dissidenz.
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