Eine bitterböse, abgründige, ätzende und eiskalte Abrechnung mit dem Hollywood-Establishment – es ist symptomatisch, dass der neue David-Cronenberg-Film Maps to the Stars zu kaum mehr in der Lage ist, als seinen Kritikern Floskeln abzuluchsen. Nennen wir sie also bitterböse und abgründig, ätzend und eiskalt, Cronenbergs Satire über „Tinseltown“, das böse und kranke Menschen produziert, die gierig, herzlos und sexbesessen sind.
Vor dem Hintergrund türkis leuchtender Swimmingpools und spiegelnder Glaswände, in sterilen, zu Tode designten Interieurs und auf palmengesäumten Boulevards lässt Maps to the Stars einen Reigen moralisch bankrotter Showbusinessfiguren tanzen: eine abgehalfterte Schauspielerin (Julianne Moore
hauspielerin (Julianne Moore) und ihre gewiefte Agentin, einen unausstehlichen Kinderstar und seine Manager-Mutti, einen höflichen Limousinenfahrer (Robert Pattinson) und einen selbstverliebten Therapieguru (John Cusack). Nicht Menschen sind es, die Cronenberg zeichnet, sondern Monster, vielleicht auch Untote. Geister tauchen jedenfalls an allen Ecken und Enden auf.Saubere ArbeitDie narrative Konstruktion des Films, die eine große Zahl unterschiedlicher Figuren einführt und disparate Erzählstränge entfaltet, um diese allmählich zu kreuzen und Stück für Stück zusammenzuführen, eifert einer identifizierbaren Vorlage nach: Magnolia, der epische L.A.-Film aus dem Jahr 1999, dessen Regisseur Paul Thomas Anderson an einer Stelle in Maps to the Stars explizit genannt wird. Anders als Magnolia aber täuscht Maps to the Stars erzählerische Komplexität und Fülle nur vor – am Ende werden alle Fäden fein säuberlich miteinander verknotet, es bleibt kein Rest, und nichts steht über. Saubere Arbeit, ordentlich. Zu denken gibt das nicht.Vielmehr fallen einem weitere Filme ein aus dem Genre der satirischen Hollywood-Selbstbespiegelung. Das in Filmen wie Billy Wilders Boulevard der Dämmerung (1950) oder Robert Altmans The Player (1992) besungene Figurenarsenal der abgelebten Diva und des aalglatten Produzenten wird von Cronenbergs Film up to date gebracht. Ins Zentrum stellt er den infantilen Teeniestar, um den herum sich die Ordnungen von Celebrity und Glamour seit den späten 90er Jahren neu sortiert haben. Worin die vertrackte Attraktion dieser neuen Form von Berühmtheit liegen könnte, ist Maps to the Stars dann aber komplett egal (wenn man in der Richtung mehr erfahren möchte, sollte man lieber Harmony Korines Spring Breakers aus dem letzten Jahr schauen). Stattdessen hüllt Cronenberg seinen kotzbrockigen Kinderstar in kulturkritischen Psychomystizismus – alle Generationenfolgen sind aus den Fugen geraten, und eine Art universeller Inzest durchdringt die Beziehungen. Die Mutter mit der Tochter, der Bruder mit der Schwester, dazwischen bedeutungsschwangere Korrespondenzen (Feuer!) und Wiederholungen – es kann sein, dass das alles eine Parodie auf kalifornische Esoterik und Psychogedöns sein soll. Es kann aber auch nicht sein: Drehbuchautor Bruce Wagner war lange Zeit ganz eng mit Carlos Castaneda.Überhaupt könnte man versuchen, wenn man Cronenberg retten wollte, das Scheitern von Maps to the Stars ebendiesem Drehbuchautor in die Schuhe zu schieben, der nun schon jahrelang regelmäßig dicke Wälzer voller Anekdoten über den kalifornischen Irrsinn raushaut und dafür vom US-amerikanischen Literaturbetrieb ebenso regelmäßig mit müdem Lächeln und distanziertem Wohlwollen bedacht wird – als eine Art minderbegabter Bret Easton Ellis.Trotzdem: Es tut fast weh, dass David Cronenberg, der mit Filmen wie Videodrome oder eXistenZ ebenso aufregend wie analytisch über Mensch-Maschinen-Verbünde und die Verknotungen von Begehren, Techniken und Medien nachgedacht hat – dass ausgerechnet diesem Cronenberg zur Traumfabrik und Bildermaschinerie Hollywood außer plattem Moralismus und abgeschmacktem Humanismus gar nichts einzufallen scheint.Aber es ist wohl hoffnungslos, Cronenbergs heutige Filme mit seinen frühen zu vergleichen. An die Stelle unentwirrbarer Verschachtelungen von Realität und Virtualität traten zuletzt mit Eine dunkle Begierde (2011) und Cosmopolis (2012) Sprech- und Sprachfilme, denen man eine gewisse Langeweile nicht absprechen konnte. Und während Cronenberg als Meister des Body-Horrors einst Männerkörper Transformationen unterwarf, die bis an die Geschlechtergrenzen führten, ist es in Maps to the Stars wieder ein Tropfen Menstruationsblut, der als Inbegriff des Ekels herhalten muss und, wie in Brian De Palmas Carrie, den ultimativen Gewaltexzess entfesselt.