Es ist jetzt etwa ein Jahrzehnt her, dass angesichts neoliberaler Turbulenzen und Finanzkrise Dokumentarfilme wie Kapitalismus: Eine Liebesgeschichte (2009) von Michael Moore und Erwin Wagenhofers Let’s Make Money (2008) boomten. Oder etwas später Master of the Universe, in dem Marc Bauder 2013 die Finanzwelt aus der Lebenserzählung eines einzelnen Akteurs und Aussteigers aufrollt. Seitdem hat die Ökonomie ihren festen Platz im kapitalismuskritisch engagierten Dokumentarfilm. Die Machart dieser Filme ist oft ähnlich, indem die wesentlichen Positionen durch „Experten“ repräsentiert und vorgestellt und mit „Worst“- oder „Best-Practice“-Beispielen unterlegt werden. Der mögliche Erkenntnisgewinn hängt dabei wesentlich
nn hängt dabei wesentlich von der Überzeugungskraft der einzelnen Protagonisten und der Vielstimmigkeit der erzeugten Diskurse ab.Einen deutlich schmaleren Ansatz verfolgt der erfahrene Schweizer Regisseur Nino Jacusso in seinem jüngsten Film zum nachhaltigen Wirtschaften, der sich auf Beispiele mit Vorbildfunktion fokussiert. Dabei präsentiert Fair Traders drei ganz unterschiedlich agierende Unternehmen aus der Schweiz und Bayern, die auf qualitatives statt quantitatives Wachstum setzen: den Schweizer Patrick Hohmann, der in Indien und Tansania Bio-Baumwolle zu fairen Bedingungen anbaut und exportiert; die Textilproduzentin Sina Trinkwalder, die in ihrer ökologisch ausgerichteten Großnäherei in Augsburg ausschließlich auf dem normalen Arbeitsmarkt als unvermittelbar geltende Personen beschäftigt, und Claudia Zimmermann, die mit ihrem Mann im Kanton Solothurn einen Bio-Bauernhof betreibt. Alle drei Unternehmer sind Umsteiger, die für die nachhaltige Produktion nicht nur ihre gesicherten Angestelltenwelten verließen, sondern auch massiv eigenes Kapital einsetzten.Jacusso will nicht argumentieren, sondern von den vorgestellten Konzepten überzeugen. So besteht der Film im Prinzip aus drei langen Interviews, in denen die einzelnen Gründer rückblickend von ihren Motivationen und Unternehmensgeschichten erzählen, die Bilder dazu haben vor allem illustrative Funktion. Schwierigkeiten werden zwar verbal beschworen, im Film selbst aber nicht gezeigt. Bei Hohmanns Engagement scheinen die tansanischen Arbeiter bloße Statisten für schöne Bilder von der Wohltätigkeit des Firmenchefs zu sein, die von dessen wohlwollenden Statements zum Wesen des „Inders“ oder „Afrikaners“ bizarr gesäumt werden. Es enttäuscht, wie im Film die Widersprüche des ökologisch vorbildlichen Wirtschaftens im Kapitalismus an den Rand geschoben werden. So erzeugt Fair Traders nicht nur den falschen Eindruck, der guter Wille Einzelner allein könnte die Welt grundsätzlich ändern. Er bleibt auch filmisch ohne Spannung.Lachen, Schreck, FremdschamGanz anders ist der Ansatz von Sebastian Winkels’ Talking Money, der dokumentarisch direkt auf einen Schnittpunkt ökonomischer Beziehungen blickt. Genauer, auf einen zentralen Aspekt des Finanzwesens, bei dem Konflikt die Grundlage ist: das Gespräch zwischen Kreditgebern und Kreditnehmern. Dabei hat der Filmemacher, als Spezialist für formalisierte kommunikative Situationen (Sieben Brüder, Nicht alles schlucken), seine Kamera so auf die Kundentische von acht Banken in aller Welt gerichtet, dass der Blick an den Angestellten vorbei den Kunden ins Gesicht schaut.Da es sich als unerwartet schwierig erwies, von den Banken die nötigen Drehgenehmigungen zu erlangen, sind in der dementsprechend zufällig entstandenen Auswahl teilnehmender Bankhäuser auffallend viele, die einen gemeinnützigen Charakter haben. Von den angesprochenen Kunden dagegen waren laut Winkels die meisten spontan zum Mitmachen bereit. Vielleicht sahen sie in der Kamera eine Unterstützung für ihre Anliegen. Denn Macht und Ohnmacht sind hier strukturell immer gleich verteilt, so unterschiedlich die fünfzehn für den Film ausgewählten Kunden auch sind. Während in Karachi ein Firmenchef Mittel für Geschäfte im großen Stil benötigt, ist eine Bolivianerin kurz davor, ihr Heim zu verlieren, weil sie seit Monaten eine Kreditrate nicht aufbringen kann. Andere haben sich in der Überschuldung durch Kettenverträge rettungslos verloren. Einige italienische Männer versuchen in ähnlicher Situation mit opernhafter Theatralik ihr Glück. Und ein wohlstandssattes Schweizer Paar lässt sich zur Anlage bei der ethisch wirtschaftenden Alternativen Bank beraten, um „der Welt etwas zurückzugeben“.Die Montage von Frederik Bösing spielt mit diesen Kontrasten und Variationen, um erhellende, erschütternde und auch komische Effekte zu erzielen. Dabei werden neben regionalen Eigenheiten auch die unterschiedlichsten performativen Strategien der einzelnen Personen sichtbar. Und die oft dramatischen Geschichten hinter dem dringenden Geldbedarf: Überforderung und kleine Gaunereien, gescheiterte Ehen, geschwisterliche Abhängigkeit oder auch familiärer Zusammenhalt.So wird Talking Money in der seriellen Variation ähnlich gelagerter und doch jedes Mal neuer Begegnungen zu einer mitreißenden menschlichen Komödie, die zwischen Lachen, Fremdscham und Erschrecken oszilliert. Nur zum institutionalisierten Geldwesen selbst wird man – jenseits von Selbstverständlichkeiten – wenig erfahren. Ein Grund dafür ist das bewusst auf das performative Moment zielende Konzept des Films, das viel Spaß macht, die im Hintergrund waltenden Mechanismen aber überblendet.Placeholder infobox-1