Seit zwei Wochen ziehen Banden marodierend durch die Townships in Kapstadt, Durban, Johannesburg. Sollte die Regierung einen Notstand ausrufen?
Sie hat bereits die Armee gerufen. Und mittlerweile hat sich die Lage beruhigt. Es brennen zwar noch vereinzelt Hütten, aber die Politik sollte sich nun der Flüchtlinge annehmen. Rund 35.000 wurden vertrieben. Tausende sind nach Mosambik, Malawi, Sambia und sogar nach Simbabwe geflohen. Allerdings gibt es seit den ersten freien Wahlen 1994 eine traurige Geschichte der Fremdenfeindlichkeit. Vor zwei Jahren erst wurden nahe Kapstadt 30 Somalis umgebracht.
Waren die aktuellen Attacken geplant?
Das wohl nicht, aber es gab kleinere Gruppen, die systematisch vorgingen: Sie rissen Menschen aus dem Schlaf und zwangen sie, auf Zulu oder Xhosa zu sprechen, um so Ausländer zu sondieren. Dabei hätte die Polizei schon vor Wochen gewarnt sein können.
Inwiefern sind die Übergriffe rassistisch motiviert?
Wenn man von den Überfällen auf Chinesen absieht, wurden vor allem dunkelhäutige Afrikaner gezielt gejagt. Der Rassismus hat hier eine lange Tradition: Wenn beispielsweise Schulkinder Ausweise zeigen müssen und wenn Sprachtests gemacht werden, erinnert das an die Methoden der Apartheid. Zudem herrscht eine Kultur der Gewalt: Es gibt eine enorme Kriminalität und eine der höchsten Vergewaltigungsraten weltweit.
Wo sehen Sie die sozialen Ursachen?
In den Townships leben die Verlierer des neuen Südafrika. Sie wohnen in Hütten, warten jahrelang auf versprochene Häuser und sehen, wie Migranten erfolgreich Geschäfte eröffnen. Sicher nähren Armut und Neid auch Ressentiments.
Präsident Thabo Mbeki spricht von "verschwörerischen Mächten". Wen meint er?
Es gibt sicher Gemeinderäte, die bewusst wegschauen. Schließlich sind sie froh, dass sich der Hass nicht gegen sie wendet. Aber eine allgemeine Verschwörung sehe ich nicht.
Gilt Mbeki noch als ein Erneuerer?
Nein, Mbeki reagierte zu spät auf die Ausschreitungen und ließ sich nicht an den Orten der Gewalt blicken. Als er endlich eine aufrüttelnde Rede hielt, war es zu spät, um noch glaubwürdig zu sein. Er gilt wohl zu Recht als ein Mann, der die Seele des Volkes nicht versteht. Es war auch typisch, dass er eine Reise nach Tansania nicht abgesagt hat.
Während der Überfälle wurde das Lieblingslied Jacob Zumas, des Präsidenten der Regierungspartei ANC, gesungen: "Bring mir mein Maschinengewehr".
Der Populist Zuma ist schockiert, dass das Lied aus dem Befreiungskampf missbraucht wird. Es sollte nie den Hass zwischen Afrikanern anstacheln, dennoch verherrlicht es die Gewalt. Obwohl Zuma populär ist, richtet sich der Hass ebenfalls auf ihn. Viele glauben, dass sich der ANC nur noch um die kleine, schwarze Mittelschicht kümmert.
Nelson Mandela führte das Land zu Demokratie und Ausgleich. Ist dieser Nimbus angekratzt?
Die Versöhnungspolitik der vielgelobten Rainbow-Nation existiert weiter. Es laufen bewundernswerte Aktionen der Zivilgesellschaft an, etwa Spendenkampagnen und auch Gruppen wie die Treatment Action Campain - eine Lobbyorganisation für Aids-Kranke - sorgt sich derzeit um Flüchtlinge.
Zuma wird 2009 vermutlich Präsident. Was wird er ändern müssen, damit sich die Ausschreitungen nicht wiederholen?
Südafrika braucht eine bessere Integrationspolitik. Täglich werden Tausende zurück in ihre Heimat gebracht, ganz gleich ob es sich um Flüchtlinge, Drogendealer oder Facharbeiter handelt. Es kann nicht sein, dass sich selbst Lehrer aus Simbabwe als Farmarbeiter verdingen müssen.
Wird es 2010 eine sichere und friedliche Fußball-Weltmeisterschaft geben?
Das ganze Land wird alles dafür tun. Schließlich sind die Südafrikaner ungemein stolz, dass die WM am Kap stattfindet.
Die Fragen stellt Dirk F. Schneider
Antonie Nord ist Büroleiterin der Heinrich-Böll-Stiftung in Kapstadt.
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