FREITAG: Ihre Partei war Mitglied im Provisorischen Regierungsrat. Wird sie ab 30. Juni auch in der neuen Regierung vertreten sein?
RASHID GHEWIELIEB: Natürlich, der inzwischen vorliegenden Ministerliste lässt sich entnehmen, dass Politbüro-Mitglied Mufeed Al-Jasaairy auch in der neuen Regierung Kulturminister sein wird. Außerdem sitzt der Vorsitzende unserer Partei, Hamid Mousa, im Vorbereitungskomitee für eine Nationale Versammlung des Irak.
Reichen aus Ihrer Sicht die Befugnisse dieser Regierung aus, die ihr von der Besatzungsmacht zugestanden werden?
Man muss zunächst einmal klar sagen, dass der bisherige Provisorische Regierungsrat von Anfang an ein irakisches Organ war und immer versucht hat, die Position der Iraker in politischer Hinsicht zu stärken. Die Medien haben das oft falsch wiedergegeben und den Rat als Instrument der Besatzungsmacht dargestellt. Niemand bestreitet, dass unser Land unter einer Besatzung lebt und diese durch die UN-Resolutionen 1483 und 1511 legitimiert wurde, aber das Verhältnis zwischen dem Regierungsrat und der US-Besatzungsverwaltung war stets von Konfrontation geprägt. Beide Seiten haben versucht, ihre Interessen durchzusetzen. Natürlich waren die Amerikaner die Stärkeren, dennoch hat der Rat alles versucht, um den Rechten der Iraker Geltung zu verschaffen ...
... wie das auch die neue Regierung tun will.
Selbstverständlich. Sie wird ihre Möglichkeiten voll auszuschöpfen, um souverän zu handeln. Sie wird Einfluss auf die Armee und die sonstigen Sicherheitskräfte nehmen, die volle Herrschaft der Iraker über die Ölvorkommen sichern. Es ist im Übrigen maßgeblich unserer Partei zu verdanken, dass die Entscheidung über deren Privatisierung auf einen Zeitpunkt verschoben wurde, zu dem die volle Souveränität des Landes wiederhergestellt ist. Ebenso hat sich die KP dafür eingesetzt, dass entscheidende soziale Normen und die Gleichberechtigung der Frau in der Provisorischen Verfassung verankert wurden. Ich gehe davon aus, dass die neue Regierung nicht zuletzt außenpolitisch souverän handeln wird, auch wenn die Amerikaner versuchen werden, den Aktionsraum einzuengen.
Sie sind demnach guter Hoffnung: es wird eine souveräne Regierung sein.
Ja, auch wenn man davon ausgehen muss, dass die Amerikaner ihre augenblickliche Rolle erhalten oder sogar verstärken wollen. Die Souveränität der neuen Regierung wird maßgeblich davon abhängen, ob sie selbst die Sicherheitsfrage löst und das Vertrauen der Iraker gewinnt oder nicht.
Was sagen Sie zur Nominierung von Ijad Allawi als Premierminister?
Allawi ist von allen für diese Funktion vorgeschlagenen Politikern die beste Wahl. Und da es im bisherigen Regierungsrates keine Abstimmungen im Sinne von Mehrheitsentscheidungen gab, haben sich letztlich auch alle Mitglieder dieses Gremiums einvernehmlich aus Allawi verständigt. Er stand über 30 Jahre lang in Opposition zu Saddam Hussein, er war zuletzt im Regierungsrat verantwortlich für Sicherheitsfragen - er verfügt im arabischen Raum über beste Kontakte. Es wird jetzt gesagt, Allawi sei Schiit. Tatsächlich handelt es sich bei ihm um eine laizistische Persönlichkeit, die für eine Trennung von Staat und Religion eintritt.
Wie steht die KP zum andauernden bewaffneten Widerstand gegen die Besatzung?
Das irakische Volk hat ein Recht auf Widerstand gegen die Besatzung. Und die Mehrheit der politischen Parteien tritt dafür ein, dass sie so schnell wie möglich beendet wird. Aber das kann nur durch einen politischen Prozess erreicht werden - nicht durch Gewalt.
Man muss außerdem fragen, was sind das für Kräfte, die den Weg von Gewalt und Terror eingeschlagen haben? Es sind Reste der Anhängerschaft Saddam Husseins - Leute, die in 35 Jahren Diktatur privilegiert waren, oder solche, die für Verbrechen des Regimes verantwortlich sind und bei einer Rückkehr zur Stabilität mit einer Verurteilung rechnen müssen. Bei einer zweiten Gruppe handelt es sich um islamische Radikale, die antidemokratisch sind. Eine dritte Formation rekrutiert sich aus terroristischen Gruppen, die über die Grenzen des Irak eingesickert sind. Ein klares Ziel lässt sich bei keiner dieser Gruppierungen feststellen. Manche wollen zu einer arabisch-nationalistischen Diktatur zurück, andere wollen einen radikal-islamischen Staat mit faschistischen Zügen. Nach unserer Auffassung dienen die fortgesetzten Anschläge nur dazu, die Besatzung zu verlängern, die Amerikaner können dadurch immer wieder erklären, die Iraker seien allein nicht in der Lage, für eine ausreichende Sicherheit zu sorgen. Kurz gesagt: was wir erleben, ist genau genommen kein bewaffneter Widerstand - es sind Gewalt- und Terror-Aktionen. Man darf allerdings dabei nicht übersehen, dass es auch Iraker gibt, die sich aufgrund des unmenschlichen Verhaltens der Amerikaner diesen Aktionen anschließen.
Sie sprechen nicht von einem Volkskrieg?
Wie kann ein Volkskrieg von Kräften geführt werden, die früher selbst mit dem Imperialismus paktiert haben? Wie kann man von Volkskrieg sprechen, wenn 70 Prozent der Opfer von Anschlägen Iraker sind? Unsere Partei sieht jedenfalls keinerlei Basis, um mit diesen Gruppen zusammenzuarbeiten. Das irakische Volk leistet Widerstand, aber auf politischer Ebene.
Und wie sind dabei die Aussichten der Kommunistischen Partei?
Wir waren schon vor dem Krieg optimistisch und haben immer gesagt, wir werden wieder eine Rolle im Irak spielen - und das wird eine Hauptrolle auf dem Feld der Politik sein. Diese Prophezeiung hat sich bewahrheitet: wir sind zurückgekehrt, wir sind anerkannt, wir beeinflussen den politischen Prozess, wir setzen auf einen demokratischen und föderalen Irak. Wir erwarten große Entwicklungen in unserem Land und sind als Partei darauf vorbereitet.
Das Gespräch führte Lutz Herden
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