Gerechtigkeit ist ein Luxus der Politik

Moral Kann ein Krieg gerecht sein? Und wenn ja, unter welchen Voraussetzungen? Krieg bedeutet nicht zwangsläufig das Scheitern der Politik - wenn sie ihn denn begründen kann
Ausgabe 36/2013
Gerechtigkeit ist begrenzt. Jedenfalls wenn es nach dem schottischen Politiker Arthur Balfour geht.
Gerechtigkeit ist begrenzt. Jedenfalls wenn es nach dem schottischen Politiker Arthur Balfour geht.

Foto: Hulton Archive/ Getty Images

Als der nachmalige englische Premierminister Arthur James Balfour Ende des 19. Jahrhunderts einen hohen Posten in der Regierung für Irland bekleidete, kam einmal ein irischer Politiker zu ihm. Der beklagte sich über die harten Gesetze Londons und forderte Gerechtigkeit für das irische Volk. „Gerechtigkeit?“, fragte Balfour, der kein Zyniker war, „das reicht nicht für so viele.“

Der Bürgerkrieg in Syrien und die Frage eines Eingreifens westlicher Mächte nach dem Einsatz von Giftgas hat nun wieder eine Diskussion über den „gerechten Krieg“ aufkommen lassen. Gibt es den? Bemerkenswert ist, dass in dieser Diskussion zumeist über den Krieg gesprochen wird, seltener über das, was gerecht ist. Dabei wissen die meisten doch nur zu gut, was Krieg ist. Was aber ist in dem Zusammenhang unter Gerechtigkeit zu verstehen?

Mit dem Ungerechten tut man sich leichter. Ein Raubkrieg ist ungerecht. Ein Krieg, der mit verlogener Begründung begonnen wird, ist es auch. Da mag es gerecht sein, sich zu wehren. Aber nicht zu viel. In die Diskussion über den gerechten Krieg gehört seit unvordenklichen Zeiten das Übermaßverbot. Aber wie verhindert man ein Übermaß, wenn es gilt, möglichst rasch und sicher durch den Krieg zu kommen? Grausamkeit nach errungenem Sieg ist ebenfalls verpönt. Aber wer bestimmt, wann der Sieg errungen ist? Und wann ist das alles zu erörtern?

Richtig ist auch: Jene Kriege verliefen besonders entsetzlich, in denen eine Seite ganz fest davon überzeugt war, eine gerechte Sache zu vertreten. Aber umgekehrt wünscht sich auch niemand einen Krieger-Ethos, dem es gleichgültig ist, ob die Sache, für die einer kämpft, gerecht ist oder ungerecht und er die Frage einfach an die Obrigkeit abgibt.

Falsch ist das aber nicht. Denn: Was gerecht ist, ist eine Frage der Politik. Und in der Politik läuft sie auf die Frage nach dem „Wie“ zu. Wie kommt es zur Kriegsgefahr, wie ist bei drohender Kriegsgefahr zu handeln und zu reden? Wie bleiben im Krieg Politik und Militärführung im Gespräch? Da zeichnet sich ab, was gerecht ist oder ungerecht.

Demokratische Politik zumal ist immer eine Frage des „Wie“: Wie gleicht man Interessen aus, wie verhindert man die Eskalation von Konflikten, wie verhindert man den Ausnahmezustand, wie bereitet man die Rückkehr zu friedlicheren Verhältnissen vor? Der Satz von Clausewitz, Krieg sei die Fortsetzung der Politik mit anderen Mitteln, ist verhängnisvoll. Krieg bezeichnet ein vorläufiges Scheitern von Politik. Das ist manchmal unvermeidlich. Dann reicht Gerechtigkeit nicht für viele, die davon betroffen sind.

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