Geheimer Drahtzieher

Pressefreiheit Im Skandal um die Verantwortung für die Ermittlungen gegen netzpolitik.org geht eines ganz unter: Das eigentliche Problem ist der Chef des Verfassungsschutzes
Ausgabe 32/2015
Längst nicht mehr tragbar: Verfassungsschutzpräsident Hans-Georg Maaßen
Längst nicht mehr tragbar: Verfassungsschutzpräsident Hans-Georg Maaßen

Foto: Metodi Popow/Imago

Das Schmierenstück um die Landesverratsvorwürfe gegen die Blogger von netzpolitik.org hat ein erstes politisches Opfer gefordert. Generalbundesanwalt Harald Range ist von Justizminister Heiko Maas in den Ruhestand versetzt worden. Zu Recht, denn Range hat mit dem Ermittlungsverfahren gegen die Journalisten gezeigt, dass er im Zweifel bereit ist, Grundrechte einer vermeintlichen Staatsräson unterzuordnen.

Konsequenterweise müsste nun aber auch der andere aus dem Amt befördert werden. Insbesondere ein Beamter ist spätestens jetzt untragbar geworden: Verfassungsschutzpräsident Hans-Georg Maaßen. Er hat die Ermittlungen mit seinen zweifelhaften Strafanzeigen und Gutachten erst ausgelöst. Verwundern dürfte dies jedoch niemanden.

Bereits vor einigen Monaten hatte Maaßen davor gewarnt, dass die anhaltende Kritik von den Medien und Teilen der Politik einen Nachrichtendienst schwächen würden. Geschwächte Dienste jedoch, drohte der Verfassungsschutzchef ganz unverhohlen, könnten nicht in dem Maße zur Sicherheit in Deutschland beitragen, wie es notwendig ist.

In Maaßens Staatsverständnis muss ein Nachrichtendienst vor allem ein Geheimdienst sein. Eine Behörde also, die ihre Arbeit im Dunklen vollzieht und bei der ein kritischer Blick von Abgeordneten und Öffentlichkeit eher stört. Seine Ankündigung bei der Amtseinführung vor fast drei Jahren, das „große Schiff Verfassungsschutz“ nach der NSU-Pleite wieder „auf den richtigen Kurs“ zu bringen, hat Maaßen dann auch auf seine Art umgesetzt: Das massenhafte Vernichten von Akten nach dem Auffliegen des NSU ist behördenintern folgenlos geblieben, das Versagen der Beamten des Rechtsextremismus-Referats ebenso, sieht man einmal von der Beförderung einiger dieser Mitarbeiter ab. Nach wie vor speist sein Bundesamt – geduldet vom vorgesetzten Bundesinnenminister – Ermittler und Parlamentarier mit lapidaren Auskünften ab, wenn es um Informationen über den NSU oder die Ausspähung von Bundesbürgern durch US- und einheimische Dienste geht.

Es soll nur jetzt niemand sagen, man habe nicht gewusst, wen die Bundesregierung da 2012 an die Spitze des Verfassungsschutzes gesetzt hat. Hans-Georg Maaßen galt schon damals als Technokrat und Aktenhengst, als ein ebenso intelligenter wie eiskalter Vollstrecker von Recht und Gesetz. Ein deutscher Musterbeamter.

Kleine Erinnerung gefällig? 2002 war Maaßen als Referatsleiter im Innenministerium zuständig für Ausländerrecht. Da bekam er die Akte des von den USA ein Jahr zuvor unschuldig nach Guantánamo verschleppten Murat Kurnaz auf den Tisch. Die Bundesregierung wollte eine Rechtsauskunft zu der Frage, ob Kurnaz bei einer möglichen Freilassung wieder in die Bundesrepublik Deutschland einreisen dürfe. Nein, beschied Maaßen. Schließlich sei Kurnaz’ Aufenthaltsgenehmigung erloschen, weil er sich „länger als sechs Monate im Ausland“ aufgehalten habe. Noch 2012 verteidigte er seine zynische Rechtsinterpretation (der übrigens das Bremer Verwaltungsgericht widersprach): Ein vergleichbarer Fall wäre heute „genauso rechtlich zu bewerten wie damals.“

In kalten und heißen Kriegen mögen manche Regierungen Hardliner wie Maaßen brauchen, die kein Problem damit haben, über Grundrechte hinwegzugehen. Doch wir befinden uns nicht im Krieg. Und so einen Verfassungsschutzchef brauchen wir schon gar nicht.

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