Gib ’nem Mann ’ne App

Ghana Damit in Europa die Fischfangquoten eingehalten werden können, wird in Afrika illegal gefischt. Kann eine Software das Problem lösen?
Ausgabe 48/2020
Fischer am Jamestown Pier in Accra, Ghana
Fischer am Jamestown Pier in Accra, Ghana

Foto: Natalija Gormalova/AFP/Getty Images

Jedes Jahr fürchten die Küstenfischer an den europäischen Meeren die Bekanntgabe der neuen Fischereiquoten durch die EU und beklagen ihren bevorstehenden Untergang. Solcherlei Klagen mögen für die Fischer an den Küsten Ghanas wie Zynismus klingen. Denn um Europas Gewässer zu schonen, fischt man die ihrigen leer. Und das oft illegal unter Missachtung von Netzgrößen, Schonzeiten, Küstenabstand und Quoten. Doch nun gibt es eine neue Runde im alten David-gegen-Goliath-Spiel. Mithilfe einer Smartphone-App sollen illegale Großtrawler erfasst und gemeldet werden.

Einst gab es vor der Küste von Ghana die fischreichsten Gewässer der Welt, Ghana war neben dem Senegal die bedeutendste Fischfangnation Westafrikas. Zehn Prozent der Bevölkerung leben dort von der Fischerei, das sind 2,6 Millionen Menschen. 1977 erklärte die UNO die Zone zwischen der 12. und der 200. Seemeile zu einem Gebiet der allgemeinen wirtschaftlichen Nutzung. Eine Entscheidung, die allen Industrienationen mit hochseetüchtigen Fischereischiffen zur Freude gereichte. Vor der Küste Ghanas – und anderer afrikanischer Länder – kreuzten nun immer mehr Trawler aus Liberia, Panama, China, Russland und Europa auf. In ihren Netzen verschwand an einem Tag, was ein ghanaischer Küstenfischer in seinem ganzen Leben nicht aus dem Meer holen kann.

Es kam, wie es kommen musste: Nach 15 Jahren hatten sich die Fischbestände halbiert. Heute, 43 Jahre später, sind die küstenferneren Gewässer so gut wie leer gefischt. Also werfen die Trawler ihre Netze nun auch innerhalb der Sechs-Seemeilen-Zone aus, die eigentlich nur einheimischen Kanu-Fischern vorbehalten ist. Viele der Trawler, die dort fischen, tun es unter ghanaischer Flagge, gehören aber in Wirklichkeit zumeist chinesischen Unternehmen. 2019 war der Fischbestand innerhalb der Sechs-Meilen-Zone so gefährdet, dass die ghanaische Regierung einen Fangstopp verhängt hat.

Künftig aber werden die illegalen Fischer und die Reeder, die diese Trawler betreiben, nicht mehr ungeschoren davonkommen, Dase sei Dank. Die App, deren Name „Beweis“ bedeutet, wurde von der Environmental Justice Foundation (EJF) entwickelt, einer internationalen Organisation, die für den Schutz der Umwelt und Menschenrechte kämpft. Mithilfe von Dase können illegale Boote oder verbotene Methoden wie das Auslegen zu engmaschiger Netze fotografiert und gefilmt werden, die App ermittelt Position und Besitzer des Schiffes und liest diese in eine zentrale Datenbank ein. Von dort werden die Daten dann an die Justiz weitergegeben.

Und weil sie schon mal dabei ist, die ghanaische Fischerei zu retten, hat die EJF auch gleich die EU informiert, dass einige der Trawler, die man beim gesetzeswidrigen Fischen erwischt hat, für den Export von Fisch in die EU zugelassen sind. Die Verbraucher in Europa kaufen also zeitweise Fisch aus illegaler Fischerei. Dagegen wird wohl nur eine App helfen, mit der man den Fisch auf dem Teller scannt und gegebenenfalls den Warnhinweis erhält: illegal gefangen.

Andrea Jeska schreibt Reportagen aus aller Welt – und hier im Wechsel mit den Kolumnen Odile Jolys’, Leonie Marchs und Sarah Merschs

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