Gleichberechtigt plantschen

Sportplatz Kolumne

Der 3.000-Meter-Hindernis-Lauf gehört zu den schönsten Disziplinen der Leichtathletik. Das haben wir zweiffellos dem zu überquerenden Wassergraben zu verdanken, der den Zuschauern wunderhübsche Bilder hineinplumpsender Sportler und den Athleten eine willkommene Abkühlung bietet. Seit kurzem dürfen die Strecke nun auch Frauen absolvieren. Nach der Premiere bei den Olympischen Spielen 2004 treten die 3000-Meter-Hindernisläuferinnen bei den Europameisterschaften in Göteborg zum zweiten Mal bei einem Großevent auf. Vor vollbesetzten Rängen - denn Steeplechase, wie die Disziplin auf englisch heißt, gehört zu den Publikumsmagneten.

Steeplechase? Heißen so nicht eigentlich Pferderennen? Tatsächlich hat der Hindernislauf seine Wurzeln im Reitsport. Es war im Jahr 1850, als Oxforder Studenten im Rahmen einer Wette auf die Idee kamen, eine Art Pferde-Hindernisrennen für Menschen zu veranstalten. Die menschlichen Starter mussten zwar keine Sättel, aus Gründen der Fairness, aber Handicaps mit sich herumschleppen, damit alle das gleiche Gewicht über die Hürden zu tragen hatten. 39 Jahre dauerte es, bis die Sportart offiziell Bestandteil der britischen Leichtathletik-Meisterschaften wurde. Die zurückzulegenden Strecken variierten. 1928 bei den Olympischen Spielen von Amsterdam wurden erstmals drei Kilometer gelaufen, was der heutigen Strecke entspricht. Wie historische Aufnahmen zeigen, sah der Hindernislauf recht possierlich aus: Da nirgendwo festgelegt war, wie die zu überwindenden Barrieren auszusehen hatten, legten die Veranstalter alles auf die Bahn, was ihnen geeignet erschien, von Bretterwänden bis hin zu Fässern. Spaß, soviel beweisen alte Fotos der von Anstrengung verzerrten Gesichter der Starter, machte der Lauf auf keinen Fall.

Das änderte sich erst 1953, als der Internationale Leichtathletikverbannd IAAF die Hindernisse verbindlich vorschrieb und einen Wassergraben zum unverzichtbaren Element erklärte. Nach jeweils vier genommenen Hürden darf man seither ins Wasser springen und dort nicht nur die wehen überhitzten Füße kühlen, sondern auch die Konkurrenz gezielt nass spritzen. Oder ihr zugucken, wie sie nach einem zu kurzen Sprung ziemlich dämlich in den tiefen Teil des Grabens stolpert und ihr einige gehässige Bemerkungen zurufen. Etwa dass die ausgesprochen tölpelhaft aussehende Landung von allen im Stadion befindlichen Fotografen festgehalten worden sei, und morgen würde man zum Gespött der gesamten Zeitungsleserschaft werden.

Korrigiere: Mann würde zum Gespött werden. Denn Frauen waren zum Hindernislauf jahrzehntelang nicht zugelassen. Mit abstrusen Begründungen wie den übermäßigen Anstrengungen, denen der weibliche Teil der Turnerschaft nicht gewachsen sei. In Wirklichkeit wollten die Männer wohl die lustige Wasserspitzerei schlicht für sich alleine haben. Denn anders ist es nicht zu erklären, weshalb die Damen, die seit vielen Jahren bereits ekelhaft lange Strecken wie den Marathonlauf bewältigten und sogar zum Siebenkampf antreten durften, vom Sprung ins Nass ausgeschlossen blieben.

Nun endlich macht die Gleichberechtigung auch vor den Hürden nicht mehr Halt. Und auch Damen dürfen plantschen.

Der Disziplin fehlen jetzt nur noch Punktrichter, die besonders atemberaubende Bauchplatscher im Wassergraben auszeichnen.


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