Nicht immer sind die Banker die Bösen. Zum zweiten Mal hat nun ein deutscher Auto-Manager eine große Debatte über Gerechtigkeit ausgelöst. Gewerkschafter, Ethik-Professoren und Aktionärslobbyisten beklagen sich darüber, dass VW-Vorstandschef Martin Winterkorn für das zurückliegende Jahr 2011 ein stattliches Gehalt von 17,4 Millionen Euro beansprucht.
Die erste derartige Debatte über die Angemessenheit von Vorstandsgehältern in Aktiengesellschaften verursachte Wendelin Wiedeking. Der damalige Vorstandsvorsitzende des Unternehmens Porsche erhielt 2007 rund 60 Millionen Euro. Dieser für deutsche Verhältnisse erstaunlich hohe Managerlohn bekam eine besondere Bedeutung vor dem Hintergrund der Finanzkrise, die auch auf die Gier der Bankv
der Bankvorstände zurückgeführt wurde.Die öffentliche Resonanz in beiden Fällen war und ist verheerend. Wobei zugunsten der beiden Vorstandsvorsitzenden zu sagen ist, dass die jeweilige Lage ihrer Unternehmen die hohe Vergütung nicht völlig unplausibel erscheinen lässt. Wie Porsche 2007 fuhr auch der VW-Konzern unter Führung Winterkorns im vergangenen Jahr ein außergewöhnlich gutes Ergebnis ein. Bei einem Umsatz von 159,3 Milliarden Euro (plus 26 Prozent gegenüber 2010) erwirtschaftete Volkswagen einen Gewinn von 11,3 Milliarden Euro (rund 60 Prozent plus). Entsprechend stieg auch Winterkorns Gehalt um etwa 60 Prozent.Andere können davon nur träumenAllerdings hat der Vorstand ausgeblendet, dass die für Finanzexzesse sensibilisierte deutsche Öffentlichkeit solche Gehaltssteigerungen nicht mehr umstandslos toleriert. Mittlerweile wird schnell die Frage nach der Verhältnismäßigkeit gestellt. Welcher Teil des Erfolges einer Firma ist dem Vorstand zugute zu halten, wieviel steht den Beschäftigten zu? Winterkorn beansprucht nun in etwa das 300fache Jahresgehalt eines VW-Facharbeiters, der in einer der Fabriken die Fahrzeuge fertigt. 17 Millionen im Vergleich zu 55.000 Euro Jahresgehalt – vielen scheint diese Spanne etwas zu groß. Außerdem müssen sich die Arbeitnehmer in der Regel mit einstelligen Lohnsteigerungen zufriedengeben – von 60-Prozent-Sprüngen können sie nur träumen.Öffentliche Empfindlichkeiten und eigene Fehler richtig einzuschätzen, ist Winterkorn offenbar nicht in der Lage. Seit langem wird der aus Leonberg bei Stuttgart stammende Manager vom Erfolg verwöhnt, was den Blick für die Wirklichkeit trüben mag. Im engen Einvernehmen mit Ferdinand Piëch, dem wichtigsten Großaktionär des VW-Porsche-Konglomerats, ist der studierte Metallphysiker (64) über verschiedene Führungspositionen unter anderem bei Audi bis an die Spitze von VW aufgestiegen. Viele seiner betriebswirtschaftlichen und technischen Entscheidungen haben sich im Nachhinein als Glücksgriffe entpuppt.Winterkorn hatte erheblichen Anteil daran, dass Audi sich neben Daimler und BMW als Premiumhersteller etablierte. Große und teure Modelle wie der A8 und sportliche Fahrzeuge wie der Audi TT stehen für diesen Kurs. Besonderen Wert legt der technikafine Vorstand auf das Design der Fahrzeuge und die technische Qualität, die international als richtungsweisend gelten. Gern unterhält er sich mit seinen Ingenieuren über technische Details. Nachdem Winterkorn Anfang 2007 den Vorstandsvorsitz der Volkswagen AG übernommen hatte, ließ er die fast fertige Neuentwicklung des Modells Golf nochmals grundsätzlich überarbeiten.Toyota schlagen, Porsche eingliedernBereits 2010 gab Winterkorn die Devise aus, VW solle der größte und profitabelste Autokonzern der Welt werden. Der Vorstand will vor allem den Konkurrenten Toyota schlagen. Während damals viele Fachleute annahmen, dieses Ziel sei unerreichbar, stellt sich nun heraus, dass Winterkorn auf dem besten Weg ist. Mit mehr als acht Millionen verkauften Fahrzeugen 2011 und einer Umsatzrendite von rund sieben Prozent kommt der Vorstand seinen hochgesteckten Zielen schon ziemlich nahe.Ebenso überzeugend wie das globale Wachstumsziel hat Winterkorn erst kürzlich die Absicht verkündet, Porsche auf jeden Fall in den Konzern einzugliedern. Hier allerdings zeigt sich, dass VW unter Winterkorn nicht nur stark, sondern gleichzeitig auch schwach ist. Die Politik des Vorstands hat Anteile von Größenwahn, der auch im Verhalten von Patriarch Ferdinand Piëch deutlich zu bemerken ist. Winterkorn spielt mit in diesem System aus Hybris und Selbstüberschätzung.Der Vorstand wie das gesamte Unternehmen gehorcht der Fantasie Piëchs, VW und Porsche in einer Hand vereinigen zu wollen. Dafür nahmen und nehmen Piëch und seine Manager kaum zu kalkulierende Risiken in Kauf und gefährden die Unternehmen. Die von Wiedeking mit Zustimmung Piëchs versuchte Übernahme des Riesen VW durch den Zwerg Porsche scheiterte 2009 grandios. Porsche brach unter Milliarden-Schulden beinahe zusammen, worauf Piëch, der in beiden Unternehmen Großaktionär ist, den Spieß umdrehte, Wiedeking in die Wüste schickte und nun Porsche durch VW schlucken lässt. Aber auch diese Variante bringt Milliarden-Probleme mit sich – unter anderem, weil Aktionäre von Porsche Schadensersatz erklagen wollen.So mächtig Winterkorn nach außen erscheint, so abhängig ist er intern vom VW-Aufsichtsratsvorsitzenden Piëch. Winterkorn ist Teil einer patriarchalen Führungsstruktur, die die Nachteile eines autokratisch geführten Familienunternehmens mit der gesellschaftlichen Blindheit eines transnationalen Konzerns verbindet. VW und seinem Vorstandschef mag es jetzt gut gehen. Probleme und Absturz können jedoch früher kommen, als manche meinen.