Gelb kommt weg

Spanien Der Prozess gegen die Anführer der katalanischen „Rebellion“ hat begonnen
Ausgabe 07/2019
Katalanische Separatisten im Februar in Barcelona
Katalanische Separatisten im Februar in Barcelona

Foto: Matthias Oesterle/Imago/ZUMA Press

Die juristische Abrechnung mit dem katalanischen Unabhängigkeitsprojekt tritt in ihre letzte Phase, der 12. Februar war der erste Verhandlungstag vor dem Obersten Gericht (Tribunal Supremo, TS) in Madrid. Bis zur Urteilsverkündung werden mindestens drei Monate vergehen.

Die Auswirkungen dieses Mammutprozesses auf das politische Klima in Spanien verschärfen sich täglich. Gemeinsam mit der rechtsextremen VOX blasen der Partido Popular (PP) und Ciudadanos zum Sturm auf die sozialistische Regierung unter Pedro Sánchez – ihr werfen sie getroffene Begnadigungsentscheidungen vor sowie, ohne Beweis, Einmischung in das Strafverfahren.

Die Regierung verweist mantraartig auf die Unabhängigkeit der Justiz, derweil immer mehr Minister Zweifel an der Anklage wegen „Rebellion“ äußern. Versuche, das Strafverfahren von der Lösung des Katalonienproblems zu trennen, waren bisher erfolglos: Die katalanische Regierung wertet die bisherigen Gespräche als Beschwichtigungstaktik. Sie fordert von Sánchez’ Regierung, in das Verfahren einzugreifen. Einziges akzeptables Ergebnis: Freispruch aller Angeklagten.

Die Rechtsparteien dagegen werfen der Regierung schon jetzt Hochverrat vor, sie fordern sofortige Neuwahlen und taten das am vergangenen Wochenende mit einer großen Demonstration in Madrid kund. In diesem Fall stünden die Chancen für einen Sieg der Rechten im Bündnis mit der extremen Rechten, wie in Andalusien, nicht schlecht. Die katalanischen Unabhängigkeitsparteien wirken paradoxerweise an dieser Entwicklung mit: Ihre Abgeordneten im Madrider Parlament hatten im Juni 2018 beim Misstrauensvotum gegen Mariano Rajoy (PP) zwar der sozialistischen Minderheitsegierung mit an die Macht verholfen, verweigern dieser aber jetzt die Unterstützung für die Verabschiedung des Haushalts, solange sie nicht das Recht Kataloniens auf Selbstbestimmung anerkennt. Ohne Haushalt sind die Tage der Regierung gezählt.

Aber zurück zum Prozess in Madrid: Im spanischen Rechtssystem hat die Regierung tatsächlich gewisse Einflussmöglichkeiten. Der Juristische Dienst des Staates wirkt im Prozess mit und hat die Anklage inzwischen abgemildert: Während die Staatsanwaltschaft auf „Rebellion“ besteht und für bis zu 25 Jahre Haft plädiert, gibt sich der Rechtsvertreter des Staates mit „Aufruhr“ und maximal zwölf Jahren Haft zufrieden. Die Abmilderung findet die katalanische Regierung lächerlich – nachvollziehbar, haben doch mehr als 300 Verfassungsrechtler in einem Manifest das Vorliegen sowohl eines Staatsstreichs als auch von Aufruhr verneint.

Spezialbus mit Einzelzellen

Die zwölf Angeklagten wie Ex-Parlamentspräsidentin Carme Forcadell (der Freitag 1/2019) und Aktivist Jordi Sánchez wurden derweil bei Nacht und Nebel in einem Spezialbus für Schwerkriminelle mit Einzelzellen von Katalonien nach Madrid verlegt, begleitet von Spott, Musik sowie Gelächter, was ein Polizist der Guardia Civil filmte und als Video ins Netz stellte. Das Gericht lehnte es erneut ab, die Angeklagten aus der Untersuchungshaft zu entlassen, um ihnen derartige Demütigungen während des täglichen Transports zwischen Gefängnis und Gericht zu ersparen. Im Gefängnis angekommen, wurden alle gelben Kleidungsstücke konfisziert, ebenso Familienfotos, auf denen Angehörige mit der gelben Schleife, dem Symbol der katalanischen Unabhängigkeitsbewegung, zu sehen waren.

Die von Anklage und Verteidigung benannten Zeugen, 80 Prozent Polizisten, hat das Oberste Gericht weitgehend zugelassen. An internationalen Beobachtern und Sachverständigen, wie sie etwa Amnesty International fordert, sowie von der UNO bestellten Berichterstattern hat das Gericht dagegen keinen Bedarf. Stattdessen ließ es die lückenlose Live-Übertragung des Prozesses zu: jeder Zuschauer ein Beobachter. Es wäre spitzfindig, hier auf den Unterschied zwischen Anwesenheit im Gerichtssaal und einer Fernsehübertragung mit allen Manipulationsmöglichkeiten und Einschränkungen durch Kameraführung oder Fokussierung hinzuweisen. Letztlich geht es ja um die Abwehr von Zweiflern an der spanischen Justiz. Dieser hat der sozialistische Innenminister gerade bescheinigt, sie wäre die eines „vollzertifizierten“ Rechtsstaats – als würde es sich um eine Plakette des TÜV handeln.

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