FREITAG: Bei ihrer Gründung 1995 wurde der »Feministischen Partei DIE FRAUEN« keine lange Lebensdauer eingeräumt. Inzwischen ist sie 1998 zur Bundestagswahl, 1999 zur Europawahl und in Thüringen zur Landtagswahl angetreten, dort sogar mit acht Kandidatinnen - obwohl abzusehen war, dass sie nicht in den Erfurter Landtag einziehen würden.
MECHTHILD ZIEGENHAGEN: In Thüringen haben wir 0,5 Prozent der Stimmen bekommen. Das ist doppelt so viel wie bei der Bundestagswahl. Unser Ziel ist jedoch nicht nur der Einzug in ein Parlament, sondern auch, feministische Themen öffentlich diskutieren zu können, ein neues Meinungsbild zu provozieren. Der Wahlantritt hat Interesse an unseren Themen und unserer Partei geweckt, insofern haben wir damit erreicht, was wir wollten.
Woran liegt es, dass DIE FRAUEN heute vor allem Stimmenzuwächse im Osten haben, obwohl man dort der überwiegend von Westfrauen gegründeten Partei anfangs eher skeptisch gegenüberstand?
Die Politisierung im Osten ist stärker ausgeprägt als im Westen. Im Osten war der Gang zur Urne immer sehr wichtig, auch wenn man gegen die herrschende Staatsdoktrin war. Im Osten wird daher genauer hingeguckt, was die Parteien leisten und was nicht. Die Frauen im Osten sind vielfach Verliererinnen der Einheit, ihr Frust ist weitaus größer. Aber keine der etablierten Parteien tut wirklich etwas für Frauen. Die Feministische Partei hat dagegen speziell die Frauen im Blick.
Sie haben ein rein feministisches Programm?
Nein. Wir fordern sinnvolle Veränderungen, bei denen in erster Linie die Fähigkeiten und Kenntnisse von Frauen einbezogen werden müssen. Frauen entwickeln eine andere Sicht auf die Dinge und treffen andere Entscheidungen, ob bei der Aufrüstung, der Genmanipulation oder Gewalt in der Gesellschaft. In diesen Bereichen liegen unsere Themen. Konkret ging es in Thüringen beispielsweise darum, die Frauenbeauftragten zu stärken, soziale Projekte zu sichern und das Gleichstellungsgesetz in ein Antidiskriminierungsgesetz umzubenennen und dementsprechend zu ändern. Aus allen »es kann«- sollen »es müssen«-Formulierungen werden, um die Landesregierung in die Pflicht zu nehmen.
Wie wollen DIE FRAUEN die hohe Arbeitslosigkeit bekämpfen, die in erster Linie Frauen trifft?
Arbeit muss auf viele Menschen verteilt, anders bezahlt und neu bewertet werden. Nur 30 Prozent der tagtäglich erledigten Arbeit wird auch bezahlt, wobei Frauen besonders viel unbezahlte Arbeit verrichten. Ein Kind groß zu ziehen oder ein Haus zu bauen, sind positive Tätigkeiten. Chemiewaffen herzustellen oder in den Krieg zu ziehen dagegen nicht.
Mehrfach vertraten Mitglieder der Frauenpartei öffentlich reaktionäre Positionen zum § 218, zur doppelten Staatsbürgerschaft und zu Frauen in der Bundeswehr. Wie geschlossen ist die Partei und: Steht sie tatsächlich links?
Wir sind noch am Anfang. Völlig klar ist die Position zum § 218: Er muss vollständig gestrichen werden. Es empört, wie immer wieder dieser alte Hut hervorgezerrt wird, anstatt dafür zu sorgen, dass Frauen angemessene Rahmenbedingungen erhalten, um Kinder zu bekommen. DIE FRAUEN wollen grundsätzlich die Abschaffung der Bundeswehr, aber solange sie besteht, müssen Frauen gleichberechtigt sein. Das von einigen Frauen in Rheinland-Pfalz vertretene Argument, die doppelte Staatsbürgerschaft führe zu einer Islamisierung der Bundesrepublik, ist natürlich totaler Quatsch. Der Streit wurde inzwischen innerparteilich geklärt.
Unterscheidet sich die Streitkultur der Frauenpartei von der einer Männerpartei?
Ich weiß, worauf Sie hinaus wollen. Den Vorwurf, dass Frauen im Umgang miteinander weitaus schlimmer seien als Männer, kennt die Frauenbewegung schon lange. Das mag punktuell auch stimmen, aber in der Verallgemeinerung stimmt es nicht. Die Ursachen für die vermeintlich zickigen Machtkämpfe liegen wiederum in der Gesellschaft begründet. Frauen spielten immer eine untergeordnete Rolle. Wenn sie plötzlich Macht und Geld in die Hand bekommen, wollen viele diese Macht auch ausspielen. Da geht es mitunter auch gegen Frauen. Das ist hart - aber auch Anschauungsmaterial für die Entwicklung feministischer Politikstrukturen.
Den FRAUEN wird vorgeworfen, eine reine »Lesbenpartei« zu sein.
Unsinn. Sicher gibt es bei uns anteilig mehr Lesben als in anderen Parteien. Etwa 30 Prozent. Da lesbische Frauen allein durch ihr »Anderssein« tägliche Diskriminierungen schärfer erleben als heterosexuelle, haben viele ein besonders großes Bedürfnis, die Gesellschaft zu verändern. Bei den FRAUEN prägen die Lesben die Partei zwar entscheidend mit, dominieren aber nicht.
Gibt es Verständigungsschwierigkeiten zwischen Ost- und Westfrauen?
Natürlich. Als die Ostfrauen beispielsweise das Recht auf Arbeit im Programm verankern wollten, klang das für Westfrauen nach Zwang zur Arbeit. Die Lust, solche Fragen dann auch zu diskutieren, ist überigens bei den Ostfrauen höher als bei den Westfrauen.
Wo liegt die Chance Ihrer Partei, in Deutschland einmal eine Rolle zu spielen?
Es geht nicht nur darum, Macht auszuüben, sondern sinnvolle Lösungswege für eine positive Veränderung der Gesellschaft aufzuzeigen. Je öfter wir mitdiskutieren können, desto mehr werden die etablierten Parteien gezwungen, sogenannte Frauenthemen zu behandeln. Weder die CDU, noch die SPD oder die FDP würde es heute wagen, nicht explizit »Bürgerinnen und Bürger« als Anrede zu benutzen ...
Lippenbekenntnisse.
Sicher. Aber Sprache ist nun mal Ausdruck des Denkens. Verschweigen ist eine Art von Diskriminierung. Es geht doch auch darum, Seh- und Denkgewohnheiten zu verändern.
Welche Chancen räumen Sie dem Feminismus ein?
Ich plädiere sehr für den »klassischen Feminismus«. Hinter den Genderdebatten, die derzeit so modern sind, verbirgt sich Gleichmacherei, die auf einen falschen Weg führt. Bei der Genderfrage geht es nicht mehr um die Verbesserung der Lebenssituation von Frauen, sondern die Frauenthematik wird in Gleichstellung mit dem Mann umgemünzt. Das tut niemandem weh und bügelt den Feminismus ab.
Frauen- und Gleichstellungspolitikerinnen anderer Parteien werfen den FRAUEN vor, dass sie mit ihren Argumenten einen »Feminismus aus der Mottenkiste« betreiben und damit den Frauen im Grunde genommen nur schaden.
Alle anderen Parteien sind Männerparteien und schließen Frauen weitestgehend aus - von ihren Ansätzen her, in ihren Strukturen und in ihren Inhalten. Auch wenn sie Quoten oder - wie bei der CDU - ein Quorum haben, machen sie Politik nur für Männer, und sie machen sie nur unter Männern. Ein gutes Beispiel ist die Demontage der beiden Bundessprecherinnen der Bündnisgrünen, Antje Radcke und Gunda Röstel. Sie werden nicht nur herabgewürdigt, indem man ihnen fachliche Inkompetenz unterstellt. Sondern mit dem Ruf nach einem Auswechseln der beiden Frauen soll auch die Quote bei den Grünen abgeschafft werden. Damit verabschieden sich die Grünen von ureigenen Grundsätzen.
In Ihrer Partei gibt es auch Männer. Stoßen Sie die nicht vor den Kopf, wenn Sie sich ausschließlich auf Frauen beziehen?
Nein. Unter den etwa 1.000 Mitfrauen sind zwei Männer. Sie haben verstanden, dass es eine systematische Bevorzugung von Männern gibt und unterstützen unseren angestrebten Machtausgleich zugunsten der Frauen.
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