Ghandis Irrtum

Fünf Gründe Die ökologische und die soziale Frage dürfen nicht gegeneinander ausgespielt werden

Indira Ghandi hat sich geirrt. Ihr Diktum: „Armut ist der größte Verschmutzer“ trifft zumindest beim Klimawandel nicht zu. Denn hier sind vor allem die Reichen das Problem: Ganz Afrika etwa trägt mit einer Milliarde Menschen soviel zum Klimawandel bei wie der US-Bundesstaat Texas mit 30 Millionen, beschwert sich die Afrikanische Union. Und auch in den Industriestaaten zeigt sich, dass die Armen gar nicht die Möglichkeit haben, an der Verschwendung von Energie und Ressourcen teilzuhaben, die allgemein „Wohlstand“ genannt wird – und deshalb gegen ihren Willen relativ ökologisch leben.

Scheck auf die Zukunft

Deshalb ist es kurzsichtig, die ökologische und die soziale Frage gegeneinander auszuspielen. Vor einem wachsenden Wohlstand in China und Indien muss nur Angst haben, wer vom überkommenden fossilen Modell des Wirtschaftens ausgeht. Dann würden in der Tat etwa die Anstrengungen, in kurzer Zeit Hunderte von Millionen Menschen aus der Armut zu holen, weiterhin bezahlt mit einem ungedeckten Scheck auf die Zukunft – so wie es die Industriestaaten seit 150 Jahren tun.

Aber gerade arme Menschen in armen Ländern sind besonders anfällig für den Klimawandel: Als Kleinbauern oder Slumbewohner werden sie von Wetterextremen direkt betroffen sein und haben oft keine Rücklagen oder Versicherungen, um Schäden auszugleichen. Man muss nur an die Möglichkeit von Klimaflüchtlingen erinnern, um zu sehen, dass die ökologische Bedrohung sehr schnell zur sozialen Katastrophe werden kann.

So muss es aber nicht weitergehen, sagt Nicholas Stern, der britische Ökonom, der sich mit den wirtschaftlichen Folgen und Bedingungen des Klimawandels eingehend beschäftigt hat. Für Stern, der neben seiner Tätigkeit im europäischen und internationalen Finanzestablishment in Afrika und Asien gearbeitet hat, ist klar: „Klimawandel und globale Armut sind die größten Herausforderungen des 21. Jahrhunderts. Wir können durch Zusammenarbeit stark und wirksam darauf reagieren. Und wir werden gemeinsam Erfolg haben oder scheitern.“

CO2-armes Wachstum

Das heißt aber nicht, den Armen Verzicht zu predigen, mahnt Stern in seinem Buch Der Global Deal: „Es ist weder ökonomisch notwendig noch ethisch vertretbar, das Wachstum zu stoppen oder drastisch zu verlangsamen, um den Klimawandel zu bekämpfen. Ohne starkes Wachstum wird es für die Armen in den Entwicklungsländern extrem schwierig, sich aus ihrer Armut zu befreien.“

Gerade in der Rezession sei Handeln gegen die Wirtschaftskrise und gegen die Klimakrise vereinbar: Denn die Triebfeder für die Lösungen beider Probleme müsse „CO2-armes Wachstum“ sein, also die massive Investition in Energieerzeugung, Mobilität und Landwirtschaft ohne Kohle, Öl und Gas. „Wir können sofort und gleichzeitig die kurzfristige Krise meistern, mittelfristig solides Wirtschaftswachstum fördern und langfristig die Erde vor einem katastrophalen Klimawandel bewahren,“ schreibt Stern, „und alle drei Aufgaben lassen sich gemeinsam angehen.“

Dazu braucht es für den Ökonomen ein Abkommen in Kopenhagen, bei dem sich die Industrieländer zu massiven Reduktionen verpflichten, den armen Ländern saubere Technologien und die Rettung des Regenwalds finanzieren und bei dem die Schwellenländer ebenfalls Obergrenzen akzeptieren. Und eine Menge Geld: 86 Milliarden Dollar pro Jahr ab 2015 werden laut UN-Entwicklungsbericht benötigt, um die Wirtschaft und die Lebensgrundlage der Menschen in den armen Ländern gegen die Folgen des Klimawandels zu schützen.

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