Gigant Europa

USA Die Universität Maryland fragte in 23 Ländern - "Wer wird die Welt in Zukunft führen?"

Wenn die Franzosen und die Holländer wüssten, welches Ansehen Europa rund um die Welt genießt, dann würden sie die Idee, demnächst gegen die EU-Verfassung zu stimmen, vielleicht schnell wieder vergessen. Das Loblied auf Europa wird in einer gerade veröffentlichten Umfrage der Universität Maryland angestimmt, die in Kooperation mit dem internationalen Meinungsforschungsinstitut Globescan Zukunftstrends der Weltpolitik untersucht.

"Wer wird die Welt in Zukunft führen?" wurde in 23 Ländern nachgefragt. Angesichts der geballten Macht der Vereinigten Staaten hätte man eine derartige Frage für reine Rhetorik halten können, doch Steve Kull, Direktor des Program on International Policy Attitudes an der Universität von Maryland, hat erstaunliche Ergebnisse vorliegen: In 20 von 23 Ländern gab eine Mehrheit Europa den Vorzug, als gefragt wurde, ob man positiv oder negativ reagieren würde, falls die EU einen größeren Einfluss auf die Weltpolitik hätte als Amerika - 58 Prozent von 24.000 Befragten würden lieber Europa als Amerika am Weltruder sehen. Den größten Enthusiasmus für eine Degradierung der Amerikaner zeigen deren unmittelbare Nachbarn Mexiko und Kanada. Aber auch in China, Südafrika, Australien und Russland liegen die Pro-Europa-Zahlen über 60 Prozent. Nur auf den Philippinen ist Washingtons Dominanz unangefochten, während in Indien die Meinungen gespalten sind.

Die Supermacht Amerika findet sich abgeschmettert, obwohl unter den Umfrage-Ländern nur eines war, das zum US-geschädigten Mittleren Osten gehört. Ansonsten rekrutierte sich das Ensemble aus sieben europäischen, sechs asiatischen, sechs lateinamerikanischen Staaten und einem Vertreter Afrikas. Die negative Haltung gegenüber den USA habe historische Dimensionen angenommen, glaubt Steve Kull. Parallel dazu tauche jetzt ein positives Gefühl auf, wenn von Europa als neuer Führungsmacht die Rede sei.

Eine zweite Frage galt dem individuellen Urteil über die fünf ständigen Mitglieder des UN-Sicherheitsrats sowie die EU. Auch hier waren die Europäer weitaus populärer als die Amerikaner. Insgesamt bezeichneten 68 Prozent der Befragten in 22 Ländern Europa als konstruktives Element der Weltpolitik, wobei von den Einzelstaaten her Frankreich am besten abschnitt. Die USA lagen knapp vor Russland am Ende der Skala und sahen sich von Argentinien und Deutschland mit der entschiedensten Ablehnung bedacht.

Phillip Gordon, Europa-Experte am Brookings Institut, kann das Ranking des alten Kontinents nicht überraschen: "Macht trifft immer auf Ablehnung. Eine unilaterale Großmacht wie Amerika besonders. Vermutlich haben die Leute - zum Zeitpunkt der Befragung, während der Irak-Besetzung - einiges assoziiert mit den USA: Invasion, Besatzung, Unilateralismus, Sanktionen. Das inspiriert sie natürlich nicht, Amerikas Führungsrolle zu unterstützen." - Was Gordon nicht erwähnt, sind die erstaunlich vielen Amerikaner, die auch lieber Brüssel als Washington am Hebel der Weltpolitik sehen würden. 34 Prozent der Befragten in den USA gaben Europa den Vorzug. Genauso bemerkenswert sind die demografischen Indikatoren der Umfrage: Sympathien für eine Weltmacht Europa konzentrieren sich auf junge Leute, die Altersgruppe der 18-29-Jährigen, auf die gebildeteren Schichten und die Reichen.


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