Valery Gergiev „liebt“ Putin, „lebt aber lieber im Westen“. Deshalb, so das Opfer eines Giftanschlags, Alexej Nawalny, jüngst in der Bild-Zeitung, sei Gergiev ein „Heuchler“, und der Westen sollte ihm die Einreise verweigern. Also mal langsam.
Der russische „Held der Arbeit“ heuchelt keineswegs, wenn er sagt: „Präsident Putin ist einmalig. Er interessiert sich für Kinderchöre und hat Zeit dafür!“ Der erste Satz verleitet dazu, ihn aus dem Zusammenhang zu reißen. Verteidigt Gergiev doch Russlands Präsidenten Wladimir Putin auch im Konflikt mit der Ukraine und überhaupt.
Das klingt dann zum Beispiel so: „Das Wort ‚Demokrat‘ ist heute weit gefasst. Wenn Sie Putin mit Jelzin vergleichen, ist er ein wirklicher Demokrat.“ An was uns das erinnert? An das Prädikat „lupenreiner Demokrat“ eines anderen Putin-Freunds. Sollen wir auch über Sanktionen gegen Ex-Bundeskanzler Gerhard Schröder diskutieren?
Aber nein, Gergiev zählt nicht zu den Duckmäusern. Er hält, was er sagt, für richtig, redet nur leider auch über Dinge, die er nicht verstehen will. Und er lässt sich einspannen, mal als Reklamefigur für Gazprom, mal als Werbeträger für das Regime. Politisch einfältig ist er nicht, doch sieht er eben vieles aus der Perspektive seiner Interessen.
Gergievs atemberaubende Karriere wäre ohne Putins Liebe zur Musik nicht denkbar gewesen. Schon der damalige Stadtregent von St. Petersburg und erst recht der Herrscher Russlands erfüllte ihm alle Träume. Das altehrwürdige Mariinski-Theater hat er restaurieren, für eine halbe Milliarde Euro ein zweites Haus gegenüber bauen lassen. Seit 1998 ist Gergiev dort Chefdirigent und Intendant. Unter seiner Führung ist es zu einem der weltweit renommiertesten Opernhäuser aufgestiegen – und zu einer Marke geworden.
Inzwischen gibt es den Konzertsaal Mariinski III sowie Mariinski IV in Wladiwostok, Mariinski V in Wladikawkas – überall hat Gergiev den Hut auf. Er gründete und leitet Festivals. Er hat den berühmten Tschaikowsky-Wettbewerb zu neuer internationaler Blüte geführt. Und mit der Eisenbahn ziehen seine Ensembles und er regelmäßig durch die Provinz bis ins hinterste Sibirien. Einer, der nur absahnen will, würde sich das ersparen. Zweifellos hätte Gergiev in Russland mehr als genug zu tun. Wer also behauptet, er lebe „lieber“ im Westen, muss das erklären.
Einer wie Valery Gergiev wird überall gebraucht, er kann nur nicht überall sein, obwohl er sich nach Kräften bemüht. Er leitet auch Festivals in Holland, Japan, in der Schweiz. Er dirigiert nicht nur regelmäßig an den wichtigsten Opernhäusern der Welt, in New York, in London, in Wien, sondern herrscht nach acht Jahren an der Spitze des London Symphony Orchestra seit fünf Jahren auch über die Münchner Philharmoniker. Der Vertrag wurde bis 2025 verlängert. Die Gage soll obszön sein. Doch die Münchner Stadträte schweigen darüber parteiübergreifend so eisern wie einst die Freunde der italienischen Oper.
Der im Nordkaukasus, dem heutigen Nordossetien, aufgewachsene, 1953 in Moskau geborene Dirigent ist wahrscheinlich der am besten bezahlte Künstler seines Landes. Moskau gab schon vor ein paar Jahren allein sein russisches Einkommen mit 6,2 Millionen Euro an. Zweifellos ist Valery Gergiev in der schmalen Riege der internationalen Pultstars ein Spitzenverdiener. Gier ist nur das eine. Seine internationale Geltung macht ihn unabhängig von Putin – auch so herum wird ein Schuh daraus. Möglich, dass er das braucht, wenn er in den Spiegel blickt. Russland ist dem nimmersatten Berserker längst zu klein.
Hat seine Kunst das verdient? Fest steht: Ohne überragendes Talent hätte auch Putin nicht geholfen. Gergievs Weltkarriere begann 1977, als der damals Vierundzwanzigjährige den Herbert-von-Karajan-Wettbewerb gewann. Er besitzt unverwechselbare Klangvorstellungen und kann sie, das ist das Schwerste, genau vermitteln. Er prägt seine Orchester.
Doch auch Genies kommen in der Musik nicht ohne Üben aus. Gergiev hat sich einige Male spektakulär übernommen. Etwa bei seinem Debüt in Bayreuth 2019. Die besondere Akustik des Festspielhauses bedarf der Erfahrung, und wenn die fehlt, akkurater Arbeit. Gergiev aber kam, sah und wurde nach der Tannhäuser-Premiere ausgebuht. Er sei durch die Partitur geirrlichtert, an einer Totalhavarie entlanggeschrammt, schrieben Kritiker. Nur leider wissen auch die Rezensenten nicht immer genau, ob sie den Musiker verreißen oder den Putin-Freund. Wie soll man das auch immer unterscheiden!
Was ihm vor allem fehlt, ist Zeit. Dass er nicht rechtzeitig erscheint, ist an der Staatsoper in Wien zweimal kurz hintereinander vorgekommen. Gage und Spesen wurden ihm gestrichen. Diese Sprache versteht der polyglotte Gergiev am besten. Probenfleiß ist nicht seine Sache. Assistenten erledigen weitgehend den Job. Er hat exzellente Assistenten; wer in seiner Gunst steht, kommt voran.
Die Orchester schätzen die Quality-Time mit ihm. Sie setzen darauf, dass ihm magische Momente gelingen. Er reist nicht nur zu viel, er reißt, wenn er denn da ist, auch mit. Dabei ist seine Schlagtechnik unorthodox, gewöhnungsbedürftig, aber eben auch vollkommen unautoritär. Er kommt ohne herrische Gesten aus. Nicht mit dem Taktstock, sondern mit einem kurzen Stummel flattert die rechte Hand über dem musikalischen Geschehen. Wer ihm folgt, muss mit ihm fühlen. Und sich auch mit dem Geflatter seiner Gedanken arrangieren.
Kommentare 26
Nur ein Nebenaspekt des Textes: Die Frage von Sanktionen gegen ABuKa Schröder.
JA - bitte.
Alle Konten sperren.
Zwangsverpflichtung zum Leben auf HartzIV-Niveau.
Ansonsten: ich schätze Herles. Als Mensch und als (Sprach-) Künstler. Gerne würde ich das auch über den Günstling Gergiev sagen können. Es will mir nicht gelingen.
Was Obszönitäten angeht: so richtig obszön sind doch nur die Obszönitäten der Anderen. Und Bayern ist doch (FJS) die Heimat der 'Amigos'???
Ich kannte einmal einen Opernsänger. Sagenhaft was man in Schickeria bekleidender Bühnenkunst verdient.
Doch regt meinerich am Artikel eher Anderes.
Was bedeutet es, wenn Rücknahme einer zugleich hauptsächlich von eigenen Landsleuten bewohnten und bejahenden Halbinsel, geziemt als obszöner Makel eines Putins gilt; mafiöse Vererbung eines Throns zur Protektion diebischen Vorgängers, sowie dessen Nachfolgers Aneignung von Volksvermögen in Höhe hunderter Milliarden indes nicht, oder bestenfalls nachgeordneter Weise?
Mir scheint, es verweist auf praktischen Kern unseres Gesellschaftssystems, das sich Demokratie nennt.
Da es ziemlichen Paradigmas nach legitim oder allenfalls Kavaliersdelikt ist, Gemeinschaftseigentum abzuzweigen und zu eigen zu machen, bedeutet Demo(=Volks) –kratie (=-herrschaft) also „der Herrschafts Volk“ bezw. Herrschaft übers Volk.
Gut, daß es einmal praxisnah übersetzt ist.
-Nicht vom Autor, doch über dessen Räuberleiter.
Gut das Knossos und Biene nicht erfolgreiche Künstler geworden sind, sonst hätte man uns evtl. noch auf den moralischen Prüfstein gestellt.
"Raff Raff Raff"...
;-)
Man muß ja nicht wie Dylan einst Aktien von Waffenproduzenten halten, während man von weißen Tauben trällert.
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… Alter, was sich mit 10 oder auch nur 5% von Putins persönlicher Beute anstellen ließe!
Es ließe sich dermaßen Veränderung herbeiführen, wie sämtliche Scheinorgs der UN, Gates & co. zusammen nicht einmal im Partikel.
–Wenn denn gleich die ersten Schritte auch überlebend / keine diskreten Pülverchen in die Kost bekommend.
^Korr.: 1 bis 0,5%
- Desto mehr kirre machen die Eigentumsverhältnisse einen.
..."Man muß ja nicht wie Dylan einst Aktien von Waffenproduzenten halten, während man von weißen Tauben trällert"...
DAS IST MIR NEU: LINK ODER INFO DAZU BITTE...
Mick Jagger hatte ja vor 40 Jahren oder so schon gesagt "Wenn ich kein Musiker geworden waere, waere ich Investmentbanker geworden"
:-(
Uralte Kamelle. Habe eben gegoogelt / nix darüber gefunden.
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Jagger hat ja auch nie Philanthropie vorgegeben. Eher schon Richards, welcher auch der sozialere / intelligentere zu sein scheint. (Auch, wenn er mal vom Drummer auf´s Maul bekam, nachdem er sich doch zu viel herausnahm.)
Hab´ ich mal erzählt, wie sie einem Fahrer in Deutschland eine Flasche Wein übergezogen hatten, nachdem der unsanft gefahren war, so daß ihnen der stets mitgeführte Wein von eigenem Gut übergeschwappt war? (Kein Ton davon in die Medien gelangt, versteht sich.)
Es braucht Charakter, als Celebrity am Boden zu bleiben. Ich halte es für eine echte Herausforderung.
Gestern erst gelesen, wie echte und bestellte Leichen (auch inmitten USA) Weg des Twen-Bruder eines Scheichs pflastern. Superreicher Niemand, dem die Knete / Macht über den Kopf wuchs. (Leute, die ihm Racing biz führ ihn arbeiten wollten, mußten / sollten morden, um Loyalität zu beweisen.)
US judge refuses to dismiss lawsuit against brother of Qatari Emir
Wo also nicht von vornherein Bodenständigkeit herrscht, eskaliert es am ehesten.
Dass Putin, wenn auch gewiss keine Kirchenmaus, reicher als Gates ist halte ich für ein Gerücht.
Aber auch wenn wir annehmen, wir hätten die siebeneinhalb Billionen Privatreichtum, die bei Blackrock gebunkert sind und täten damit die Armen beglücken: Was wäre wirklich gewonnen, ausser dass Columbus vor Begeisterung ein Herzkaschperl bekäme?
Ich denke: Wenn der ganze investierte Privatreichtum sich über Nacht, flupp! In Nichts auflösen würde könnten die Armen dieser Welt sich gut selber helfen. Selbstorganisiert & nachhaltig. Vereinzelte Ansätze dazu gibt es sogar jetzt schon, trotz massiver Behinderung von „oben“.
Beim Arbeiten für Sheikh's kann Knossos und Biene endlich loyality beweisen, diese Herausforderung kannten wir bisher nicht. Das sollten wir Nutzen:
"Sollen wir ihre Exfrau und ihren Tennislehrer mit dem Rasenmäherroboter schreddern oder sehr langsam in der eisernen Jungfrau einschliessen?"
Und da soll einer noch sagen es gibt keine Arbeit.
Putin hat Macht dagegen ist Gates mit seinen 90 Milliarden eine arme Kirchenmaus, du hast die Währung der MACHT aus den Augen verloren.
Billy G. kann nur Geld schieben um Menschen wie Schachfiguren herumzuscheuchen, Putin hat FSB FAPSI FPS FSO GRU SWR, alles Beamtenlöhne, die kann der rumschieben wie Legosteine ohne eine Anklage zu fürchten.
Dagen ist der Gates oder sogar Bezos eine kleine Machtwurst.
>>Dagegen ist der Gates oder sogar Bezos eine kleine Machtwurst.<<
Klar, US-Kongressabgeordnete sind etwas teurer als deutsche Politiker. Aber für Gates oder Bezos kein Problem. Der Grösste ist natürlich Larry Fink, der sich über seine Blackrock Tochterfirma dafür bezahlen lässt dass er Regierungen & Zentralbanken sagt wo es lang geht.
Aber die Frage war ja: Was täten wir mit der Kohle wenn wir sie hätten? Demokratisch wäre: Vernichten.
Dumm nur das Geld verbrennen noch nicht mal dem Putin was anhaben könnte, der braucht keine Scheinchen, Bezos, Fink, Gates, Musk usw. schon.
Wer Navalny glaubt, glaubt auch Gauland...
Navalny interessiert mich einen Scheissdreck, ich beobachte Putin seid Ende der 80er mit rechtem halbzusammengekniffenem Auge, so im Vorbeigehen.
;-)
+ @ Biene
Putin soll laut jemand, den er verprellt hat, über 500 Mrd. eingesackt haben. Der Verprellte mag durchaus übertrieben haben.
Um wie Viel pflegt man so zu übertreiben? Ums Doppelte, Vierfache …?
Reicher als Bill dürften schon global vollkommen unbedeutende Vögel, wie Saftpressen in Dröhnland sein. Wohl sogar erheblich.
Auf der Forbesliste fehlt doch eine ganze Menge an Nichtoffiziellem. Und das ist internationalem Ambiente auch ganz Recht so, welches u.a. so weit ging, etwa zu etlichen Attentaten gegen nahöstliche Oppositionelle bei sich daheim teils Schlapphut-Info beizusteuern / teils umgekehrt Steckbriefe auf der Flucht zurückzuhalten, und mit erstaunlicher Durchgängigkeit in Frankreich, Deutschland, GB und Niederlande gefaßte Attentäter frühzeitig laufen zu lassen.
Gehörige Assets und Geschäftsoptionen machen anscheinend entsprechend was aus.
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Aber, Kinners, Ihr seid doch nicht wirklich so phantasielos.
Was man mitZahlen wie 2,5 bis 5 Mrd. anfangen kann?
Zunächst dringlichstes Abdecken:
Ordentlich gegen Wilderei alimentieren, wo unterbezahlte Ranger mit Karabinern aus Erstem Weltkrieg durch Unterholz kriechen, und korrupte Richter dagegen vorgehen.
Geharnischte Investigation und Lobbyismus gegen Wilderei und Finning einschließlich fernöstlicher Abnahme davon organisieren.
Gegen Anonymität auf Weltmeeren und gegen unkontrollierten Verbleib von Riesennetzen und Altöl antichambrieren.
Wiederaufzuchts- und Renaturierungsinstanzen fördern.
Satellitenobservation gegen Verklappung und Überbordwerfen gefangener Schwärme einrichten.
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Dann:
Kampagnen zur Geburtenkontrolle.
Investition in Forschung zu umweltfreundlicher und kostengünstiger Desalinierung und Wasseraufbereitung.
Arbeitereigene Betriebe und Kooperation als sukzessives System anstoßen. (Wirkt besser als jede theoretische Aufklärung zu unterschlagenem Mehrwert und Ausbeutung.)
Hacker einspannen, die anonyme Konten und dazugehörige Daten aufspüren.
Eine halbes Dutzend Redaktionen wie ehemaligen SPIEGELs in Industrienationen einrichten.
Private Schulen und Akademien systemischen Konzepts.
Wissenschaftszusammenschlüsse zu gemeinnützigen Optionen.
Vertikales Landwirtschaften in Metropolen.
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… Und wenn Ihr dann noch unter Lebenden weilt, fragt den Onkel nochmal.
So viel Zeit, Muse und Energie, um sich noch über ein Ranking der bekannten Dreggsägge der besonderen Art zu streiten?
Nee - oder?
Noch davor wusste schon Paul McCartney, dass er und seine Kompagnons "die größten Kapitalisten sind".
Der Text von Herles ist mal wieder herrlich. Man könnte so viel herauspicken. Was man schon zu dem Zitat "Er interessiert sich für Kinderchöre und hat Zeit dafür!" alles denken kann ...
>>Was man mit Zahlen wie 2,5 bis 5 Mrd. anfangen kann?<<
Vorab: Der Ausgangspunkt war nicht ein Projekt, das wir noch in diesem Jaht beginnen umzusetzen, sondern eine Vorstellung, was man könnte wenn man ein Stück des vorhandenen Privatreichtums selber besässe.
>>Was man mit Zahlen wie 2,5 bis 5 Mrd. anfangen kann?<<
Mal abgesehen, dass ein Jahresetat von 5 Mrd. für die vor Dir aufgelisteten Dinge, die ja alle schon mal diskutiert wurden, wohl kaum genügen würde: Auch eine dreistellige Zahl wäre kein Problem, wenn Du entsprechend viel Kapital enteignen kannst. Aber es muss ordentlich Profit bringen, damit Du Arbeitskraft kaufen und sie in Deinem Sinne einsetzen kannst. Mit allen üblen "Nebenwirkungen". Und man sollte dann weiterhin nicht fragen wie der Profit zustande kommt. Einen Teil des Geldes müsstest Du einsetzen um den nichtenteigneten Teil des Privatkapitales unter Kontrolle zu halten. Wie ja von Dir schon in weiser Voraussicht selber formuliert.
Deswegen war mein Gedanke: Wenn schon mal spinnen, dann doch lieber ausserhalb des kaputtalistischen Systems: Was wäre, wenn der Kapitalbesitz verschwände, Geld nur Tauschäquivalent für Gebrauchswerte wäre? Alles Gegenständliche wäre noch da. Land, Wasser, Luft, Fabriken etc. Nur eben keine Eigner mehr, die bestimmen was damit zu geschehen hat. Wir (globales „wir“) müssten uns neu organisieren, mit allen schlechten Erfahrungen des bisherigen im Kopf. Und keine Kaputtalmacht, ihre Propaganda, Schergen und Korrupteure könnten uns länger daran hindern es besser im Sinne von Leben in Gesundheit/Wohlbefinden/Lebensfreude für Alle zu machen. Das war die Mutter meines obigen Gedankens.
Brav gebrüllt, Brüderchen!
>>So viel Zeit, Muse und Energie, um sich noch über ein Ranking der bekannten Dreggsägge der besonderen Art zu streiten?<<
Wahrscheinlich Stuhlgang der Seele ;-)
Watt mutt, datt mutt ...
Ja, vollkommen d‘accord. Und ich möchte ergänzen: Es geht nicht darum, daß Wohltäter die Welt retten, sondern die Gesellschaft sich selbst. Daß die Morallosen moralisch werden, ist so illusionär wie daß die Habenichtse die Habenden erfolgreich zum Teilen auffordern können. Die Gesellschaft muß anders organisiert werden, und zwar auf unabweisbaren Prinzipien des Sozialen.
Da möchte ich doch noch gegen den bisherigen Verlauf des Threads auf den Ursprungstext zurückkommen, denn Herles legt hier die Finger in die richtige Wunde. Ich kenne Gergiev nicht, ich kann also nicht über seine künstlerischen Qualitäten urteilen. Aber die Münchner Philharmoniker haben einen Ruf zu verlieren, ich kann mir nicht vorstellen, daß das Engagement von G eine Devotionalie gegenüber Putin ist. Ich vermute, im Westen wird G besser bezahlt als in Russland, und wenn schon, dürfte er als Kremlfeind seinen Westmarktwert eher steigern können als durch seine Nähe zum russischen Machthaber. Und ich vermute, daß er nicht zu den Spitzenverdienern des internationalen Kulturbetriebs zählt. Daß er in seinem Riesenheimatland eine flächendeckende kulturelle Infrastruktur aufgebaut hat, kann man, wenn schon, nur loben. Und Putin mag ein Oberschurke sein, diese seltsame Liebe, dieser nachhaltige Einsatz für die Kunst gehört allemal auf die Habenseite. Ich weiß, auch Diktatoren können aus tiefer Überzeugung Opernhäuser bauen. Das wäscht sie nicht rein, aber es zeigt eine gute Seite an ihnen. - So ist Herles‘ Text eine Demaskierung von Nawalny, man muß ja nicht gleich den Kritiker verteufeln, aber der zeigt sich hier als verbohrter Krieger, der die Welt ohne Zwischentöne in Freund und Feind aufteilt, der die Kunst nach politischer Opportunität entlohnen will. Es wurde schon festgestellt, daß der Kreml gut damit leben kann: wer Nawalny zum Freund hat, braucht keine Feinde mehr. Wir sollten bei dieser Kriegslogik nicht mitmachen.
+ @ Endemann
Ich knüpfte an den Gedanken an, was man konstruktiv mit nur einem Bruchteil dessen machen kann, was allein ein Superreicher besitzt, und wenn „karikativ“, dann symptomatisch konservierend bis destruktiv einsetzt.
Zielsetzung Prophylaxe gegen dringendstes Arten- und Habitatssterben nebst Maßnahmen zur Aufklärung der Medusa.
Dein Gedanke ist ein gänzlich anderer. Nämlich Optionen nach bereitetem Weg. Also nach erfolgreicher Vorarbeit wie von mir angeführter.
Dieser Weg nach der Erweckung ist ein ungleich komplexer als von mir oben tangierte Notfallambulanz und Wegbahnung.
(In der es mir darum ging, aufzuzeigen, wie entsetzlich die Reichtümer brach liegen. –Apropos: Meinerich weiß nicht, was hier früher schon besprochen worden ist, doch, daß alle obigen Punkte schon dabei gewesen wären, würde mich ja positiv verwundern.)
Wegen dieser Komplexität liegt mein belletristisch wahrlich spannendes Manuskript auf Eis, da ich für dessen Abschluß in befreiter Gesellschaft (wie im Vorspann) möglichst plausible Abläufe umreißen will, was hinsichtlich ökonomischer Rückwirkungen und reziprok dichter Kreisläufe meine bescheidene Kompetenz im Zahlenjonglieren bei weitem übersteigt / ich also gern progressiven Wirtschaftswissenschaftler zur Seite hätte, der hülfe, Ausarbeitung durch fiktive Wissenschaftskongresse, und belastbare Vision auszukleiden.
Natürlich nicht bis ins letzte I-Tüpfelchen, zu dem einem Niemand (neueste) Rechenzentren (mit AMD-Komponenten ;O) zur Verfügung stellte, und den Erzählstrang unverdaulich machte, aber in Grundlegendem und dessen aufschließenden Effekten und Symbiosen.
Der Autor schreibt:
FESTSTELLUNG: "Genie und Günstling". --- Wer bedürfte nicht der Gunst (und nicht nur der Kunst) von diversen Seiten, um wirklich ganz an die Spitze seines Metiers zu kommen?
FESTELLUNG: "Und er lässt sich einspannen, mal als Reklamefigur für Gazprom, mal als Werbeträger für das Regime. Politisch einfältig ist er nicht, doch sieht er eben vieles aus der Perspektive seiner Interessen."
--> Zum Stichwort: "Regime".
Wie kommt es nur immer wieder zu diesem Pawlow'schen Reflex? Wir sprechen von einem gewählten Staatsoberhaupt, das genauso legitim an der Macht ist wie das Politpersonal hierzulande.
Wie? Die Medienmacht habe er - und habe sie missbraucht? --- Wie hierzulande unsere privatisierten "Qualitätsmedien" und sog. öffentlich-rechtlichen Sender (mit "öffentlich" ist wohl die Zwangsfinanzierung durch die Bevölkerung gemeint).
Die Krim? https://www.wissensmanufaktur.net/krim-zeitfragen/ Oder sollen wir anfangen bei der Annexion Hawaiis durch die USA (jawohl!). Oder bei der Annexion der syrischen Golan-Höhen durch Israel? Oder bei der Annexion Nordsyriens durch die Türkei? Oder sollte man über die vielen durch westliche (welche wohl?) Geheimdienste gestarteten Regime-Changes reden (oder besser über deren x Millionen zivile Opfer?). Da relativiert sich die Floskel vom "Regime" und "Diktator" doch sehr.
--> Zur Feststellung: "... sieht er eben vieles aus der Perspektive seiner Interessen."
Wer bitte von den meisten Zeitgenossen (von den Machthungrigen reden wir gar nicht) tut das nicht?
FESTSTELLUNG: "Das altehrwürdige Mariinski-Theater hat er restaurieren, für eine halbe Milliarde Euro ein zweites Haus gegenüber bauen lassen .... Inzwischen gibt es den Konzertsaal Mariinski III sowie Mariinski IV in Wladiwostok, Mariinski V in Wladikawkas ..."
Hmm, es gibt Schlimmeres, was kann man einem Regierungschef vorwerfen könnte, als teuere Theater zu erbauen. Wie war das mit der Elbphilharmonie? Oder mit der Gasteig-Aufhübschung in München. Ach ja, die Akustik war ja so schlecht.
Ja, der "Demokrat" Boris Nikolajewitsch Jelzin war der Ausverkäufer der physischen Werte der ehemaligen UdSSR. Er war der Aufrufer zum Zerfall der Sowjetunion (gegen den erklärten Willen der Mehrheit des Sowjetvolkes in einer Abstimmung einige Monate zuvor). Und er war der derjenige, der großzügig der NATO den Weg in den Osten geebnet hat.
Wen wundert es da, dass Wladimir Putin im Westen nicht so gefällt?
Die Russen sind einfach unübertroffen in der klassischen Musik. Loben muss man den münchener Stadtrat, der sich von den PC-Blockwarten nicht beeindrucken läßt und schlicht die Nr. 1 engagiert. Das hat Klasse. Deshalb ist München auch vorne in der Pflege der Klassik. Ein neues Konzerthaus ist hochverdient.