Gisli, Haraldur, Wakanohana

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Isländer und Japaner haben auf den ersten Blick wenig gemeinsam, möchte man meinen. Verfolgt man jedoch das Programm des Fernsehsenders Eurosport (und es soll Leute geben, die das tun), erkennt man die Unrichtigkeit dieser Einschätzung und einige sympathische Parallelen: beide Inselvölker betreiben einen nicht unerheblichen Kult um skurrile Sportarten, die - hierzulande zu Unrecht unbeachtet - von zunächst erstaunlich unathletisch wirkenden Herren betrieben werden.

Die Isländer für ihren Teil sind offensichtlich besessen davon, mit futuristisch aufgebrezelten Geländewagen, die auf riesigen stollenbewehrten Ballonreifen stehen und von gigantischen alkoholbefeuerten Motoren angetrieben werden, in erloschenen Vulkankratern herumzufahren.

Das sieht spektakulär aus und nennt sich - weniger spektakulär - "Icelandic Formula Off-Road Championship". Die Fahrer tragen natürlich Helme, sind in einen robusten Überrollkäfig geschnallt, und so droht Gefahr eigentlich nur den Zuschauern, die sich immer wieder vor aus der Kraterwand fallenden Kraftfahrzeugen in Sicherheit bringen müssen.

Sumo, Nationalsport der Japaner, erfordert keine Motoren; der Leibesumfang der Akteure lässt aber vermuten, dass sie jeweils zumindest einen der isländischen Reifen verschluckt haben. Sie umschnüren sich mit zusammengerollten Bettlaken, bestreuen den Ring ausgiebig mit Salz (Warum? Man weiß es nicht.) und versuchen dann, einander aus demselben zu stoßen oder zu schleudern - auch nicht ungefährlich für die Zuschauer in der ersten Reihe, wenn man bedenkt, dass der gerade zurückgetretene Champion Akebono ein Kampfgewicht von 280 kg auf die Waage brachte.

Während Sumo hauptsächlich von der visuellen Ästhetik lebt, die entsteht, wenn Fünfzentnermänner schweigend und mit völlig unbeteiligtem Gesichtsausdruck aufeinanderprallen, akustisch nur begleitet vom monotonen anfeuernden Krähen des Ringrichters (der übrigens einen herzallerliebsten bunten Kittel trägt und ein mittels Faden unterm Kinn befestigtes Häubchen), ist das isländische Kraterfahren ein Fest für alle Sinne: da brüllen die Zwölfzylinder, Fontänen aus Schlamm und schwarzem Sand werden emporgewirbelt, und das Geräusch, wenn am Hang ein Getriebe unter Volllast in seine Einzelteile zerfällt, ist oft und gerne gehört.

Die Fahrer heißen Gisli, Haraldur und Sigurdur, zu 90 Prozent aber Gunnar. Gunnar Gunnarson ist im Starterfeld meist gleich mehrfach vertreten. Sie sind oft erstaunlich schmächtig, tragen grundsätzlich Schnurrbärte, kauen Kaugummi, und werden sie interviewt, so wählen sie ihre Worte mit Bedacht. Auf die mit mediterranem Enthusiasmus von völlig euphorisierten Reportern wortreich vorgetragenen Fragen antworten sie etwa wie folgt: "Nö." Leider versteht man die Fragen nicht, da Eurosport auf eine Synchronisation verzichtet. Andererseits hat man so Gelegenheit, sich am nordischen Idiom zu erfreuen.

Die übergewichtigen Japaner sind noch konsequenter: nie hörte man einen sprechen. Für Interviews stehen sie offensichtlich nicht zur Verfügung, was ihrer kultischen Verehrung in der Heimat jedoch keinen Abbruch zu tun scheint. Sie alle sind liiert mit wunderhübschen, aber furchterregend filigranen Fotomodellen.

Schöne Namen haben sie auch. Die Übersetzung von Bandwurmwörtern wie Wakanohana oder Takatoriki bietet Anlass zu manchem Lächeln: während die "Edle Welle" angesichts der wogenden Bindegewebsmassen noch angemessen erscheint, fragt man sich schon, ob die "Blume im Morgentau" nicht eher etwas für Synchronschwimmerinnen wäre. Apropos Synchronschwimmen: auch ein phantastischer Sport, auch mit etwas Glück auf Eurosport zu entdecken, auch diese Damen äußern sich Gott sei Dank nie zu ihrem Tun. Unbedingt gucken!

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